Arthrosen sind die häufigste Ursache für Krankenstände und den Verlust an Lebensqualität. Gelenksbeschwerden sind eine Volkskrankheit, die durch bewegungsarmen Lebensstil und Übergewicht forciert wird und mit dem Alter zunimmt. Wenn die konservative Therapie zu wenig effektiv ist, wird vor allem bei Hüfte, Knie und auch Schulter ein Kunstgelenk eingesetzt. Bezüglich schonender Methoden und Material hat sich in der Implantalogie in den letzten Jahren viel Positives getan.
Rund 75 Prozent der Österreicher klagen über Gelenksschmerzen, die Hälfte davon über Knieprobleme. Knie und Hüfte sind besonders häufig von Abnützung betroffen, aber auch Daumen-, Finger-, Sprung- und Schultergelenk sowie Hals- und Lendenwirbelsäule sind gefährdet. Übergewicht, schwache Muskulatur, Osteoporose, Überlastung sowie das Alter sind Risikofaktoren.
Der Knorpel lässt unsere Gelenke beinahe reibungslos gleiten und federt auch ein Vielfaches unseres Gewichts ab. Er hat keine Blutgefäße. Bei der Arthrose kennt man vier Schweregrade. Wie gut der Knorpel in Takt bleibt hängt davon ab, ob wir ihm regelmäßig Bewegung gönnen und ob er dauerhaft überlastet wird. Auch eine Entzündung etwa durch Arthritis kann irgendwann den Knorpel schädigen. Das Knorpelgewebe weicht auf, wird dünner, instabiler und anfälliger für Abrieb. Abnützungserscheinungen sind deshalb früh zu behandeln, weil sich der Knorpel zwar regenerieren, aber nicht wiederhergestellt werden kann. Zu 70 Prozent besteht der Knorpel aus Wasser, ist elastisch und glatt.
Anlaufschmerz als erstes Zeichen
In den meisten Fällen beginnt die Symptomatik langsam mit typischen Anlaufschmerzen (=Schmerz beim Aufstehen), die sich nach einigen Metern bessern. Mit zunehmender Verschlechterung kommt es zu Belastungs-, Ruhe- oder auch heftigen Dauerschmerzen. Eine harte Schwellung kann zusätzlich oft wahrgenommen werden. In fortgeschrittenem Stadium kommt es zu Einsteifung und Verformung des Gelenks mit Funktionseinbußen. „Sobald ein Leidensdruck durch Ruheschmerzen vorhanden ist, muss man an eine operative Therapie, meist mit einem Kunstgelenk, denken“, sagt Primar Univ.-Prof. Nikolaus Böhler, Vorstand der Klink für Orthopädie und Leiter des Endoprothetikzentrums am Kepler Universitätsklinikum Linz.
Ursachen und Risikofaktoren:
- Höheres Alter: Rund zwei Drittel der über 65-Jährigen leiden unter einer Arthrose; Frauen doppelt so häufig wie Männer. Der physiologische Muskelabbau ab 40 begünstigt die Abnützung. Darum ist zur Vorbeugung regelmäßige Bewegung von enormer Bedeutung. Kräftigung, Ausdauer und Koordination sollen trainiert werden.
- Übergewicht: Ab einem BMI über 30 besteht erhöhtes Arthroserisiko. Wer sein Gewicht um zehn Prozent reduziert, halbiert es.
- Schwere körperliche Arbeit, chronische Überlastung
- Verletzungen
- Folgeerscheinung von entzündlichen Erkrankungen wie Gicht oder Rheuma
- Leistungssport
- Genetische Disposition
Konservative Therapieoptionen
Ziel der nichtoperativen Therapie sind Schmerzlinderung und Erhalt der Funktion des Gelenks. Physiotherapie, Gewichtsreduktion, Vermeidung von Fehlbelastung, orthopädische Hilfsmittel, Akupunktur, Kälte- und Wärmetherapie, Elektrotherapie sowie Ultraschallbehandlungen sind Therapieoptionen. Schmerzmittel erster Wahl ist Paracetamol und bei starker entzündlicher Komponente sind nicht-stereoidale Entzündungshemmer (NSAR) indiziert. Auch sogenannten Coxibe (selektive Cox II-Hemmer) kommen ebenso wie Cortison (kurzzeitig) gezielt zum Einsatz.
