Die Bedeutung der Mikroorganismen für das menschliche Leben wird von Jahr zu Jahr klarer. Vieles ist noch strittig, etwa, ob man die Summe der Mikroorganismen – das Mikrobiom – als eigenes Organ betrachten kann. Klar ist: Ohne Mikroorganismen gäbe es kein Leben. Ihr Einfluss auf den Menschen und seine Gesundheit wird als zunehmend dominant eingeschätzt, ihre genaue Wirkungsweise ist jedoch noch weitgehend unerforscht.
Der menschliche Körper und alle seine Organe bestehen aus Zellen. Die menschlichen Zellen sind im Vergleich zu den am und im Körper lebenden Mikroorganismen zahlenmäßig aber in deutlicher Minderheit. „Bakterien & Co sind in etwa zehnfach so häufig vorhanden als menschliche Körperzellen. Anders ausgedrückt: Nur ein Zehntel der vorhandenen Zellen im und auf dem Körper sind menschlicher Natur, haben also eine menschliche DNA“, erklärt Oberärztin Dr. Monika Mitterhumer, Mikrobiologin am Kepler Universitätsklinikum Med Campus III. in Linz.
DNA-Mix
Geschätzte 90 Prozent der Zellen zählen zu den Mikroorganismen und sind nichtmenschlicher Natur. Am und im Menschen findet sich also eine Kombination aus Zellen mit eigener DNA und Zellen mit der DNA der Mikroorganismen. Menschliche Zellen und Mikroorganismen interagieren, arbeiten zusammen und gegeneinander und beeinflussen den Köper und seine Funktionen.
Man unterteilt Mikroorganismen in vier Gruppen:
- Bakterien, z.B. Staphylokokken
- Pilze, z.B. Schimmelpilze
- Parasiten, z.B. Würmer, Amöben, Lamblien
- Viren, z.B. Grippe- und Hepatitis.
Bakterien sind überall
Wenn man von Mikroorganismen spricht, sind meist Bakterien gemeint, da diese zahlenmäßig deutlich dominieren. Bakterien existieren bereits seit Milliarden von Jahren, es gibt sie also ungleich länger als menschliche Zellen. Sie sind evolutionsmäßig gesehen der menschlichen Entwicklung weit voraus. Ohne Bakterien gäbe es kein Leben auf der Erde, sie halten die Kreisläufe der Natur in Bewegung und damit den Lebensprozess an sich.
Bakterien sind in der Umwelt überall zu finden – am Boden, in der Luft, am Wasser, in und auf allen Lebewesen. Es gibt keine natürlichen Räume ohne sie, nichts ist von Natur auf steril. Mit einer Ausnahme: Das heranwachsende Kind im Mutterleib lebt keimfrei, bis es in den Geburtskanal gelangt. Mit dem Vorgang der Geburt beginnt die Besiedlung mit Bakterien und anderen Keimen.
Das allgegenwärtige Vorhandensein von Bakterien bedeutet aber keineswegs, dass immer und überall Krankheitserreger lauern würden. Im Gegenteil: Bakterien und andere Mikroorganismen sind lebenswichtig für den Menschen und alle anderen Lebewesen. Sie sind Teil unseres Lebens und befinden sich auf unserer Haut und in unserem gesamten Körper. Die meisten leben in den Schleimhäuten und vor allem im Darm. Das hat nichts mit mangelnder Reinlichkeit oder Hygiene zu tun, sondern ist ein natürlicher Zustand.
Meist nützlich, manchmal gefährlich
Die meisten Mikroorganismen – vor allem auch Bakterien – sind sehr nützlich. „Entweder sind Bakterien harmlos oder sie sind sogar etwas Gutes für uns. Wir brauchen sie zum Schutz vor Krankheiten. Sie steuern das Immunsystem und halten uns gesund. Der Großteil aller Bakterien ist positiv für uns Menschen, nur ein kleiner Teil der Organismen, die wir als pathogen bezeichnen, sind Krankheitserreger und schaden uns, wenn wir uns mit ihnen infizieren“, sagt Dr. Mitterhumer.
