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Ältere Frau bei einer Untersuchung

Viele Chancen

Krebs ist die zweithäufigste Todesursache und bei den Ängsten sicher die Nummer eins. Trotz großer Fortschritte in der Therapie bleiben ein bewusster Lebensstil und Früherkennung die stärksten Trümpfe gegen Tumore. Und bieten viele Chancen.

Rund 39.000 Menschen erkranken in Österreich jedes Jahr neu an einem Tumor, Männer etwas häufiger als Frauen. Mehr als 330.000 Menschen leben mit der Diagnose Krebs, also rund 3,8 Prozent der Bevölkerung. Bei den Frauen liegt Brustkrebs deutlich voran, gefolgt von Darm- und Gebärmutterkrebs. Die häufigste männliche Krebsart ist das Prostatakarzinom, gefolgt von Darm- und Harnblasenkrebs. Etwas mehr als 20.000 Patientinnen und Patienten verlieren pro Jahr den Kampf gegen eine Krebserkrankung. Dabei haben sich die Chancen, die Krankheit zu überleben, deutlich verbessert. Lag die Fünf-Jahres-Überlebensrate vor 20 Jahren noch bei 48 Prozent, so ist dieser Wert mittlerweile auf 61 Prozent gestiegen.

Den größten Trumpf gegen Krebs haben die Menschen selbst in der Hand. Mit einem bewussten Lebensstil ließe sich nach Einschätzung von Experten rund ein Drittel aller Krebserkrankungen vermeiden. Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann, der Leiter der Hämato-Onkologie am Ordensklinikum der Elisabethinen in Linz: „Mit gesunder Ernährung, regelmäßiger sportlicher Betätigung, einem normalen Körpergewicht und der Vermeidung der bekannten krebserzeugenden Risken wie Rauchen und zu viel Alkohol kann das Krebsrisiko um die Hälfte reduziert werden.“ Es gibt viele Möglichkeiten, beim Lebensstil anzusetzen und damit das Krebsrisiko zu verringern. Ansgar Weltermann: „Beispielsweise können Ballaststoffe das Risiko von Dickdarmrebs um 40 Prozent senken.“ Auch Obst und Gemüse haben nachweislich eine positive Wirkung. Sie dürften sich nicht nur risikosenkend bei Dickdarmkrebs auswirken, sondern auch Karzinome im Bereich von Kehlkopf, Mund und Rachen sowie der Speiseröhre verhindern helfen. Im Gegensatz dazu scheinen rotes Fleisch – also vor allem Rind-, Kalb-, Schweine- und Lammfleisch – sowie Wurstwaren Tumore im Darmtrakt zu fördern. Das gilt in hohem Maß für Alkohol, dessen Abbauprodukt Acetaldehyd unter massivem Krebsverdacht steht. Mit regelmäßigem Alkoholkonsum steigt das Risiko für Mundkrebs, und Rachenkrebs, Kehlkopfkrebs, Speiseröhrenkrebs, Magenkrebs, Darmkrebs, Leberkrebs, bei Frauen zusätzlich auch Brustkrebs. Die kritische Menge wird sehr niedrig angesetzt: Mehr als ein Glas Wein pro Tag könnte schon zu viel sein. Einen klaren Zusammenhang scheint es auch zwischen Geselchtem und der Entstehung von Magenkrebs zu geben. Stichwort Geselchtes: Die krebserregende Wirkung des Rauchens dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. 

Dreimal pro Woche 

Weniger bekannt ist, dass Bewegung das Krebsrisiko deutlich mindern kann. Am Krebsforschungszentrum Heidelberg konnte in epidemiologischen Studien gezeigt werden, dass körperliche Aktivität das Risiko für Dickdarmkrebs um 20 bis 30 Prozent reduziert. Das gilt ungefähr im gleichen Ausmaß für Brustkrebs. Positive Auswirkungen zeigt körperliches Training in gewissem Ausmaß auch bei Tumoren der Gebärmutter, der Lunge und der Bauchspeicheldrüse. Univ.-Prof. Dr. Paul Sevelda, der Präsident der Österreichischen Krebshilfe: „Es genügt schon, den Körper dreimal pro Woche ungefähr jeweils eine Stunde durch Wandern, Laufen, Spazierengehen oder irgendeine andere sportliche Aktivität zu bewegen.“ Auch eine gesunde Lebensweise kann nicht immer verhindern, dass trotzdem eine Tumorerkrankung auftritt. Dann kann Früherkennung lebensrettend sein. Ziel ist es, Tumore in frühen Stadien aufzuspüren – möglichst bevor Tochtergeschwülste (Metastasen) entstanden sind. Denn in vielen Fällen lassen sich Krebserkrankungen im Frühstadium erfolgreicher und auch schonender behandeln.

Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann: „Eine besonders erfolgreiche Früherkennung gibt es für den Dickdarmkrebs. Mit Hilfe der sehr risikoarmen Darmspiegelung können Tumore noch im Stadium eines Polypen erfasst und beseitigt werden.“ Fast alle Arten von Darmkrebs entstehen aus gutartigen Wucherungen, den sogenannten adenomatösen Polypen oder Adenomen. Normalerweise dauert es viele Jahre, bis aus einem Polypen Darmkrebs entsteht. Die Darmspiegelung wird ab 50 empfohlen und sollte – falls kein erhöhtes Risiko vorliegt oder aus anderen Gründen eine Abklärung nötig ist – alle zehn Jahre wiederholt erden. Darmkrebs verursacht erst sehr spät spürbare Symptome, etwa sichtbares Blut im Stuhl oder Gewichtsabnahme. Um auch sogenanntes verstecktes Blut im Stuhl nachweisen zu können, gibt es den Hämoccult- oder Löschblatt-Test, der jährlich durchgeführt werden sollte. Untersuchungen haben gezeigt, dass von 1.000 durchgeführten Stuhl-Tests rund 30 eine Auffälligkeit zeigten, die eine Darmspiegelung erforderlich machten. Dabei wurde im Durchschnitt bei drei Personen Darmkrebs und bei zwölf Untersuchten ein Adenom entdeckt. In 15 Fällen, also der Hälfte, wurden weder Krebs noch adenomöse Polypen gefunden – falscher Alarm also. Studien haben gezeigt, dass der Löschblatt-Test die Sterblichkeitsrate bei Darmkrebs um ein bis zwei pro 1.000 Personen senken kann.

Forscher beim Auswerten von Untersuchungen

Muttermale ganz genau beobachten 

Hautkrebs bietet sich für eine Früherkennung allein schon deshalb an, weil auch ein Laie Veränderungen der Haut beobachten und im Zweifelsfall einen Arzt beiziehen kann. Laut Statistik erkranken pro Jahr von 100.000 Personen durchschnittlich 325 an Hautkrebs. Davon sind 290 Basalzell- oder Plattenepithelkarzinome, sogenannte weiße Hautkrebsarten. 35 Personen erkranken an einem malignem Melanom, dem gefürchteten „schwarzen“ Hautkrebs. Im Gegensatz zu den fast immer heilbaren „weißen“ Tumorarten bildet das maligne Melanom sehr früh Tochtergeschwülste und ist dann kaum mehr heilbar. Deshalb ist es besonders wichtig, Muttermale und ihre Entwicklung genau zu beobachten – besonders dann, wenn man zur Risikogruppe gehört. Das sind vor allem Personen mit rötlichen oder blonden Haaren und Neigung zu Sommersprossen. Wer seit der Kindheit Dutzende Muttermale am ganzen Körper trägt, hat ein bis zum Siebenfachen erhöhtes Hautkrebsrisiko. Sonnenbrände in der Kindheit und Jugend erhöhen das Risiko auf das Zwei- bis Dreifache. Zur Krebs-Prävention gehört auch ein vorsichtiger Umgang mit UV-Strahlung.

Einige Signale können Vorzeichen eines malignen Melanoms sein und sollten sofort von einem Dermatologen abgeklärt werden. Etwa wenn ein Muttermal deutlich dunkler schwarzbraun oder schwarz erscheint. Auch wenn ein Muttermal in Farbe und Form unregelmäßig wird beziehungsweise plötzlich zu wachsen beginnt, kann das ein Alarmsignal sein. Das gilt auch, wenn ein Muttermal plötzlich zu jucken oder brennen beginnt oder gar zu bluten. Vorteile bringt die genaue Beobachtung der Haut auch bei der frühen Entdeckung der „weißen“ Hauttumore. Es muss dann möglicherweise weniger ausgedehnt operiert werden und in der Therapie können schonendere Medikamente eingesetzt werden.

