Den meisten Morbus Crohn-Patienten kann mit bewährten Medikamenten gut geholfen werden. Neue Wirkstoffe könnten zudem bald auch schwerste Erkrankungen besser behandelbar machen. Operationen dagegen werden eher seltener nötig.
Morbus Crohn ist eine Autoimmunerkrankung und ist eine chronische Entzündung im Verdauungstrakt. Über Ursachen und Auslöser gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Die Krankheit bricht meist zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr aus und tritt in Schüben auf. Ein zweiter Erkrankungsgipfel tritt um das 65. bis 70. Lebensjahr auf. Die Zahl der Erkrankungsfälle ist steigend.
Typische Beschwerden sind Bauchschmerzen und Durchfälle. Abszesse am After können sehr schmerzhaft sein. Möglich sind auch Engstellen, die bis hin zum Darmverschluss führen können. „Früher glaubten Fachleute, dass Depressionen Morbus Crohn auslösen können, da beide Erkrankungen häufig Hand in Hand gehen. Heute weiß man, dass die Reihenfolge meist umgekehrt ist. Durch die Beschwerden, die Morbus Crohn-Erkrankte erleiden, stellen sich häufig Depressionen ein“, sagt Oberarzt Dr. Dieter Nitsche, Facharzt für Innere Medizin am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern Linz.
Behandlungsmöglichkeiten
Weil man die genauen Vorgänge, die zur Erkrankung führen, noch nicht gesichert kennt, ist auch eine Heilung der Krankheit an sich nicht möglich. Die Behandlung beschränkt sich daher auf die Beseitigung bzw. Reduzierung der Beschwerden oder das Zurückdrängen der entzündlichen Prozesse. In den letzten Jahren waren gute Fortschritte zu verzeichnen. Die Erkrankung beeinträchtigt das Leben der meisten Betroffenen daher immer weniger. In leichten Erkrankungsfällen bzw. bei günstigem Verlauf kann oft auch ein völliger Stillstand der Symptome (Remission) erreicht werden.
Medikamente
Entzündungshemmende Therapien und „herkömmliche“ Antikörper:
Im Mittelpunkt der medikamentösen Behandlung stehen entzündungshemmende Medikamente. Art und Dosierung richten sich nach der individuellen Ausbreitung der Erkrankung sowie nach dem Schweregrad der entzündlichen Veränderungen. Die medikamentöse Therapie sollte möglichst früh beginnen, damit die Schleimhaut des Darms vollständig abheilen kann. Gelingt dies, können neue Schübe, bleibende Darmschäden und Komplikationen zurückgedrängt werden. Je schneller man eine Remission erreicht, desto besser ist die Situation für den betreffenden Patienten.
„In leichten bis mittelschweren Fällen geben wir 5-ASA Präparate (z.B. Pentasa, Salofalk). Damit gelingt zumindest in den leichteren Fällen meist sogar eine völlige Remission, also eine Beschwerdefreiheit bzw. komplette Zurückdrängung der Entzündung. In mittelschweren bis schweren Fällen wird zudem Kortison verabreicht, auch darauf sprechen die meisten gut an. Kortison darf allerdings nicht dauerhaft verabreicht werden, um mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden. Als Dauermedikamente werden zumeist Immunsuppressiva (wie Azathioprin) verschrieben. Die meisten Patienten vertragen diese problemlos. Werden sie jedoch nicht vertragen oder helfen sie nicht ausreichend, können TNF-Alpha-Blocker (Remicade, Humira, Golimumab) zum Einsatz kommen. Diese hier beschriebene Methode, die Medikation erforderlichenfalls zu erweitern, nennt man Step-up-Methode“, erklärt Nitsche.
Eine andere Methode ist die Top-down-Methode. Hier beginnt die Behandlung sofort mit stark wirkenden Medikamenten (TNF-Alpha-Blocker, Immunsuppressiva). Stellt sich der erhoffte Therapieerfolg ein, steigt man auf „leichtere“ Medikamente um. „Es ist nicht bewiesen, dass eine der beiden Methoden auf Dauer bessere Resultate bewirkt als die andere. Beide Philosophien haben ihre Berechtigung“, sagt der Internist.
