Eine gut ausgeprägte Muskulatur des Beckenbodens sorgt für Kontinenz und Potenz beim Mann. Die Muskulatur kann vorbeugend trainiert werden, zudem dient ein Training auch als Therapie, vor allem nach einer Entfernung der Prostata.
Der Beckenboden bezeichnet eine Gruppe von Muskeln, die den Bauchraum nach unten hin abschließen. Er erstreckt sich zwischen Schambein, Steißbein und den beiden Sitzbeinhöckern. Der Beckenboden umschließt After und Harnröhre und stabilisiert die Organe des Beckens (Blase und Darm). Er ist mitverantwortlich für das Halten von Stuhl und Harn.
Aufgaben
Der Beckenboden liegt in der Körpermitte und wird häufig auch als Kraftzentrum des Menschen bezeichnet. Im Wesentlichen erfüllt er folgende Aufgaben:
- Sorgt für die Kontinenz von Blase und Darm,
- ermöglicht das Urinieren und den Stuhlgang,
- ermöglicht die Standfestigkeit des erigierten Penis und
- stabilisiert den Bauchraum bei Erschütterungen, wie etwa beim Nießen, Tragen von Lasten und bei Stoßbelastungen.
Steuerung durch Training möglich
Die Beckenbodenmuskulatur kann willentlich gesteuert und trainiert werden. „Das Um und Auf des Trainings ist es, dass man die richtigen Muskeln trainiert. Es ist dabei wichtig, nicht die Gesäßmuskeln oder die Oberschenkelmuskeln anzuspannen“, sagt Johannes Schütz, Physiotherapeut im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern.
Die Anspannung des Beckenbodens lässt sich gut durch Tasten zwischen Hoden und After (dem Damm) kontrollieren. Um den vorderen Bereich des Beckenbodens zu aktivieren, arbeitet man mit der Vorstellung, als würde man den Harnstrahl kurz unterbrechen (Trockenübung). Man sollte beim Harnlassen den Harnstrahl aber nicht tatsächlich unterbrechen, denn man stört dadurch den natürlichen Reflex des Blasenentleerungsvorganges. Um den hinteren Beckenbodenbereich anzuspannen, schnürt man den After zu (als würde man eine Blähung unterdrücken).
Training nach Prostataentfernung
Aus medizinischer Sicht ist Beckenbodentraining für Männer besonders dann wichtig, wenn aufgrund einer Erkrankung an Prostatakrebs die Prostata entfernt wurde. Da bei einer solchen Operation auch der innere Schließmuskel entfernt wird, geht bildlich gesprochen dadurch eine „Dichtung“ verloren. Nach der Operation müssen betroffene Männer erlernen, die Funktion des Verschließens der Harnröhre mittels Betätigung der verbleibenden Beckenbodenmuskeln zu übernehmen, um damit unkontrollierten Harnausfluss zu verhindern.
Nach einer Operation ist es besonders wichtig, etwas gegen eine Belastungsinkontinenz zu tun. Dazu muss vor jeder körperlichen Bewegung willentlich der Beckenboden angespannt werden, um damit gleichsam die „Wasserleitung zuzudrehen“. Das geschieht, indem man versucht, den Penis ein Stück nach innen zu ziehen. Anfangs ist das eine bewusste, aktive Übung, die mit der Zeit aber automatisch abläuft.
Am besten bereitet man Männer schon vor der Prostata-Operation darauf vor, wo sich der Muskel befindet, wie man ihn aktiviert und trainiert. Freilich ist eine Vorbereitung keine Pflicht, aber das Erlernen nach der Operation ist unbedingt nötig. Ziel des Trainings: Selbst bei Husten, Lachen und Heben von schweren Lasten und Stoßbelastungen soll es zu keinem unfreiwilligen Harnverlust kommen. „Männer trainieren besonders in der Gruppe gern. Das zeigt ihnen, dass sie nicht allein sind mit ihrem Problem und es motiviert sie zumeist sehr gut, fleißig an sich selbst zu arbeiten“, sagt Schütz.
