Aids ist schon lange kein Todesurteil mehr. Mit Medikamenten können HIV-Infizierte mittlerweile ein normales Leben führen. Was sich in den vergangenen Jahren aber nicht geändert hat, sind Vorurteile und Anfeindungen.
400 bis 500 neue HIV-Diagnosen werden in Österreich pro Jahr gestellt. Zusätzlich gibt es eine Dunkelziffer an HIV-Infizierten, die von ihrer Krankheit gar nichts wissen oder wissen wollen, weil sie einen Test aus Angst vor der Diagnose verweigern. Der Grund dafür ist, dass die Infektion mit HIV nach wie vor ein großes Tabuthema ist und die Betroffenen schlimmen Vorurteilen ausgesetzt sind. Dadurch kommt es bei vielen HIV-Positiven oft erst sehr spät zu einer wirksamen Behandlung. Bei etwa einem Viertel der Betroffenen wird die Krankheit erst Jahre nach der Ansteckung diagnostiziert. Um aber Neuinfektionen und einen zerstörerischen Verlauf der Krankheit verhindern zu können, wäre es wichtig, möglichst bald entsprechende Behandlungen einzuleiten. Die Realität schaut allerdings so aus, dass in Europa nur einer von sieben Infizierten rechtzeitig getestet wird. „Die Phase von der Ansteckung bis zur Diagnose dauert viel zu lange. Das Immunsystem ist dann oft schon stark beeinträchtigt und die Behandlung gestaltet sich schwierig. Grundsätzlich gilt: je früher die Diagnose, desto besser für den Patienten“, sagt Dr. Maria Theresia Geit, Fachärztin für Dermatologie und Venerologie und HIV-Expertin am Med Campus der Linzer Kepler Uniklinik. „Damit die Hemmschwelle sinkt, einen Aidstest vorzunehmen, braucht es noch viel Information. Denn noch immer wissen viele nicht, dass sie vor einem HIV-Infizierten keine Angst zu haben brauchen“, betont Dr. Geit. Aufgrund dieser Unwissenheit und Voreingenommenheit machen Betroffene immer wieder negative Erfahrungen mit Stigmatisierung und Diskriminierung.
Große Fortschritte
Dank intensiver Forschung müssen viele Patienten, die an der Immunschwächekrankheit leiden, nur mehr eine bis maximal zwei Tabletten pro Tag einnehmen, um unter der HIV-Nachweisgrenze zu bleiben. Sie sind nicht mehr ansteckend und können ein normales Leben mit der praktisch gleichen Lebenserwartung wie gesunde Menschen führen, obwohl sie das Virus in sich tragen. „Die Therapie hat sich laufend verbessert. Die Betroffenen können heute alles machen – bis hin zum Marathonlauf“, sagt die HIV-Expertin Dr. Maria Theresia Geit. Forscher sind zuversichtlich, dass HIV-Infizierte irgendwann nicht mehr nur behandelt, sondern vollständig geheilt werden können. Große Hoffnungen werden derzeit in einen Impfstoff gesetzt, der in Südafrika getestet wird. Das Präparat zeigt laut der südafrikanischen Forschungsorganisation SAMRC eine Wirksamkeit von 30 Prozent. Die UNO hat auf jeden Fall im Vorjahr das Ziel ausgegeben, dass die HIV-Epidemie bis 2030 Geschichte sein soll. Funktionieren soll das mit der so genannten 90-90-90-Strategie: 90 Prozent der Infizierten wissen über ihre Infektion Bescheid, 90 Prozent der Diagnostizierten haben Zugang zur Behandlung und bei 90 Prozent der Behandelten kann kein Virus mehr nachgewiesen werden. Weltweit hat sich die Zahl der Menschen mit Zugang zu lebens-rettenden Medikamenten in den vergangenen fünf Jahren auf 18 Millionen verdoppelt.
Trotzdem gibt es immer wieder Rückschläge. In Osteuropa, der Ukraine, Russland sowie in Zentralasien wächst die Aids-Epidemie laut UNO sogar aufgrund von Stigmatisierung, Diskriminierung und wegen schlimmer Strafgesetze, die Betroffene dazu zwingen, ihre Erkrankung geheim zu halten. Dr. Geit appelliert an die Gesellschaft, Stigmatisierung und Vorurteile zu überdenken, aber auch an die Vernunft möglicher Betroffener:
„Es ist wichtig, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass das HIV-Virus durch ungeschützte Sexualkontakte übertragen wird. Je sorgloser wir dabei sind, desto eher erfolgt eine Ansteckung.“
Mag. Conny Wernitznig
Juli 2018
Kommentar
„Aids ist so gut behandelbar, dass Betroffene ein nahezu normales Leben führen können.
Es ist aber wichtig, dass von der Infektion bis zur Diagnose nicht zu viel Zeit verstreicht.“
OA Dr. Maria Theresia Geit
Fachärztin für Dermatologie, Venerologie und HIV-Expertin am Kepler Universitätsklinikum, Med Campus III., Linz