Schmerzen am untersten Teil der Wirbelsäule, dem Steißbein, können heftig sein und zudem lange anhalten. Eine rasche Diagnose und Therapie kann eine Chronifizierung des Problems verhindern.
Das Steißbein (Coccyx) ist der unterste Teil der menschlichen Wirbelsäule. Es schließt an das Kreuzbein an und ist mit diesem verbunden. Das Steißbein besteht aus drei bis fünf meist fest miteinander verbundenen Wirbelkörpern und ist über Bänder, Muskeln und Faszien mit anderen Strukturen und den Beckenknochen verbunden. Evolutionär betrachtet, stellt das Steißbein den rudimentären Schwanz der Wirbeltiere dar, der sich im Lauf der menschlichen Entwicklung zurückgebildet hat.
Beschwerden sehr unangenehm
Prägendes Symptom sind Schmerzen. Typisch sind Schmerzen im Sitzen (vor allem auf harten Flächen), teilweise auch beim Aufstehen und Gehen. Mitunter schmerzt auch der Stuhlgang. Auch der Sexualverkehr kann schmerzhaft beeinträchtigt sein. Von Steißbeinschmerzen sind mehrheitlich Frauen betroffen (zirka 80 Prozent).
Die Schmerzen sind meist sehr unangenehm und dauern oft lange Zeit an. Die Berührungsschmerzen mit der betroffenen Stelle können sehr intensiv sein. Auch psychische Faktoren beeinflussen das Empfinden der Schmerzen und das Ausmaß des Leidens. Es können auch neuropathische Schmerzen auftreten, wenn Nerven im Bereich des Steißbeins bedrängt sind – diese sind heftig und plötzlich einschießend.
„Schmerzen am Steißbein treten deutlich seltener auf als Schmerzen in den weiter obenliegenden Regionen der Wirbelsäule, also wie in Lenden-, Brust- und Halswirbelsäule“, sagt Dr. Wolfgang Senker, Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie an der Universitätsklinik für Neurochirurgie Neuromed Campus, Kepler Universitätsklinikum Linz.
Viele mögliche Ursachen
Die möglichen Ursachen sind vielseitig (Oft findet man aber auch keine Ursache, die die Heftigkeit der Schmerzen erklären könnte.):
- Stürze auf das Gesäß
- Verletzungen (Frakturen, Prellungen)
- Entzündung von Sehnen oder Muskelansätzen des Beckenbodens oder der Beckenorgane
- Geburt (schwere Entbindungen)
- chronische Verstopfung (Obstipation)
- ständiges langes Sitzen auf einer harten Unterlage
- angeborene Fehlbildungen (Anomalien) des Steißbeins
- mechanische Ursachen: Das Steißbein kann sich beim Sitzen bis zu 20 Grad bewegen.
- Überbeweglichkeit
- Tumoren
- Psychische Probleme können nicht nur Folge von chronischen Schmerzen sein, sie können diese auch auslösen. „Sind keine körperlichen Ursachen zu finden, sollte man auch in diese Richtung hin offen sein und die Psyche als Ursache oder zumindest Schmerz-Verstärker in Betracht ziehen“, sagt Dr. Senker.
Diagnose
Wer nach einem Unfall oder aus unbekannten Gründen an Steißbeinschmerzen leidet, sollte einen Facharzt (Orthopäden) aufsuchen. Da die Beschwerden sehr eindeutig sind, ist die Diagnose meist einfach zu stellen. Neben der Schilderung der Schmerzen bringt eine körperliche Untersuchung des Steißbeins (Tastbefund) Klarheit.
„Auch ein Röntgen muss durchgeführt werden, dessen Aussagekraft ist aber eingeschränkt. Außerdem ist eine Magnetresonanztomographie, anhand derer man Verletzungen und zusätzlich das umliegende Gewebe besser beurteilen kann, sinnvoll. Wichtig ist es auch, andere Schmerzursachen auszuschließen“, sagt Dr. Senker. Auch hierfür werden bildgebende Verfahren eingesetzt. Wenn der Grund der Schmerzen nicht ersichtlich ist, müssen die Beckenorgane untersucht werden, bei Frauen wird eine gynäkologische Untersuchung angeraten.
Behandlungsmöglichkeiten
Akute Schmerzen: Akute Schmerzen sollten möglichst rasch behandelt werden, um einer Chronifizierung vorzubeugen. Zur Auswahl stehen entzündungshemmende Medikamente. Auch entzündungshemmende Infiltrationen des Gewebes um das Steißbein herum (zum Beispiel mit etwas Kortison oder Lokalanästhetika), spezielle Spezialinfiltration des Sakralkanals kommen zum Einsatz. In hartnäckigen Fällen können auch Opioide eingesetzt werden.
Mittels Manualtherapie lässt sich das Steißbein mobilisieren. Erleichterung bietet zudem ein Sitzring. Es gibt spezielle Sitzringe (Sitzkissen), sie ähneln Rettungsreifen und entlasten das Steißbein. Grundsätzlich sollte man in der akuten Phase möglichst kurz und weich sitzen. Bei Adipositas lindert Gewichtsabnahme oft die Schmerzen. Die Behandlung kann je nach Fall rasch erfolgreich sein oder sich auch als kompliziert und langwierig erweisen.
Chronische Schmerzen: Steißbeinschmerzen neigen bei mangelhafter Therapie zur Chronifizierung. Chronische Schmerzen in der Umgebung des Steißbeins werden in der Medizin Kokzygodynie (Coccygodynia) genannt. Die Therapie bei chronischen Problemen ist oft schwierig, jedenfalls aber langwierig. Chronische Patienten stehen mitunter unter hohem Leidensdruck, wenn die Behandlungen zu wenig Erleichterung bringen.
Bei chronischen Schmerzen kann zu den oben genannten Maßnahmen noch zusätzlich Folgendes helfen:
- Physiotherapie hilft Muskeln zu stärken und die Körperhaltung zu optimieren.
- Osteopathische Behandlung ist in Kombination mit Schmerztherapie in vielen Fällen erfolgreich.
- Psychologische Unterstützung: Ist der Leidensdruck hoch und/oder wenn keine organischen Ursachen der Schmerzen ersichtlich sind, kann auch eine begleitende Psychotherapie sinnvoll sein.
- Verödung: Mittels Laser wird der betroffene, schmerzverursachende Nerv verödet (Denervation). Diese Maßnahme ist nicht Standard und wird nicht in allen Krankenhäusern durchgeführt.
Die gute Nachricht: Setzt man die Therapie konsequent und durchgehend um, besteht eine realistische Chance, dass die Schmerzen zur Gänze verschwinden. Dazu ist jedoch viel Geduld nötig.
Letzte Maßnahme Operation
Wenn keine andere Therapie hilft und die Schmerzen stark und chronisch sind, kann eine Operation in Betracht kommen. „Dabei wird ein kleiner Teil des Steißbeines entfernt. Die Erfolgsraten werden mit 80 Prozent beschrieben. Eine Besserung tritt oft aber erst nach Monaten ein. Zudem muss man das Risiko von bleibenden Narbenschmerzen und Nervenverletzungen bedenken. Solche Operationen werden nur äußerst selten durchgeführt, sie sind in der Regel nicht notwendig“, sagt Dr. Senker.
Dr. Thomas Hartl
März 2018
Bild: shutterstock