Patienten sind im Umgang mit Ärzten heute wesentlich mündiger als noch vor zehn Jahren. Sie nehmen ihre Gesundheit häufiger in die eigenen Hände und der Arzt fungiert immer mehr als ihr Partner. Um einen Arztbesuch erfolgreich zu gestalten, sollte man sich darauf vorbereiten und eigene Fragen aufschreiben.
Wer zum Arzt geht, hat meist ein Problem, das er gelöst haben will. Eine akute Erkrankung, chronische Beschwerden, oder zum Beispiel den Verdacht, an einer Allergie oder Unverträglichkeit zu leiden. Hat man ein gesundheitliches Problem, dessen Ursache man erst auf die Spur kommen muss oder benötigt man eine alternative Therapie, da die bisherigen Behandlungen keinen Erfolg gebracht haben, lohnt es sich, den anstehenden Besuch beim Arzt gewissenhaft vorzubereiten.
So bereitet man einen Arztbesuch optimal vor
- Suchen und sammeln Sie alle bisherigen Unterlagen (Arztbriefe, Diagnosen, Befunde etc.), die mit Ihrem gesundheitlichen Problem im Zusammenhang stehen könnten.
- Erstellen Sie eine Liste mit Fragen, die Sie dem Arzt stellen möchten (zum Beispiel: Welche Erkrankung habe ich? Ist das sicher oder was könnte es sonst sein? Welche Medikamente sind nötig? Wie oft und wie lange soll ich sie einnehmen? Was kann ich selbst tun, um das Problem künftig zu vermeiden? Wie gefährlich ist meine Krankheit? Gibt es alternative Therapien? Welche Vor- und Nachteile haben die Therapien?
- Notieren Sie die Namen der Medikamente, die Sie einnehmen oder nehmen Sie diese zum Arzttermin mit. Dazu zählen auch rezeptfreie Medikamente und pflanzliche Präparate sowie Nahrungsergänzungsmittel.
- Notieren Sie sich, wann und bei welchen Gelegenheiten welche Beschwerden auftreten, was Sie bisher dagegen unternommen haben und welche Erfolge das gebracht hat.
- Wenn Sie es für nötig halten, können Sie auch eine Vertrauensperson zum Arztbesuch mitnehmen.
Schriftliche Notizen
Eine schriftliche Frageliste ist deshalb wichtig, weil viele Menschen bei einem Arztbesuch angespannt und nervös sind und die eigenen Fragen ganz einfach vergessen. Manche fühlen sich in der Umgebung anderer Kranker nicht wohl und möchten die Sache so schnell wie möglich hinter sich bringen. So passiert es dann, dass man seine Fragen vergisst oder sie plötzlich nicht mehr für wichtig hält und sie unter den Tisch fallen lässt. Man sollte daher zuhause seine Fragen schriftlich notieren und diese Fragen mit dem Arzt Punkt für Punkt besprechen und sich die Antworten gleich in der Ordination stichpunktartig notieren.
„Vor allem jüngere Patienten bereiten sich immer öfter vorbildlich vor. Sie bringen alle ihre Befunde und Fragen mit und haben sich oft auch schon im Internet eingelesen. Viele kommen mit genauen Vorstellungen, was ihnen helfen könnte. Das geht oft soweit, dass junge Patienten noch während des Gespräches mit mir auf dem Handy überprüfen, was ich ihnen vorschlage. Für sie ist der Arzt nur ein Hilfsmittel von vielen“, sagt Dr. Sabine Wied-Baumgartner, Allgemeinmedizinerin in Linz.
Manche Patienten dagegen bereiten sich auf den Arztbesuch in keiner Weise vor. „So kommt dann zum Beispiel jemand und sagt, dass er Schmerzen hat. Im schlimmsten Fall hat er weder alte Befunde mit, noch hat er sich Fragen notiert und hat sich auch keinerlei Gedanken gemacht, wie sich die Schmerzen anfühlen, wo und wann sie auftreten und so weiter“, so Dr. Wied-Baumgartner.
