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Frau mit schiefen Hals

Schiefhals – Schmerzhafte Fehlstellung konsequent behandeln

Patienten mit Schiefhals leiden an einer Fehlhaltung des Halses und daraus folgend an einem verdrehten Kopf. Für Betroffene bedeutet dies oft eine lebenslange und erhebliche Einschränkung der Lebensqualität. Zu den Schmerzen und Bewegungseinschränkungen kommen oft enorme psychische Probleme durch die sichtbare Körperfehlhaltung hinzu. 

Der Begriff Schiefhals (Torticollis spasmodicus) bezeichnet einen schmerzhaft verdrehten und/oder geneigten Hals. Der Kopf ist dabei meist zu einer Seite geneigt und das Kinn zur anderen Seite. 

Dystonie 

Beim Schiefhals handelt sich um die am häufigsten auftretende Form einer Dystonie. Dystonien sind neurologische Bewegungsstörungen, die sich in Muskelkontraktionen äußern, die sich willentlich nicht beeinflussen lassen. Sie entstehen durch eine Fehlsteuerung der Skelettmuskulatur, die vom Gehirn ausgeht.

Im Gegensatz zur generellen Dystonie, bei der alle Muskelgruppen des Körpers betroffen sein können, sind beim Schiefhals nur die Halsmuskeln betroffen. Die „automatisch“ angespannten Halsmuskeln verzerren sich und verbiegen die Stellung des Kopfes. 

Verschiedene Formen 

Torticollis spasmodicus kann verschiedenen Ursachen haben. „Man unterscheidet die symptomatische Form von der idiopathischen Form, wobei für letztere keine organische Ursache der Erkrankung gefunden wird. In diesen Fällen vermutet man eine Funktionsstörung in einer bestimmten Region des Gehirns, in den sogenannten Stammganglien“, sagt Dr. Selina Haas, Fachärztin für Neurologie am Neuromed Campus der Kepler Universitätsklinik Linz. Auch das Vorliegen einer psychogenen Form der Erkrankung (Psyche als Erkrankungsursache) ist möglich.

Eine Form der symptomatischen Form ist das (selten auftretende) Klippel-Feil-Syndrom bei einem Säugling: Die Knochen des Halses sind nicht richtig ausgeformt und es bestehen auch Seh- und Hörstörungen vorliegen. 

Ursachen

Bei symptomatischen Erkrankungsfällen werden organische Ursachen gefunden. Als mögliche Ursachen und Auslöser wurden folgende Punkte identifiziert:

  • Bestimmte Medikamente (z.B. Neuroleptika)
  • Verletzungen der Halswirbelsäule oder der Halsmuskulatur
  • Verletzung des Gehirns
  • Augenmuskelstörungen
  • Ein Schiefhals kann auch im Rahmen anderer Erkrankungen auftreten, wie z.B. bei Parkinson, bei einer Gehirnblutung, bei einem Schlaganfall oder bei Morbus Huntington.
  • Bei der angeborenen Form des Torticollis spasmodicus kommt es zu einer Fehlbildung eines großen Halsmuskels, der verkürzt ist. Diese Form der Erkrankung tritt äußerst selten auf.

Diagnose 

In den meisten Fällen wird die Erkrankung früh erkannt, da sie äußerlich sehr auffällig ist. Dennoch wird die Erkrankung zunächst mitunter verwechselt, z.B. mit einem Cervikalsyndrom oder einem anderen Schmerzsyndrom.

Für eine Diagnosestellung wird der Arzt den Patienten zu seiner bisherigen Krankengeschichte befragen und ihn körperlich (vor allem auf Halsverletzungen) untersuchen. „Meistens kommen Patienten mit deutlich sichtbaren Schiefhals oder mit Kopfwackeln in die Klinik. Auch wenn der Verdacht sehr schnell auf Torticollis spasmodicus fällt, muss man zuerst eine Differenzialdiagnose vornehmen, das heißt, man muss zuerst mögliche andere Erkrankungen ausschließen. Ist dies erfolgt, ermöglicht eine Magnetresonanztomographie vom Kopf meist eine eindeutige Diagnose“, sagt Haas. Auch ein Elektromyogramm, mit dem man die elektrische Aktivität der Muskulatur misst, kann hilfreich sein, um festzustellen, welche Muskeln betroffen sind. 

