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Kleiner Junge beim Physiotherapeuten

Entzündliches Rheuma kann auch Kinder treffen

Wer an Rheuma denkt und dabei nur ältere Menschen im Kopf hat, irrt. Rund 2.000 Kinder in Österreich leiden an einer rheumatischen entzündlichen Gelenkserkrankung. Eine frühe Diagnose und gezielte Behandlung können die „juvenile idiopathische Arthritis“ in vielen Fällen heilen. 

Humpelt ein 7-jähriger mit einem geschwollenen Knie herum, denkt man zuerst an eine Verletzung bei Sport oder Spiel. Wenn überwärmte, geschwollene Gelenke nicht relativ rasch wieder verschwinden und keine äußere Ursache wie etwa ein Sturz vorliegt, sollte man auch an eine rheumatische Erkrankung denken. „Schon Babies und Kleinkinder können betroffen sein. Unsere Patienten in der Ambulanz für kindliches Rheuma sind von neun Monaten bis 18-Jahre alt“, sagt Rheumaspezialist und Kinderarzt Dr. Rudolf Schwarz vom Kepler Universitätsklinikum in Linz. 

Autoimmunerkrankung 

Die rheumatische Gelenkserkrankung im Kindes- Und Jugendalter wird als juvenile idiopathische Arthritis (JIA) bezeichnet. Sie unterscheidet sich grundsätzlich von der Rheumatischen Arthritis oder chronischen Polyarthritis im Erwachsenenalter. Gelenksschmerzen sind im Kindes- und Jugendalter grundsätzlich eine häufige Ursache für einen Arztbesuch. „20 bis 30 Prozent aller Kinder bis zum 16. Lebensjahr weisen zumindest ein Mal einen Arztbesuch wegen Gelenksbeschwerden auf. Aber nur wenige davon haben eine entzündlich rheumatische Gelenkserkrankung. Diese Kinder müssen früh herausgefiltert und adäquat behandelt werden. Bei etwa einem von 10.000 Kindern pro Jahr wird eine JIA diagnostiziert“, erklärt Schwarz und fügt hinzu: „Man kann davon ausgehen, dass in Oberösterreich jährlich 30 bis 40 Kinder und Jugendliche an einer rheumatischen Arthritis erkranken.“ Derzeit werden im Med Campus IV der Kepler Universitätsklinik etwa 250 Kinder und Jugendliche mit JIA behandelt.

Der erste Erkrankungsgipfel liegt bei zwei bis drei Jahren, dabei sind hier vor allem Mädchen betroffen. 

Dicke, warme, schmerzende Gelenke 

Rheuma bei Kindern verläuft anders als bei Erwachsenen. Ursache der JIA ist eine Fehlsteuerung im Immunsystem. In manchen Fällen findet sich in der Vorgeschichte eine Infektion wie etwa Scharlach und auch eine genetische Disposition spielt eine Rolle. Das kindliche Abwehrsystem greift körpereigenes Gewebe an und diese Autoimmunreaktion führt zum entzündlichen Prozess der Gelenksinnenhaut, die anschwillt. Das Gelenk wird dick, heiß und schmerzt. Hält die Entzündung unbehandelt länger an, können Knorpel, Sehnen, Knochen und Bänder in Mitleidenschaft gezogen und die betroffenen Gelenke langsam zerstört werden. „Der Körper des Kindes im Wachstum reagiert sensibel und intensiv auf die Störung. Daher nimmt die Erkrankung bei Kindern einen raschen Verlauf. Innerhalb von wenigen Wochen können ohne Behandlung Folgeschäden entstehen. Daher bei ersten Symptomen zum Arzt gehen“, sagt der Rheumaspezialist.

Anzeichen können sein, dass Kinder eine Schonhaltung einnehmen und bestimmte Bewegungen nicht ausführen oder das Zugreifen mit der Hand vermeiden. Je jünger ein Patient bei Diagnosestellung ist, desto unspezifischer sind die Symptome. Kinder können im Säuglings- und Kleinkindalter ihre Schmerzen nicht entsprechend benennen und anzeigen. Manchmal hören die Kleinen auf zu krabbeln oder laufen, erscheinen in ihrer motorischen Entwicklung verzögert zu sein, sind sehr anhänglich, schlafen nicht mehr durch und nehmen kaum an Gewicht zu. Leitsymptome einer juvenilen idiopathischen Arthritis sind:

