Pankreaskrebs wird meist spät erkannt und hat die schlechteste Prognose aller Karzinome, darum sind Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse gefürchtet. Jede Art der Früherkennung ist ein Segen, etwa wenn bei einer Computertomografie des Bauchraumes zufällig eine Zyste gefunden wird, bevor sie entartet. Eine operative Entfernung im Frühstadium bringt meist Heilung.
„Die Differenzialdiagnose von Tumoren und Zysten ist komplex und gehört in die Hände von erfahrenen Spezialisten“, sagt Prim. Univ.-Prof. Reinhold Függer, Leiter der Chirurgie am KH der Elisabethinen in Linz, das seit 1. Jänner 2017 in Kooperation mit dem KH der Barmherzigen Schwestern das Ordensklinikum Linz bildet. Gemeinsam mit dem Internisten Prim. Univ.-Prof. Rainer Schöfl leitet er das Leber-Pankreas Zentrum. Pankreaskrebs ist mit rund 1500 Neuerkrankungen pro Jahr der zehnthäufigste Krebs in Österreich, aber der vierthäufigste an dem Patienten versterben. Zur Zeit der Diagnose sind nur mehr rund 20 Prozent der Karzinome zu operieren. Die anderen haben entweder schon Metastasen gebildet oder/und sind wegen ihrer Lage nicht zu entfernen. „Mittlerweile versuchen wir auch grenzwertig operable Tumore zu operieren. Solchen Eingriffen geht öfter eine Chemotherapie voraus“, sagt Függer. Zur optimalen Diagnose und Behandlung braucht es ein interdisziplinäres Team aus Gastroenterologen und Chirurgen. Es ist bekannt, dass sich der Bauchspeicheldrüsenkrebs langsam entwickelt. Von der ersten Zellveränderung bis zum Ausbrechen des Krebses kann es im Schnitt 5 bis 20 Jahre dauern. Die meisten Tumore machen lange Zeit keine oder sehr unspezifische Beschwerden wie Oberbauchschmerzen, Gewichtsverlust, Leistungsabfall, Gelbsucht. Daher werden sie oft spät diagnostiziert. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei operierten Pankreaspatienten liegt bei rund 20 Prozent. Die postoperative Sterblichkeit (bis 90 Tage nach der Operation) konnte in den letzten Jahren in den spezialisierten Zentren gesenkt werden.
Verstärkter Fokus auf Zysten
Zysten sind in den letzen zehn Jahren immer mehr in den Fokus der Betrachtung gerückt, weil eine zeitgerechte Operation von derartigen Krebsvorstufen manchen bösartige Tumor verhindert und der Patient geheilt werden kann. „Etwa ein Drittel der Zystenpatienten hat so eine Krebsvorstufe. Für die Differentialdignose und das Behandlungsschema sind Spezialzentren zuständig“, erklärt der Chirurg. In der Therapie hat sich in den letzen zehn Jahren viel Positives getan. „Zysten werden meist zufällig bei einer Computertomografie des Bauchraumes entdeckt. Sie sind nicht so selten. Man findet ein, zwei Zysten pro 100 Bauch-CT“, sagt Prof. Függer. Grob gesagt sind etwa 70 Prozent davon harmlos und/oder gutartig und die anderen potentiell gefährlich, sprich krebsverdächtig oder schon bösartig. Definiert ist eine Zyste als Hohlraum im Gewebe, der aus mehreren Kammern besteht, durch ein Häutchen abgeschlossen ist und Flüssigkeit enthält.
Anamnese, Labor und Endosonografie (endoskopischer Ultraschall) bringen Klarheit über die Art des zystischen Tumors. Bei der Endosonografie wird wie bei einer Magenspiegelung ein Ultraschall-Endoskop eingeführt, die Zyste begutachtet und in vielen Fällen die Flüssigkeit in der Zyste punktiert. „Aus der Zystenflüssigkeit kann man gut ablesen, ob der zystische Tumor gut- oder bösartig ist. Man bestimmt die Werte des Pankreasenzyms Amylase und eines speziellen Tumormarkers. Ist dieser Marker erhöht, muss operiert werden“, erklärt Függer.
Arten von zystischen Tumoren
Mehr als 40 Prozent aller zystischen Veränderungen müssen operiert werden, das ist etwa jeder fünfte Eingriff an der Bauchspeicheldrüse. Dies geschieht meist in offener Operation oder je nach Art und Lage auch mittels Laparoskopie (Schlüssellochchirurgie). Je nach Eingriff, kann es – wie bei der Totalentnahme der Bauchspeicheldrüse – in bestimmten Fällen zu einer Blutzuckerkrankheit kommen. Manche Zysten sind angeboren. Sie entstehen durch Gewebefehlentwicklungen und sind in der Bauchspeicheldrüse ungefährlich.
- Pseudozysten (34 %): Sie sind gutartig und können die Spätfolge einer akuten oder chronischen Bauchspeicheldrüsenentzündung sein. In den meisten Fällen werden solche Zysten nur beobachtet. Sie machen kaum Beschwerden und wenn doch, kann die Zyste entfernt werden. Im Unterschied zu allen anderen Zysten sind Pseudozysten keine Neubildungen von Gewebe, sondern sie entstehen aus Gewebe, das zugrunde gegangen ist und um das sich eine Haut gebildet hat. Innen drinnen sammelt sich Pankreasflüssigkeit.
- Intraduktale papillär muzinöse Neoplasie (IPMN, 24 %): Seit den 1990er Jahren steht diese Tumorart zunehmend im Zentrum der Pankreaschirurgie. Die Bauchspeicheldrüse hat einen Haupt- und Seitengänge, die sich wie Fischgräten verzweigen. IPMN des Hauptgangs wird immer operiert. In 30 Prozent der Fälle ist diese Zystenform bösartig oder kann es noch werden. Bei frühzeitiger Entfernung kann die Entwicklung eines Karzinoms verhindert werden.
- Zystisch duktales Carzinom (21 %): Diese Paarung von Karzinom und Zyste ist schwierig zu erkennen, da der Tumor versteckt hinter der Zyste liegen kann. Eine Operation ist notwendig.
- Serös zystische Neoplasie (SCA, 10 %): Diese Form ist gutartig und muss beobachtet werden.
- Muzinös zystische Neoplasie (MZN, 8 %): Diese Form muss unbedingt operiert werden, denn schon bei der Entdeckung sind mehr als 35 Prozent der Tumore bösartig.
- Solid pseudopapilläre Neoplasie (SPN, 3 %): Dieser seltene Tumor ist auch als Frantz-Tumor bekannt und tritt beinahe ausschließlich bei jüngeren Frauen auf. Er kann gut- und bösartig sein und soll operiert werden.
Zysten kommen in jedem Alter und bei Mann und Frau gleich verteilt vor. Risikofaktoren sind laut Primar Függer keine bekannt. Bei unspezifischen Symptomen wie unklaren Oberbauchbeschwerden, plötzlichem Leistungseinbruch, unerklärlicher Gewichtsabnahme oder Appetitlosigkeit auch an eine Erkrankung der Bauchspeicheldrüse denken und diese abklären lassen. Gelbsucht kann ein Anzeichen sein, wenn der Tumor den Gallengang, der auf dem Weg von der Leber in den Zwölffingerdarm das Pankreas durchquert, verengt.
Mag. Christine Radmayr
Jänner 2017
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