Symptome

    • Fehlhaltung/Fehlstellung des Kopfes, verdrehter Hals, Seitwärtsneigung des Kinns
    • Häufig auch Kopfwackeln oder Kopfzittern
    • Unfähigkeit, den Kopf normal zu bewegen
    • Schmerzen im Nacken und/oder im Kopf
    • Versteifung und/oder Schwellung der Halsmuskulatur
    • Versteifung des Nackens und der Schulterregion
    • Bewegungseinschränkungen
    • Erhöhte Position einer der Schultern
    • Das Gesicht kann unsymmetrisch aussehen
    • Psychische Probleme: Durch die sichtbar entstellende Körperfehlhaltung fühlen sich Betroffene häufig stigmatisiert.
    • Typisch auch: Legt ein Betroffener einen Finger an sein Kinn, kann er den Kopf in die Gerade ausrichten (Ohne Finger am Kinn gelingt das nicht.).

Soziale Auswirkungen 

Ein ausgeprägter Schiefhals wirkt sich auf das Leben sehr einschränkend aus. Die Psyche wird stark belastet, weil man ständig angestarrt wird, vor allem bei starker Fehlstellung des Kopfes oder bei Kopfwackeln. Zudem begleiten häufig chronische Schmerzen den Betroffenen über viele Jahre hinweg. Betroffene, die stark in eine Blickrichtung fixiert sind, können zudem Alltagshandlungen, wie Auto fahren kaum mehr ausführen.

„Eine Dystonie sistiert im Schlaf, daher ist das meist außer bei gleichzeitigen Einschlafstörungen, kein Problem“, so Haas. 

Therapie 

Da in den meisten Fällen die Ursache der Erkrankung nicht bekannt ist, kann hier keine Heilung, sondern nur eine Behandlung der Symptome erfolgen. In sehr seltenen Fällen verschwindet die Erkrankung auch wieder, ohne dass es dafür eine plausible Erklärung gibt. Eine möglichst frühzeitige Behandlung bringt steigende Therapiechancen und kann zudem verhindern, dass sich ein Schiefhals verschlimmert. 

Botulinumtoxin: Die Standardbehandlung erfolgt mit Botulinumtoxin-Injektionen in die betroffenen Muskeln. Dadurch wird die Übertragung der Nervenaktivität auf die Muskeln blockiert, wodurch die Muskelspannung nachlässt und es wieder möglich wird, den Kopf in Normalstellung zu bekommen.

Die Injektionen werden alle drei Monate gespritzt und können auch viele Jahre lang verabreicht werden. Es kann jedoch sein, dass sich im Laufe der Jahre Antikörper bilden, mit der Folge, dass die Wirkung der Injektionen nachlässt.

„Dieses Verfahren wirkt sehr gut. Die Schwierigkeit besteht darin, die richtigen Muskeln zu erwischen. Dies ist nicht immer einfach, da verschiedene Muskeln beteiligt sind. Es hängt viel von der Kunst und der Erfahrung des Arztes ab“, sagt Haas.

Physiotherapie: Zusätzlich zu Botulinumtoxin-Injektionen gehört Physiotherapie zur Standardbehandlung. Durch gezielte Muskelarbeit (z.B. Dehnung der Halsmuskeln) können sich Verkrampfungen lösen oder verhindert werden. Botulinumtoxin plus Physiotherapie bringt meist gute Ergebnisse, indem die Muskeln weicher werden, sich die Haltung bessert und Schmerzen reduziert werden.

Medikamente: Folgende Medikamente können zum Einsatz kommen: Neuroleptika, Anticholinergika, Benzodiazepine, Muskelrelaxanzien, Schmerzmittel und Medikamente, die zur Behandlung des Zitterns bei der Parkinsonkrankheit eingesetzt werden. Medikamente kommen bei leichteren Erkrankungen zum Einsatz oder zusätzlich zur Injektion von Botulinumtoxin. Die Wirkung von Medikamenten ist oft wenig befriedigend.

Tiefenhirnstimulation: In manchen Kliniken (wie am Neuromed Campus der Kepler Universitätsklinik Linz) wird in Fällen schwerster Dystonie auch die sogenannte Tiefenhirnstimulation angewandt, um unerwünschte Nervensignale zu unterbrechen.

Operationen: Auch chirurgische Eingriffe sind fallweise eine Option, vor allem dann, wenn eine sehr schwere Form der Dystonie vorliegt, wenn der Kopf also bereits schief fixiert ist. Möglich sind etwa: Durchtrennung von Nerven oder Muskeln, Verlängerung der Halsmuskeln, Korrektur anormaler Wirbel.

 

Dr. Thomas Hartl

Oktober 2016


Foto: shutterstock


Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020