In der Ordination
Im Gespräch mit dem Arzt sollte der Patient achtgeben, dass er die Aussagen des Arztes auch wirklich versteht. Tut er es nicht, sollte er sofort nachfragen. Ansonsten werden die Worte des Arztes oft falsch ausgelegt, was zu Ängsten und falschen Reaktionen des Patienten führen kann. Dr. Wied-Baumgartner: „Wenn Patienten etwas nicht verstehen, denken sie manchmal, dass es um ihre Gesundheit nicht gut bestellt ist und sie vielleicht sogar eine schlimme Krankheit haben. Es ist daher sehr wichtig, dass Patienten deutlich sagen, wenn ihnen etwas nicht klar ist.“
Auch der Arzt sollte Fragen stellen
Als Mediziner sollte man auf jeden einzelnen Patienten eingehen und mit ihm so sprechen, dass der Patient auch versteht, was der Arzt sagt. „Auch der Arzt sollte immer wieder Fragen stellen, wenn ihm etwas unklar ist oder wenn er vermutet, dass der Patient etwas Wichtiges verschweigt. Patienten verschweigen oft alte Leiden, weil diese schon sehr lange Zeit Teil ihres Lebens sind. Oder wenn man nach den eingenommenen Medikamenten fragt, werden Nahrungsergänzungsmittel oder pflanzliche Arzneien oft verschwiegen. Da muss man als Arzt sehr genau nachfragen, denn alle Umstände können wichtig sein, um eine geeignete Therapie zu finden“, sagt Dr. Wied-Baumgartner.
Es ist eine bekannte Tatsache, dass Patienten viele der verschriebenen Medikamente nicht einnehmen. „Es ist daher wichtig, dass man mit den Patienten über die Medikamente spricht und abklärt, ob sie mit der Einnahme einverstanden sind. Nur wenn sie denn Sinn der Medikamente kennen und diese akzeptieren, landen diese nicht im Mülleimer. Da viele Patienten Generika ablehnen, sollte man daher immer auch nachfragen, ob sie diese günstigeren Medikamente akzeptieren oder ob sie das teure Original bevorzugen“, sagt die Ärztin.
Der mündige Patient
Der mündige Patient wird immer mehr zur Regel. Er will an seiner Gesundheit aktiv mitwirken und erkennt sich selbst als verantwortlich für sein Wohlergehen. Dr. Wied-Baumgartner: „Es kommen nur mehr selten Patienten zu mir, die sich nicht um ihre Erkrankung und die Therapie kümmern wollen und die nur sagen: Sie sind die Ärztin, tun sie, was richtig ist. Vor allem ältere Menschen haben noch ab und zu diese Einstellung.“ Patienten der jüngeren Generationen dagegen wollen sich meist aktiv in die Behandlung mit einbringen.
Arzt im Wandel der Zeit
Ärzte besitzen zwar nach wie vor große Glaubwürdigkeit, doch es kommt auch vor, dass ihre Diagnose oder Therapie angezweifelt wird. „Das passiert vor allem, wenn man eine Therapie vorschlägt, die der Patient bei einem anderen Arzt bereits erfolglos getestet hat. Da ist es nur verständlich, wenn er etwas Neues ausprobieren möchte“, sagt Dr. Wied-Baumgartner.
Wenn ernste Erkrankungen therapiert werden müssen, ist die Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung durchaus legitim und oft auch nützlich. In früheren Zeiten wurde die Einholung weiterer ärztlicher Meinungen oft als Missachtung der Autorität oder der Kompetenz des behandelnden Arztes aufgefasst, dem ist heute nicht mehr so. „Mir ist es lieber, alles offen zu besprechen. Ich ermuntere meine Patienten oft, sich auch bei anderen Ärzten schlau zu machen und eine Zweitmeinung einzuholen“, sagt die Ärztin.
Auch wenn Ärzte immer noch Autorität besitzen, das Bild von den „Göttern im weißen Kittel“ ist im Wandel. Dr. Wied-Baumgartner. „Ich spreche mit meinen Patienten freundschaftlich, wir begegnen uns auf Augenhöhe. Das entspricht unserer Zeit und ist auch für das Verhältnis von Arzt und Patienten förderlich.“
Dr. Thomas Hartl
September 2017
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