Viel beforscht sind seit Jahren Therapeutika, die das Fortschreiten der Arthrose aufhalten oder umkehren können. Man nennt sie „Slow-acting-drugs in osteoarthritis“. Dazu zählen Hyaluronsäure, Glucosaminsulfat und Chondroidinsulfat. Deren Wirkweise ist nicht eindeutig geklärt. Die Hyaluronsäure zeigte in Studien bei den ersten beiden Schweregraden der Arthrose einen positiven Einfluss. Sie wird in wöchentlichem Abstand in einer Serie von fünf Injektionen appliziert.
Auf Bedürfnisse und Anatomie abgestimmter Gelenksersatz
Große Fortschritte ergaben sich durch minimierte Implantate und minimalinvasive Zugänge beim Einsetzen von Kunstgelenken. Die Ansprüche der Patienten an ihre „Ersatzteile“ steigen ebenfalls. Viele wollen mit einem Kunstgelenk zum Beispiel weiterhin bis ins Alter sportlich aktiv bleiben. Einige Tage bis zu zwei Wochen muss man heute im Schnitt nach eine Implantation eines Kunstgelenks im Spital bleiben. Nach einer Reha kann der Patient seinen Alltag wieder langsam aufnehmen. Was die Patienten vom Kunstgelenk erwarten dürfen, ist je nach Gelenk unterschiedlich. Beispiele:
Hüfte
Seit den 1950er Jahren wurden Technik und Methoden stetig optimiert. Die Mediziner versuchen möglichst viel vom Obereschenkelknochen zu erhalten, daher geht der Trend zu Kurzschaftprothesen. Welche Prothese optimal für die jeweiligen Bedürfnisse des Patienten ist, wird mit dem Arzt abgestimmt.
Knie
Der Druck hinter der Kniescheibe beträgt beim Gehen das Ein- bis Eineinhalbfache des Körpergewichts; beim Laufen erhöht es sich bis auf das Siebenfache. Bis zum 45. Jahr leiden Männer häufiger unter der Kniearthrose (Gonarthrose), in der Menopause sind Frauen vermehrt gefährdet. Hinter den Ursachen von Knieschmerzen können auch Hüft-, Rücken- oder Fußprobleme stecken, was eine gute Abklärung nötig macht.
Wird die Implantation eines Kunstgelenks notwendig, ist neben dem Material das optimale Zusammenspiel mit Muskeln und Bändern wichtig. Hauptprobleme nach der Operation sind Instabilität des Gelenks und Probleme beim Treppensteigen.
Je nach Schwere der Abnützung wird ein vollständiges Kunstgelenk eingebaut oder es werden nur Teile ausgetauscht. Durch eine anatomieoptimierte Auswahl an Prothesengrößen lässt sich heute eine viel bessere „individualisierte“ Passgenauigkeit für den Patienten erzielen. So ist eine personalisierte Implantation möglich, die vor allem für den Patienten Vorteile in der Beweglichkeit und Langlebigkeit des künstlichen Kniegelenks bietet.
Schulter
Erst seit den 1970er Jahren werden künstliche Schultergelenke eingesetzt. Indikationen sind neben der Arthrose, ein Bruch oder massive Verletzungen an den Muskeln und Sehnen, die den Gelenkskopf in der Pfanne halten. Auch hier wird ein Schaft in den Oberarmknochen eingebracht. Der Oberarmkopf wird ersetzt und wenn nötig auch die Pfanne. Bei älteren Menschen kann man auch eine andere Methode wählen. Viele können den Arm nicht mehr heben, weil die Sehnen der Muskeln gerissen sind. Der Oberarmkopf kann in diesen Fällen am Schulterblatt und die Gelenkpfanne am Oberarm eingefügt werden. Bei dieser Art der Operation kann auch ein Patient mit schwachen Muskeln danach den Arm wieder heben.
Die Haltbarkeit der Gelenke beträgt im Schnitt zwischen zehn und 25 Jahren. Sie hängt natürlich auch von der Belastung und dem Verhalten des Implantierten ab. Vor allem die sportliche Belastung muss angepasst und mit dem Arzt besprochen werden. Moderate Bewegung ist auf jeden Fall sinnvoll, um die Muskeln zu trainieren, die das Gelenk stabilisieren. Zur Vorbeugung meint eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2017, dass schon 45 Minuten mäßig intensive sportliche Aktivität pro Woche reichen, um die Funktion der unteren Extremitäten zu erhalten. Natürlich sind fünf Mal 30 Minuten Bewegung noch besser.
Mag. Christine Radmayr
April 2018
Bild: shutterstock