Die Erbkrankheit Chorea Huntington betrifft in Österreich zwar nur rund 800 Menschen, ihr Leidensweg ist aber groß. Die Krankheit mit den vielen Gesichtern endet immer tödlich.
So genial die Erbinformation eines Menschen ist, so schwerwiegende Auswirkungen können kleinste Veränderungen haben – wie bei der Erbkrankheit Chorea Huntington. „Ursache ist eine Genveränderung des Chromosoms vier. Normalerweise wiederholen sich im Huntington-Gen die Basen Cytosin, Adenin und Guanin 16- bis 20-mal in der gleichen Sequenz. Bei Huntington-Patienten finden sich 40 Wiederholungen und mehr“, sagt Dr. Sascha Hering, Leiter der Bewegungsstörungsambulanz der Salzburger Universitätsklinik für Neurologie. Hat ein Elternteil das defekte Gen, erkranken Kinder mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent.
Gefürchteter Veitstanz
Doch was bewirkt das veränderte Gen? Das Huntington-Eiweiß führt zum Absterben von Nervenzellen in bestimmten Hirnregionen. Meist zeigen sich um das 40. Lebensjahr erste Krankheitszeichen, wie hyperkinetische Bewegungsstörungen. Dr. Hering: „Darunter versteht man abrupt einsetzende, unregelmäßige, zum Teil tanzend anmutende Überbewegungen.“ Die Krankheit ist daher auch unter dem Namen Veitstanz bekannt. Im fortgeschrittenen Stadium ist der gesamte Körper betroffen. Alltägliche Verrichtungen, wie Essen oder Anziehen, fallen schwer. Schließlich sind Betroffene auf ständige Pflege angewiesen. Da auch die Kontrolle über die Zungen- und Schlundmuskulatur verloren geht, kann es zu einer abgehackten Sprache und Schluckbeschwerden kommen. Lange vor dem Auftreten motorischer Beschwerden können sich psychiatrische und kognitive Symptome bemerkbar machen. Betroffene können ängstlich, aggressiv, suizidal oder enthemmt werden. „Auch kommt es zur Störung der Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit sowie letztendlich zu einer demenziellen Entwicklung“, sagt der Mediziner.
Die Huntington-Krankheit ist derzeit noch nicht heilbar. Bisher lassen sich nur die Symptome lindern. So kommen sogenannte Antihyperkinetika gegen die unkontrollierten Bewegungen oder Antidepressiva gegen depressive Verstimmungen zum Einsatz. Unterstützend helfen Physiotherapie, Logopädie oder Ergotherapie. Die Erkrankten sterben meist 15 bis 20 Jahre nach Diagnosestellung. Der Tod ist dabei häufig auf Komplikationen wie eine Lungenentzündung zurückzuführen.
Die Erkrankung ist mit einem hohen Leidensdruck verbunden. „Viele Erkrankte werden vorverurteilt und etwa als betrunken abgestempelt“, sagt Bernhard Gantschnigg von der Huntington-Hilfe Salzburg, dessen Frau an Huntington erkrankt ist. Soziales Verständnis und Rückhalt durch Familie und Freunde sowie Selbsthilfegruppen (www.huntington.at) sind für ihn besonders wichtig. Gantschnigg: „Untersuchungen haben bestätigt, dass das defekte Gen zu zirka 60 Prozent und die Lebensumstände zu zirka 40 Prozent verantwortlich für den Verlauf sind. Eine gesunde Ernährung, viel Bewegung sowie eine liebevolle Zuwendung der betreuenden Personen können sich äußerst positiv auswirken.“
MMag. Birgit Koxeder-Hessenberger
Jänner 2017
Fotos: shutterstock; privat
Kommentar
Dr. Sascha Hering
Leiter der Bewegungsstörungsambulanz der Universitätsklinik für Neurologie, PMU Salzburg