Die Einführung des Mammografie-Screenings zur Früherkennung von Brustkrebs ist von den meisten Experten begrüßt worden. Die alternative Tastuntersuchung allein sei nicht ausreichend gewesen, um Brustkrebs rechtzeitig erkennen zu können. Der Erfolg des Screenings ist wissenschaftlich belegt. Die Deutsche Krebshilfe fasst zusammen: Von 1.000 Frauen, die zehn Jahre lang regelmäßig am Mammografie-Screening teilnehmen, sterben vier bis fünf an Brustkrebs. Ohne Screening wären es sechs von 1.000 Frauen. Somit werden ein bis zwei von 1.000 Frauen vor dem Tod an Brustkrebs bewahrt.

Für Frauen, die sich am Früherkennungsprogramm beteiligen, sind auch noch andere Zahlen interessant. Das Screening von 1.000 Frauen zeigt für 970 einen unauffälligen Befund, für 30 gibt es weitere Untersuchungen. Laut Statistik wird sich bei 24 Frauen herausstellen, dass der Verdacht unbegründet war. Sechs Frauen erhalten die Diagnose Brustkrebs. Fünf haben tatsächlich einen bösartigen Tumor. Bei einer Frau liegt ein sogenanntes Duktales Carcinoma in situ (DCIS) vor. Das kann sich zu einem bösartigen Krebs entwickeln, muss es aber nicht. Eine verlässliche Vorhersage gibt es derzeit nicht. Deshalb wird den Frauen geraten, das DCIS behandeln zu lassen. So kann es vorkommen, dass Veränderungen in der Brust behandelt werden, die ohne Screening nie entdeckt und nie bösartig geworden wären. Das Phänomen nennt man Überdiagnose. Ein anderes Problem sind sogenannte Intervallkarzinome. Sie wachsen so schnell, dass sie zwischen zwei Mammografien entstehen – etwa zwei von 1.000 Frauen sind davon betroffen.

Überdiagnose und Überbehandlung sind Stichworte, die vor allem die Diskussion um die Früherkennung von Prostatakrebs beherrschen. Das Karzinom der Vorsteherdrüse ist der häufigste Tumor beim Mann. Einer von 17 Männern mit 65 Jahren wird in den nächsten zehn Jahren die Diagnose Prostatakrebs erhalten. Als Früherkennungsmethoden stehen ein Tastbefund sowie der sogenannte PSA-Test zur Verfügung. Das ist ein Bluttest, mit dem der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA) bestimmt wird. Ein erhöhter PSA-Wert kann auf ein Prostatakarzinom hinweisen, aber auch Folge einer anderen, gutartigen Erkrankung sein. Ein weiteres Problem stellt die Einschätzung dar, ob ein entdeckter Krebs auch behandelt werden sollte, da die Nebenwirkungen für die betroffenen Männer oft beträchtlich sein können. Auch in Anbetracht der Lebenserwartung der Patienten könnte es in manchen Fällen auch die bessere Lösung sein, abzuwarten und das Wachstum des Tumors zu beobachten. Ansgar Weltermann: „Die Männer sollten über die Vor- und Nachteile der Früherkennung bei Prostatakrebs informiert werden, um sich dann selbst entscheiden zu können.“ 

Eindeutiger sind die Zusammenhänge beim Zervixkarzinom, dem Gebärmutterhalskrebs. Für seine Entwicklung sind die humanen Papillomaviren (HPV) hauptverantwortlich, die durch ungeschützten Geschlechtsverkehr übertragen werden. Die Viren werden meist vom Immunsystem ausgeschaltet. Manchmal überleben sie – eine Infektion ist die Folge. Daraus kann sich über Jahre ein Zervixkarzinom entwickeln. Bei einer PAP-Abstrichuntersuchung, die der Frauenarzt durchführt, können gefährliche Zellveränderungen früh erkannt werden. Eine seit einigen Jahren angebotene Impfung, die einen Großteil der HPV-Stämme abdeckt, kann die Infektion überhaupt verhindern. Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann: „Damit sollte der Gebärmutterhalskrebs künftig nur noch eine Rarität darstellen.“