Weitere Vorteile eines starken Beckenbodens
- Inkontinenz verhindern: Inkontinenz kann auch ohne eine Prostataentfernung ein Problem sein. Die Harnröhre verläuft durch die Prostata und durch die Beckenbodenmuskulatur. Wächst die Prostata (was sie im Laufe der Jahre immer tut), so erhöht sich der Druck auf die Harnröhre. Möchte man urinieren, muss die Blase mehr Druck und Anstrengung dafür aufbringen, was dazu führen kann, dass die Blase überaktiv wird. Vor allem im Alter ist die Kontrolle der Blase bei Männern problematisch, weil die Spannung in der Muskulatur des Beckenbodens und des Schließmuskels nachlässt. Nächtlicher Harndrang und das ständige Gefühl, urinieren zu müssen, nimmt mit dem Alter zu. Auch in diesen Fällen kann ein gut ausgebildeter Beckenbodenmuskel eine positive Wirkung haben. Man kann dadurch die eigene „Dichtung“ erhöhen, indem man den Muskel gezielt trainiert. Ein Training wirkt sowohl vorbeugend als auch als Therapie.
- Kreuzschmerzen verhindern: Beckenbodentraining ist auch für Menschen mit Wirbelsäulenproblemen sinnvoll, vor allem wenn die Lendenwirbelsäule schmerzt. Ein gut trainierter Beckenbodenmuskel verbessert nämlich die Körperhaltung, korrigiert Fehlhaltungen und stabilisiert den Rumpf.
- Sportler profitieren: Menschen, die eine Sportart ausüben, die ständig Stoßbelastungen auslöst (Fußball, Laufen etc.), benötigen in der Körpermitte eine kräftige Stütze, um die Mitte des Körpers zu stabilisieren.
- Längere Erektion beim Sex: Ein gut trainierter Beckenbodenmuskel verbessert die Erektionsfähigkeit und Standfestigkeit des Penis und damit die sexuelle Potenz. Im Falle eines schwachen Beckenbodens verliert der Mann häufig zu rasch seine Erektion, weil sie quasi aus den Schwellkörpern „ausrinnt“. Damit ist gemeint, dass das Blut den erigierten Penis schon nach kurzer Zeit wieder verlässt, wenn der Blutrückfluss nicht von einem starken Beckenbodenmuskel daran gehindert wird. Dieser Muskel verhindert also nicht nur ungewollten Harnverlust, sondern führt auch zu einer ausdauernden Erektion. Bis der Beckenbodenmuskel und der Schwellkörper des Penis durch Training kräftig genug sind, können auch technische Hilfsmittel für eine anhaltende Erektion sorgen. Das kann etwa bei Prostata- Operierten mittels einer Vakuumpumpe (zur Erlangung der Erektion) in Kombination mit einem Penisring erfolgen, der die Funktion des Beckenbodens, der auch den Blutabfluss aus dem Penis verhindert, übernimmt.
Training ohne Operation
Man sollte Wartezeiten am Tage nützen, um seinen Beckenbodenmuskel zu trainieren. Das geht in jeder Lebenslage, etwa wenn man an der Bushaltestelle steht oder auf einen Termin wartet. Man(n) kann immer und überall diesen Muskel an- und entspannen, egal ob im Liegen, Sitzen, Stehen, Gehen oder beim Sport – unsichtbar.
Besonders wirkungsvoll ist die sogenannte Liftübung: man stellt sich vor, der Beckenboden fährt im Körper Lift. Ein entspannter Beckenboden befindet sich im Erdgeschoß. Spannt man die Muskeln an, fährt man mit dem Beckenboden im Gedanken je nach Stärkegrad der Anspannung den Rumpf hinauf, bis beispielsweise in den vierten Stock. Man macht das, indem man versucht, den Penis nach innen einzuziehen. Die Anspannung der Muskeln bringt den Beckenboden nach oben, die Entspannung wieder nach unten.
Empfohlen werden drei Serien am Tag, jede Serie besteht aus fünf Auf- und Abfahrten. „Geübte Personen können bei den Liftfahrten feine Abstufungen machen, indem sie den Lift mittels An- und Entspannen von Stockwerk zu Stockwerk gleiten lassen, dort kurz verharren, und auf diese Weise alle Stockwerke einzeln passieren“, sagt Schütz.
Info
Am Beckenbodenzentrum Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern werden Kurse für Frauen, Männer und auch Kinder abgehalten. Telefonische Informationen unter 0732/7677-7575.
Dr. Thomas Hartl
Dezember 2017
Bild: shutterstock