Brennpunkt Darm
Die Gesamtheit der Mikroorganismen wird Mikrobiom genannt. Der größte Teil des Mikrobioms befindet sich im Darm. Mehr als ein Kilogramm dieser Organismen sollen hier versammelt sein. Manche Wissenschaftler bezeichnen das Mikrobiom sogar als eigenes Organ. Wir beeinflussen unser Darmmikrobiom selbst und tun dies unser Leben lang: durch unsere Ernährung, die Einnahme von Medikamenten, das Zusammenleben mit Haustieren, die Art und Weise unserer Hygienemaßnahmen, den Kontakt zu anderen Menschen und durch viele andere Maßnahmen mehr.
Die Gesamtheit der im Darm angesiedelten Mikroorganismen bezeichnet man als Darmflora. Dr. Mitterhumer: „Die Mikroorganismen einer gesunden Darmflora helfen dabei, krankmachende Keime zu verdrängen und tragen damit ganz wesentlich zur Gesunderhaltung des Körpers bei.“ Die Darmbakterien sind auch für die Verdauung vonnöten. Die verschiedenen Bakterienstämme wirken auf vielfältige Weise in ihrer Arbeit zusammen und kommunizieren auch mit den Zellen und Rezeptoren des Darms. Wie diese Kommunikation tatsächlich funktioniert, ist erst Bestandteil der Forschung.
Eine gestörte Darmflora dagegen kann zu Darmerkrankungen und Allergien führen. Zu Störungen kommt es etwa durch die Gabe von Antibiotika, ein Umstand, der sich durch Durchfall bemerkbar macht. Antibiotika greifen die gesamte Darmflora an und vernichten im Optimalfall die bakteriellen Krankmacher, aber leider auch die Unmengen an „guten“ Bakterien. Obwohl sich die Darmflora von einer Antibiotika-Gabe wieder erholt, sollte man Antibiotika nur nehmen, wenn es wirklich nötig ist. Keinesfalls sollte man das Medikament auf bloßen Verdacht einnehmen. Achtung: Bei Virusinfektionen sollte man Antibiotika niemals verwenden, da sie nur gegen Bakterien und nicht gegen Viren wirksam sind. Antibiotika sind zur Heilung mancher Erkrankungen zwar nötig, werden generell aber zu häufig eingenommen, oft sogar bei bloßem Verdacht einer Bakterieninfektion.
„Im Spitalsbetrieb sind Antibiotika aber ein unerlässliches Instrumentarium und oft von lebensrettender Notwendigkeit. Wenn etwa ein Patient mit Verdacht auf eine bestimmte Infektion eingeliefert wird, dann legen wir eine Blutkultur auf Nährböden an, wir züchten also Bakterien. Kommt es zum Wachstum, dann wissen wir, welches Antibiotikum dem Patienten helfen wird und können es verabreichen“, so die Mikrobiologin.
Forschung nötig
Erst seit einigen Jahren ist man wissenschaftlich imstande, ganze Bakterienpopulationen zu untersuchen. Zuvor wurden immer nur einzelne Stämme erforscht. Allein im Mund hat man bereits über 33.000 verschiedene Bakterienarten gefunden, davon die unglaubliche Zahl von 14.000 Arten in den Zahnfleischtaschen. „Es gibt viele Tausend Arten, die wir noch gar nicht kennen. Bekannt sind lediglich die Krankheitserreger, gegen die Medikamente und Impfungen entwickelt werden“, sagt Dr. Mitterhumer.
Vieles im Bereich der Mikroorganismen ist noch unerforscht. Das betrifft auch so grundlegende Fragen, wie viele Bakterien & Co es überhaupt gibt, deren Funktion, Arbeitsweise und Zusammenwirken mit den menschlichen Zellen – und vor allem deren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Dass sie die Gesundheit beeinflussen ist unstrittig, über das Ausmaß der Auswirkungen herrscht aber weiterhin Uneinigkeit. Mittlerweile weiß man, dass Veränderungen der Zusammensetzung der gesamten Bakterienkulturen, die wir Mikrobiom nennen, mit unzähligen Krankheiten zusammenhängen. Manche Forscher meinen mittlerweile, dass das Mikrobiom unsere Gesundheit außerordentlich stark beeinflusst, ja diese sogar dominiert, und wir erst am Anfang dieser Erkenntnis stehen.
Dr. Thomas Hartl
Juli 2018
Bild: shutterstock