Seit mehr als 300 Jahren versuchen Ärzte, mit Zellen und Gewebe von Tieren Krankheiten zu behandeln. Immer erfolgreicher. Aber es gibt ethische und auch medizinische Bedenken.
Die Verpflanzung von Schweineherzklappen ist mittlerweile Routine und die größer werdende Not an menschlichen Spenderorganen macht Wissenschaftler erfinderisch. Am liebsten würden sie schon bald Schweineherzen in Menschen verpflanzen. Ob sich die sogenannte Xenotransplantation aber durchsetzen kann, ist im Moment nicht absehbar. Einerseits gibt es massiven Widerstand gegen die damit verbundenen Tierversuche, andererseits ist auch die Übertragung von Krankheiten ein großes Thema.
Bereits im 17. Jahrhundert wurde in Frankreich Tierblut übertragen – allerdings mit wenig Erfolg. Im 19. Jahrhundert kam dann die Transplantation tierischer Haut – vorzugsweise von Fröschen – auf, mit der offene Wunden bedeckt wurden. Verjüngungskuren mit tierischen Zellen kamen in den 1920er Jahren in Mode. Hodengewebe von Schimpansen oder Zellen von Gänsen waren medizinische Highlights.
Vier Jahrzehnte später setzte parallel zur Transplantation menschlicher Organe die wissenschaftliche Xenotransplantation ein. Zum ersten Mal verpflanzten Mediziner Nieren und Lebern von Tieren in Menschen, wobei alle diese Versuche spektakulär scheiterten: Die meisten Patienten verstarben innerhalb weniger Wochen an den Symptomen einer nicht kontrollierbaren Abstoßung oder Infektion. Ebenfalls ernüchternd verliefen weitere Versuche mit tierischen Herzen und Lebern in den 1980er und 1990er Jahren. Obwohl mit Cortison und Cyclosporin zwei Wirkstoffe zur Verfügung standen, die bei der Transplantation menschlicher Organe den Durchbruch ermöglicht hatten, gelang es den Wissenschaftlern nicht, die Abstoßungsreaktionen bei tierischem Gewebe und tierischen Organen in den Griff zu bekommen. Dabei attackiert das Immunsystem des Empfängers das fremde Gewebe, es kommt zu Blutungen und Ödembildung und schließlich zur Zerstörung des Gewebes. So etwa im spektakulären Fall von „Baby Fae“, das 1984 mit einem irreparablen Herzfehler geboren wurde. Dem Mädchen wurde in den USA mit Zustimmung der Eltern ein Pavianherz implantiert, aber es starb 20 Tage nach der Geburt.
1997 wurde bekannt, dass die im Erbgut von Schweinen enthaltenen Retroviren auf menschliche Zellen übertragen werden können und Immundefekte sowie Krebs verursachen. Grundsätzlich erkannten Forscher, dass das Risiko einer Übertragung von Mikroorganismen auf den Empfänger, die sogenannte Xenozoonose (Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden), nicht nur eine Gefahr für den einzelnen Patienten, sondern – ähnlich wie beim Aidsvirus – für die Gesamtbevölkerung darstellt. Das vorläufige Aus für die klinische Xenotransplantation war damit besiegelt, große Pharmafirmen zogen sich aus der Xenotransplantation zurück.
Mittlerweile ist es Forschern gelungen, mit gentechnischen Methoden Schweine zu züchten, die frei von den gefährlichen Retroviren sind. Für Experten ist damit aber erst ein Problem gelöst. Wünschenswert wären auch Schweine, deren Organe nur geringe Abstoßungsreaktionen beim Menschen hervorrufen. Aktuell wird versucht, Spendertiere zu vermenschlichen, indem Schweinen menschliches Erbgut eingepflanzt wird. Ziel ist es, dass die Immunabwehr der Organ-Empfänger nach der Transplantation den tierischen Ursprung des Organs nicht erkennt. Viele Experten halten es aber für wahrscheinlicher, dass die Entwicklung von Kunstherzen rascher voranschreitet als die Xenotransplantation.
Insulin vom Schwein
Große Hoffnungen setzen Forscher in den Einsatz von Insulin produzierenden Zellen von Schweinen, die Menschen mit einem Typ-1-Diabetes helfen könnten. Vielversprechende Ergebnisse gibt es in Australien, wo die tierischen Zellen mit einer Kapsel aus einer speziellen Algensubstanz umschlossen wurden. Die Insulingaben für die Patienten konnten damit um mehr als 25 Prozent gesenkt werden, wobei keine Abstoßungsreaktionen festgestellt wurden.
Um die Borstentiere als Zell- oder Organspender für Menschen zu nutzen, müssen diese genetisch verändert, speziell gezüchtet und letztlich getötet werden. Daraus entstand eine breite ethische Debatte, ob der Mensch das Recht dazu hätte, Tiere als Organ-Ersatzteillager zu missbrauchen, und inwieweit durch die Xenotransplantation in die Natur eingegriffen würde, indem sogenannte Chimären produziert werden – Lebewesen, die Zellen von zwei verschiedenen Spezies in sich tragen. Kritiker wenden auch ein, dass die psychischen Folgen für einen Menschen, bei dem etwa ein Schweineherz in der Brust schlägt, nicht abschätzbar sind. Dazu komme das Leid der betroffenen Tiere. Mit den ethischen Problemen beschäftigen sich seit Jahrzehnten etliche Instanzen, unter anderem auch das Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik in Wien. „Auch wenn das Verfahren Potenzial hat, sind die Gefahren bis jetzt nicht vollständig abschätzbar. Deshalb kann Xenotransplantation vorerst keine Alternative, sondern nur eine Ergänzung zur Organspende sein“, so der Direktor des Instituts, Univ.-Prof. Dr. Johannes Bonelli.
Trotz aller Risiken gibt es eine nicht zu vernachlässigende Liste von Chancen, die für Xenotransplantation sprechen. Vor allem die Chance für all die Menschen, die auf eine Organspende warten, um überleben zu können. Mit der Xenotransplantation könnte nicht nur wenigen Auserwählten geholfen werden, sondern allen Patienten, die ein Spenderorgan benötigen. Auch die Chance, Lebendspenden zu reduzieren, ist ein Thema. Denn so erfreulich es ist, dass viele Menschen ihren Familienangehörigen oder Freunden eine Niere, Teile der Milz, Leber oder Lunge spenden, das Risiko für die eigene Gesundheit ist nicht zu vernachlässigen. Und auch die Möglichkeit, durch Xenotransplantation dem illegalen Handel mit Organen ein Ende zu setzen, spricht dafür.
Eine echte Alternative, die dem Für und Wider der Xenotransplantation ein Ende bereiten könnte, sehen Forscher in der Entwicklung künstlicher Organe. Im Moment sind aber keine brauchbaren Ergebnisse vorhanden, bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Mag. Conny Wernitznig
Jänner 2019
Bilder: shutterstock, privat
Kommentar
Prim. Priv.-Doz. Dr. Clemens Steinwender
Vorstand der Klinik für Kardiologie und internistische Intensivmedizin am Kepler Universitätsklinikum, Linz