Ob im Ohr, in der Achselhöhle oder im Mund – die übliche Fiebermessung taugt nur bedingt zur Ermittlung der tatsächlichen Körperkerntemperatur. Das ist der Schluss zu dem Dr. David Niven und sein Team vom Department of Critical Care Medicine am Peter Lougheed Centre in Calgary, Kanada, nach Auswertung mehrerer Studien kommen, berichtet die deutsche Medizin-Plattform medscape.com.
„Thermometer für die periphere Messung“, erläutert Niven das Ergebnis, „haben keine klinisch akzeptable Präzision und sollten nicht eingesetzt werden, wenn für diagnostische Entscheidungen präzise Messungen der Körpertemperatur notwendig sind.“ Aber es gibt auch eine brauchbare Alternativen für den Einsatz im Spital: „Rektale Thermometer kommen für die meisten dieser Patienten in Frage, und Blasenthermometer können bei denjenigen eingesetzt werden, die ohnehin einen Blasenkatheter brauchen“, so Niven und Kollegen.
Die kanadischen Ärzte haben die Genauigkeit von peripheren und zentralen beziehungsweise rektalen Thermometern zur Bestimmung der Kernkörpertemperatur bei Erwachsenen und Kindern verglichen. Als Datengrundlage dienten Studien, die die Temperatur am Trommelfell, im Mund, in der Achsel oder über Infrarot an der Schläfenarterie messen. Sie wurden mit Thermometern verglichen, die die zentrale Körpertemperatur erfassen. Dazu zählen die Messung über einen Katheter in der Lungenarterie, der Harnblase oder der Speiseröhre und auch die weniger aufwändige Messung im Rektum.
Quelle für die Studien waren Datenbanken wie etwa Cochrane Central Register of Controlled Trials seit Beginn der Datenbanken bis Juli 2015. Von den jeweiligen Studien wurden die Daten zu Studiencharakteristika, Methoden und Ergebnissen gesichtet und die Qualität der jeweiligen Studien beurteilten: Eingeschlossen wurden schließlich 75 Arbeiten mit insgesamt 8.682 Patienten.
Messungen bei Fieber und Hypothermie besonders ungenau
Nach der Sichtung der Studien ergaben sich zwischen den beiden Messmethoden teilweise erhebliche Abweichungen, die außerhalb eines zuvor definierten akzeptierten Bereichs von ± 0,5 °C lagen. Diese Abweichungen variierten besonders stark bei Patienten mit Fieber (Erwachsene: -1,44 °C bis 1,46 °C; Kinder: -1,49 °C bis 0,43 °C) und bei Unterkühlung (Erwachsene: - 2,07 °C bis 1,90 °C; keine Daten für Kinder).
Periphere Thermometer nicht verlässlich genug
Die kanadische Vergleichsstudie zeigte die Schwächen der handelsüblichen Thermometer: Sie zeigen die Körpertemperatur für den klinischen Gebrauch nicht genau genug an. Augenfällig wurde das besonders bei hohem Fieber und Unterkühlung: Es wurden Abweichungen von 1 bis 2 Grad gegenüber der „echten“ Körperkerntemperatur festgestellt.
„Obwohl Fieber nicht gleich mit einer schweren Infektion gleichzusetzen ist“, schreibt Niven, „liefert die Information, dass kein Fieber vorliegt, den Klinikern einen Hinweis, dass eine schwere Infektion weniger wahrscheinlich ist. Wenn das aber auf eine unzuverlässige Messmethode zurückzuführen ist, kann das zu folgenschweren Verzögerungen bei der Antibiotikagabe führen.“
Um Fieber auszuschließen, seien herkömmliche Thermometer, die die Temperatur weit weg vom Körperstamm (peripher) messen, daher nicht exakt genug. „Deshalb“, folgert Niven, „sind sie unzuverlässige Screening-Instrumente, um Temperaturabweichungen zu entdecken. Im Gegenzug zeigen die nicht vaskulären Geräte unter den zentralen Thermometern exzellente Übereinstimmungen mit dem Goldstandard, der Temperaturmessung über Katheter der Pulmonalarterie“.
Für den Hausgebrauch ist demnach also am ehestens die rektale Messung die genaueste.
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Mag. Christian Boukal / medscapemedizin.de
Dezember 2015
Foto: shutterstock