  • Schonhaltung beim Gehen, Krabbeln, Springen, Turnen, Greifen. Auch Probleme beim Anziehen oder Halten des Besteckes fallen auf.
  • Asymmetrische Gelenksschwellungen (Wurstfinger, Wurstzehen) und Schmerzen an überwärmten Gelenken
  • Rückenschmerzen und Morgensteifigkeit
  • Allgemeinsymptome wie Fieber und Kopfschmerzen

Heilung ist möglich 

„Grundsätzlich ist die Prognose der JIA deutlich besser einzuschätzen als bei der Rheumatoiden Arthritis im Erwachsenalter. 75 Prozent der Kinder die vor der Pubertät erkrankt waren, sind nach der Pubertät wieder dauerhaft beschwerdefrei“, sagt der Rheumaspezialist. Man unterscheidet die Oligoarthritis bei der weniger als fünf Gelenke und die Polyarthritis bei der von Beginn an mehr als fünf Gelenke betroffen sind. Beide Formen werden mit verschiedenen Medikamenten behandelt.

Die Diagnose einer rheumatischen Arthritis ist eine klinische anhand von Symptomen und durch Ausschluss anderer Ursachen für Gelenksschmerzen wie etwa eine durch einen Infekt ausgelöste Arthritis, Verletzungen durch ein Trauma, Hüftschnupfen, überbewegliche Gelenke oder Wachstumsprozesse. Manche Kinder werden zunächst nach vermeintlich harmlosen Verletzungen in der Unfallambulanz vorstellig. Wenn Schmerzen und Schwellungen nicht – wie zu erwarten – durch Schonung und eventuelle kurzzeitige Ruhigstellung zurückgehen, sollte auch an Rheuma gedacht werden.

Andere Kinder werden vor der richtigen Diagnose vom Augenarzt wegen einer Augenentzündung (Iridocylitis) begutachtet. Bei vielen kommt sie als Begleiterscheinung vor oder steht am Anfang im Vordergrund. Besonders Mädchen mit einer Oligoarthritis haben ein hohes Risiko für die Augenbeteiligung. Grundsätzlich gehört die regelmäßige Inspektion der Augen zur Betreuung jedes Kinderrheumapatienten dazu. Die Laborbefunde können bei manchen Rheumapatienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung völlig normal sein („sero-negative“ JIA) und sind daher nicht aussagekräftig. 

Interdisziplinäre Behandlung 

Ziele der Therapie sind Schmerzbekämpfung und Entzündungshemmung, Gelenks- und Organschäden sollen verhindert, normales Wachstum sowie Entwicklung erreicht werden. Mapßnahmen:

  • Medikamentöse Therapie
  • Physiotherapie
  • Ergotherapie
  • Hilfsmittelversorgung (individuell angepasste Schienen etc.)
  • Augenfachärztliche Therapie
  • Nur selten chirurgische Maßnahmen
  • Beratung in schulischen und Berufsfragen
  • Psychologische Betreuung
  • Rehabilitation

Die medikamentöse Behandlung hat sich in den vergangen zehn bis 15 Jahren grundsätzlich gewandelt. Man spricht von einem stufenweisen Therapieschema, das zumeist mit einem Schmerzmittel der Kategorie „nichtsteroidale Antirheumatika“ (NSAR) beginnt. Man kann sie als Saft oder Tablette geben. Sollte sich innerhalb von einigen Wochen keine Besserung einstellen, wird die zweite Stufe angestrebt. „Hier werden nun andere Medikamente als noch vor zehn Jahren verwendet. Methotrexat hat sich in einer sehr niedrigen Dosis, ein Mal pro Woche verabreicht, bewährt. Die neueste Generation der Medikamente sind die sogenannten ‚Biologika‘. Das sind Substanzen die gezielt gegen einzelne Entzündungsbotenstoffe wirken. Hier ist für die Auswahl des Medikamentes zu unterscheiden, ob es sich um eine Oligoarthritis oder Polyarthritis handelt“, erklärt der Mediziner. Bei sehr schweren Verläufen oder solchen mit Fieber können zu Beginn der Behandlung auch Cortisonpräparate eine rasche Besserung herbeiführen. In der Langzeittherapie werden die oben genannten Medikamente verwendet.

Grundsätzlich bestehen bei der juvenilen idiopathischen Arthritis gute Heilungschancen. Wichtig sind die frühzeitige Diagnose, konsequente Therapie und regelmäßige Kontrollen, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Wenn diese Grundsätze eingehalten werden, hat die JIA eine sehr gute Prognose.

 

Mag. Christine Radmayer

November 2016


Foto: shutterstock


Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020