Test mit Problemen

Überdiagnose und falsche Sicherheit

Der PSA-Test ist aktuell die empfindlichste Methode, um Prostatakrebs im Frühstadium zu entdecken. Trotzdem ist der Test auch in der Fachwelt umstritten. Den Grund zeigt obige Grafik: Von 1.000 Männern, die sich ab dem 55. Geburtstag 15 Jahre lang regelmäßig einem PSA-Test unterziehen, wird durchschnittlich in einem Fall der Krebstod verhindert.

Fünf Männer sterben trotz des Tests an Prostata-Krebs. Insgesamt 56 von 1.000 Männern erhalten die Diagnose Prostatakarzinom, sterben aber an anderen Ursachen. Bei 40 wird zwar Prostatakrebs diagnostiziert, er wird aber im Lauf ihres Lebens keine Beschwerden hervorrufen (Überdiagnose). Bei 13 Männern wird ein Karzinom gefunden, obwohl der PSA-Wert unverdächtig war (falsche Sicherheit). Schließlich schlägt der Test bei 100 Männern an, ohne dass die Gewebeprobe den Verdacht bestätigt (falscher Alarm). Diese Fakten sollten mit dem Arzt diskutiert werden, bevor man sich zu einem PSA-Test entschließt.

Quelle: Deutsche Krebshilfe

Tipps 

Rauchen: Hören Sie mit dem Rauchen auf und vermeiden Sie Passivrauchen. Nicht nur Lungenkrebs, sondern auch eine ganze Reihe anderer Krebsarten können durch Tabakkonsum ausgelöst werden.

Bewegung: Vermeiden Sie Übergewicht und sorgen Sie für ausreichend Bewegung. Schon dreimal eine Stunde pro Woche zeigt positive Wirkung. Für manche Krebsarten senken Sie das Risiko damit um ein Drittel.

Ernährung: Eine bewusste Ernährung ist auch eine wirkungsvolle Krebsvorsorge. Vor allem Ballaststoffe, Obst und Gemüse sollten häufig auf den Speiseplan. Im Gegensatz dazu sollten Sie rotes Fleisch reduzieren.

Alkohol: Reduzieren Sie den Alkoholgenuss. Eine Reihe von Krebserkrankungen steht in Zusammenhang mit Alkohol. Die kritische Menge ist sehr niedrig und dürfte bei einem Glas Wein pro Tag liegen.

Frauen: Sie sollten – wenn möglich – auf eine Hormonersatztherapie verzichten, da diese das Krebsrisiko erhöhen kann. Neben vielen anderen positiven Effekten senkt Stillen hingegen das Tumorrisiko.

Sonne: Vermeiden Sie zu viel Sonnenstrahlung. Das gilt besonders für Babys und Kleinkinder. Achten Sie auf ausreichenden Schutz vor UV-Strahlen. Das Solarium ist noch immer ein Risikofaktor.

Krebserregende Stoffe: Schützen Sie sich auch am Arbeitsplatz vor möglichen krebserregenden Stoffen. Das können Chemikalien genauso sein wie Feinstaub. Nutzen Sie allenfalls die Schutzkleidung.

Früherkennung: Informieren Sie sich über alle Angebote zur Früherkennung von Krebserkrankungen und nutzen Sie diese. Suchen Sie bei jedem Zweifel einen Arzt auf und lassen Sie Ihre Fragen abklären.

Quelle: WHO


Heinz Macher 

Oktober 2017


Bilder: mauritius; shutterstock; privat


Kommentar

Prim._Doz._Dr._Ansgar_Weltermann_150x150.jpgIch kenne keine Krebserkrankung, bei der es nicht sinnvoll wäre, diese in einem Frühstadium zu entdecken. Gerade im Frühstadium lassen sich viele Tumore gut behandeln.“

Univ.-Doz. Dr. Ansgar Weltermann

Leiter der Hämato-Onkologie am Ordensklinikum der Elisabethinen, Linz

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020