Minus 110 Grad in der Kältekammer lindern Schmerzen, kühle Umschläge verhindern Schwellungen nach Verletzungen und Gesichtswaschungen reduzieren Stress.
Auch ein früherer Herz- oder Lungeninfarkt sowie ein Schlaganfall oder auch Epilepsie sind Ausschließungskriterien. Platzangst sollte der Betroffene ebenfalls nicht haben – auch wenn während der ganzen Behandlung Sprechkontakt und Sichtkontakt durch ein Fenster mit der Krankenschwester besteht.
Die Patienten gehen mit Badehose oder Bikini in die Kühlkammer. Die Betroffenen dürfen nicht schwitzen oder feuchte Badekleidung tragen. Um Erfrierungen zu vermeiden, sind die Patienten auch mit Mundschutz, Handschuhen und Socken ausgestattet. Übrigens können schon Kleinkinder ab drei Jahren – zum Beispiel am Arm der Eltern – in die Kältekammer gehen. Besonders geeignet ist die Kältetherapie bei
- chronischen Schmerzen
- entzündlichen oder degenerativen Gelenks- und Wirbelsäulenerkrankungen
- Rheumabeschwerden (z. B. bei primär chronischer Polyarthritis oder Morbus Bechterew)
- Muskelschmerzen
- weichteilrheumatischen Erkrankungen, z. B. Fibromyalgie
- Schmerzen nach Operationen und Verletzungen
- akuten Sportverletzungen
- akuten Schmerzen
"Kälte wirkt entzündungshemmend und ist speziell bei aktiven Schüben von Rheuma sehr gut einsetzbar", sagt Sezer. Auch bei Schuppenflechte und Neurodermitis werden beachtliche Erfolge erzielt. Schließlich handelt es sich auch dabei um entzündliche Prozesse.
Damit die Therapie wirkt, muss sie mehrmals hintereinander durchgeführt werden – zum Beispiel dreimal pro Woche. Man kann auch zweimal pro Tag in die Kältekammer gehen, wenn die Ärztin das befürwortet. "Der Effekt hält oft ein halbes Jahr, ein Jahr oder auch länger an", sagt Sezer.
Sport nach der Kälte
Um ihre volle Wirkung zu entfalten, sollte die Kältetherapie direkt nach der Anwendung mit Bewegung kombiniert werden. Das aktiviert zusätzlich die Durchblutung, in Bad Zell stehen zur Anleitung ein Physiotherapeut und Sportgeräte zur Verfügung. Die Kosten muss der Betroffene für all das übrigens selbst tragen, da die Krankenkasse diese Art der Therapie nicht finanziert.
Leistungssportler gehen vor Wettkämpfen ebenfalls gerne in die Kältekammer, weil dadurch die Leistungsfähigkeit gesteigert wird, und nach Wettkämpfen, um die Regenerationsphase zu unterstützen. Auch die Sportler absolvieren nach der Kältebehandlung ein Bewegungsprogramm, das ihnen der Trainer zusammenstellt.
„Kälteanwendungen im Sport sind umstritten“, sagt Milan Toljan. Der Linzer Sportarzt erklärt: „Bei frischen Verletzungen ist Kälte sinnvoll. Ergüsse und Schwellungen treten weniger auf, wenn sofort gekühlt wird. Dann ist das eine sinnvolle Applikation.“ Der Spezialist empfiehlt die Anwendung der sogenannten PECH-Regel: Nach der Verletzung sind Pause-Eis-(C)Kompression-Hochlagern angesagt.
Kälte bremst Stoffwechsel
Ob Kälte wirkt, sei individuell sehr unterschiedlich. Von Kälteanwendungen Tage nach der Verletzung rät Toljan eher ab. „Die Kälte verlangsamt dann den Stoffwechsel, der aber für den Heilungsprozess gebraucht wird.“ Besser sei hingegen eine „österreichische Spezialität“, nämlich Topfen. „Der kühlt und wirkt entzündungshemmend“, sagt der Arzt. International sei diese Behandlung schwer durchzusetzen, weil es viele Länder gibt, in denen Topfen nicht bekannt ist. Als Lindsey Vonn einmal in Innsbruck mit einem Topfenwickel behandelt wurde, schrieb eine US-Zeitung, die Sportlerin sei „mit Käse geheilt“ worden.
Gefährlich kann es werden, wenn eine akute Verletzung von Laien mit Eisspray behandelt wird: Wer da übertreibt, riskiert Erfrierungen, die ähnlich schlimm sein können wie Verbrennungen. Es gibt jedoch auch Eissprays, die einen Erfrierungsschutz eingebaut haben und mit denen man sich nicht verletzen kann. Weil das Eisspray den Schmerz nimmt, muss wirklich ein Profi entscheiden, ob man danach noch weiter sporteln darf. Denn sonst kann sich die Verletzung verschlimmern.
Kälte spielt auch nach der Wettkampfbelastung bei vielen Vereinen mittlerweile eine zentrale Rolle. Da wird der Effekt genützt, dass sich durch das Absenken der Temperatur der Stoffwechsel verlangsamt. „Ein Nachbrennen wird verhindert“, so Toljan. So hat der Fußballverein Bayern München für seine Spieler Kaltwasserbetten eingeführt. Beim Tennis ist es gang und gäbe, dass sich die Sportler nach einem Match in Kaltwasser-Wannen legen. Ob das sehr unangenehm ist? „Nach einem Wettkampf ist der Athlet aufgeheizt. Da kann das kalte Wasser sogar angenehm sein – ähnlich wie das eiskalte Tauchbecken nach einem Saunagang“, sagt der Sportarzt.
Kälte reduziert das Tempo
Stichwort Kaltwasser-Becken: Auch bei Kneipp-Behandlungen spielen Kältereize eine wichtige Rolle. „20 Prozent der Wasseranwendungen von Kneipp funktionieren mit Kaltwasser. Kälte bremst. Alles, was zu schnell und überschießend abläuft, benötigt Kälte“, sagt Martin Spinka. Der Arzt für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) hat dieses Phänomen mit anderen Kneipp-Ärzten auch wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis: Kälte aktiviert im vegetativen Nervensystem den Parasympathikus, der im Körper für Regeneration, Reparatur, Erholung und Ruhe zuständig ist. Beispiele, wann Kälte gut tut: bei akuten Entzündungen, bei Burnout, Depressionen oder Stress.
Kalte Dusche als Therapie
„Wenn in der Nacht die Gedanken rattern und man nicht schlafen kann, ist die einfachste Möglichkeit, kalt zu duschen oder in eine kalte Wanne zu steigen“, sagt Spinka. Auch wer im Büro Stress hat, kann ganz einfach gegensteuern: Zehn kalte Gesichtswaschungen oder kalte Unterarmgüsse nehmen Tempo heraus.
Prinzipiell sollten Kaltwasseranwendungen nach Kneipp nur gemacht werden, wenn die Füße warm sind. Eine Ausnahme sind Schnee- und Tautreten, die immer geeignet sind: Dabei geht man 20 Schritte durch den Schnee oder durch die taunasse Wiese. „Danach sind die Füße garantiert wieder warm“, sagt Spinka.
Gesundheitsmagazin der OÖNachrichten
20.Jänner 2016
Foto: Lebensquell Bad Zell