Neue Antikörper:
In den letzten fünf Jahren hat sich der Wirkstoff Vedolizumab als äußerst wirksam erwiesen. Es handelt sich um Antikörper, die eingesetzt werden, wenn TNF-Alpha-Blocker und andere Medikamente nicht mehr helfen oder nicht mehr vertragen werden. „Sie sind extrem gut wirksam, man muss allerdings Geduld haben, denn die Wirkung tritt erst nach drei bis vier Monaten ein. Ein weiterer Vorteil dieses Wirkstoffs ist, dass er sowohl für Patienten mit Morbus Crohn also auch für solche mit der verwandten Erkrankung Colitis ulcerosa gleichermaßen gut wirksam ist“, sagt Nitsche. Ähnliches gilt aber auch für die „herkömmlichen“ Antikörper, die TNF-Alpha-Blocker.
Operation:
Der Mehrheit der Patienten kann mit Medikamenten gut geholfen werden. Anders als in früheren Jahren, wird der entzündete Teile des Darms wesentlich seltener entfernt. Operiert wird meist nur dann, wenn Komplikationen bestehen, z.B. wenn eine narbige Engstelle dies unbedingt nötig macht.
Stuhltransplantation:
Bei extrem starken Erkrankungsfällen kommen fallweise auch sogenannte Stuhltransplantationen in Betracht. Dabei wird Stuhl aus einem gesunden in einen kranken Darm transferiert. Im Darm des Kranken wird auf diese Weise dessen geschädigtes Darm-Mikrobiom wiederaufgebaut. Über ein Endoskop werden die verdünnten Fäkalien inklusive der wichtigen Darmbakterien in den Dickdarm des Empfängers gespült. Die Methode erscheint ekelerregend, aber sie bedeutet auch Hoffnung für Kranke mit schweren chronischen Darmentzündungen. „Die Methode mag teilweise umstritten sein, sie ist aber oft erfolgreich“, sagt Nitsche.
Hoffnungsträger:
Manche Experten erwarten sich viel vom Wirkstoff Ustekinumab. Der Wirkstoff zeigt seit einigen Jahren gute Erfolge bei der Behandlung der Schuppenflechte, nun hat eine klinische Studie gezeigt, dass das Mittel bei Patienten mit Morbus Crohn ebenfalls wirksam sein kann. „Der Wirkstoff ist aber erst in der Erprobungsphase, es ist noch zu früh, um beurteilen zu können, ob er Fortschritte in der Behandlung bringen kann“, so Nitsche.
Große Hoffnungen weckt auch der Wirkstoff Mongersen, da er einen neuen Behandlungsansatz ermöglicht: Bei Patienten mit Morbus Crohn blockieren bestimmte Proteine Botenstoffe, die entzündungshemmend wirken. Deren Wirkung ist jedoch besonders wichtig, weil sie die Entzündungsvorgänge verringern können. Mongersen soll dafür sorgen, dass die Zellen keine Proteine mehr produzieren, die die Botenstoffe blockieren. Folge: Die Entzündung kann wieder besser bekämpft werden. „Der Wirkstoff hat in Phase-2-Studien mit schweren Erkrankungsfällen sehr gute Ergebnisse erbracht. Ich bin vorsichtig optimistisch, dass auch die nötigen Phase-3-Studien diese Ergebnisse bestätigen können. Ist das der Fall, dann wäre das tatsächlich ein echter Durchbruch. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Ergebnisse in Phase-3-Studien oft weniger gut ausfallen als in den kleineren Phase-2-Studien“, sagt Nitsche.
Was können Betroffene tun?
Nicht rauchen:
Seit einigen Jahren ist wissenschaftlich zweifelsfrei erwiesen, dass das Rauchen von Tabak sich schädlich auf den Verlauf der Erkrankung auswirkt. „Alle Erkrankten sollten unbedingt das Rauchen einstellen und falls erforderlich, sich bei diesem Vorhaben helfen lassen“, rät Nitsche.
Stress reduzieren:
Stress kann Schübe auslösen und wirkt sich auf den Krankheitsverlauf negativ aus. Daher gilt: Einen möglichst stressfreien Lebensstil anstreben.
Ernährung?
Früher ging man davon aus, dass eine kohlenhydratreiche Ernährung sich negativ auf den Krankheitsverlauf auswirkt, heute glaubt man, dass dies doch keine Rolle spielt. „Viele Fachleute gehen zwar davon aus, dass die Ernährung durchaus wichtig ist und dass vor allem die Darmflora eine entscheidende Bedeutung in der Entstehung des Morbus Crohn hat, gesicherte Erkenntnisse liegen aber nicht vor“, so der Oberarzt.
Dr. Thomas Hartl
September 2016
Bild: shutterstock