Die Feststellung des Blutdrucks ist heute die weltweit am häufigsten durchgeführte medizinische Untersuchung – nicht ohne Grund: Allein in Europa leiden über 40 Prozent der Bevölkerung an Bluthochdruck (Hypertonie), weltweit sind es über 1,1 Milliarden Menschen.
Wobei „leiden“ nicht ganz dem Selbstbild der Patienten entspricht. Denn „viele Menschen merken lange Zeit gar nicht, dass sie einen erhöhten Blutdruck haben. Man spürt ihn oft nicht. Im anderen Fall klagen die Betroffenen über Kopfschmerzen, Sehstörungen, Druckgefühl im Brustbereich beziehungsweise Kopf oder Luftnot“, erklärt Dr. Mariella Wölken, Kardiologin am Universitätsklinikum St. Pölten. Sie rät dazu, den Blutdruck regelmäßig zu kontrollieren oder kontrollieren zu lassen. Nur so könne Hypertonie rechtzeitig behandelt und Folgeerkrankungen vermieden werden. „Bluthochdruck ist keine Alterserscheinung, er tritt auch schon bei jüngeren Menschen auf, wobei hier meist Stress, Rauchen oder übermäßiger Konsum von Energydrinks häufige Ursachen sein können“, so die Expertin.
Viele Ursachen
Mit zunehmendem Alter kommen dann noch viele weitere Ursachen dazu. Es sind vor allem Übergewicht, zu viel Salz und Alkohol, falsche Ernährung, Bewegungsmangel, der schon genannte Stress und das Rauchen, aber auch manche Medikamente, etwa Schmerz- und Rheumamittel sowie Verhütungsmittel, die einen hohen Blutdruck begünstigen oder verstärken können. Es gibt allerdings auch organische Ursachen, etwa Nieren- und Gefäßerkankungen oder Tumore mit krankhaft erhöhter Hormonproduktion.
Gemessen wird der Blutdruck in Millimeter Quecksilbersäule (mmHg). Die idealen Blutdruck-Werte liegen bei 120/80. Dr. Mariella Wölken: „Der obere sogenannte systolische Wert liegt optimalerweise bei 120 mmHg, der untere diastolische Wert bei 80 mmHg. Ab 140/90 mmHg beim Arzt oder ab 135/85 mmHg bei häuslichen wiederholten Messungen spricht man von arteriellem Hypertonus.“ Bei wiederholt erhöhten Werten in der Eigenmessung sollte jedenfalls eine ärztliche Abklärung erfolgen.
Das Gegensteuern ist wichtig, weil bei rund zwei Dritteln aller Schlaganfälle und der Hälfte aller Herzinfarkte Bluthochdruck die wesentliche Ursache darstellt. Daneben verursacht er langfristig Schäden an den Gefäßen, auch in den Augen oder an den Nieren.
Vor 300 Jahren
1713 maß der englische Physiologe Stephen Hales erstmals den Blutdruck – an einem Pferd, indem er ein Glasrohr in die Halsschlagader des Tieres einführte. Erst viel später – 1896 – präsentierte der italienische Arzt Scipione Riva-Rocci eine unblutige Methode: ein Messgerät, das aus einer Oberarmmanschette – damals ein Fahrradschlauch – und einem Quecksilbermanometer bestand. Damit konnte allerdings nur der obere Wert des Blutdrucks gemessen werden. Der russische Militärarzt Nikolai Korotkow entwickelte diese Methode weiter und präsentierte 1905 eine Lösung, bei der mit Hilfe eines Stethoskops auch der untere Wert des Blutdrucks gemessen werden konnte. Heute sind moderne Geräte zur Feststellung des Blutdrucks schon in vielen Haushalten zu finden und einfach zu bedienen.
Regelmäßigkeit
Wer seinen Blutdruck selbst überprüft, der sollte auf Regelmäßigkeit achten. Um aussagekräftige Werte zu ermitteln, ist es ratsam, die Messungen unter gleichen Bedingungen vorzunehmen, etwa nach dem Frühstück am Morgen und abends nach dem Abendessen. Zudem sollte die Messung erst nach drei bis fünf Minuten in Ruhestellung vorgenommen werden.
Es wird auch empfohlen, bei den ersten Messungen zu überprüfen, ob die Werte an einem der beiden Arme höher sind. In diesem Fall sollte der Arm mit den höheren Messwerten für künftige Messungen benutzt werden. Bei starken Differenzen zwischen den beiden Armen (größer als 10 mmHg) sollte ein Arzt beigezogen werden.
Unser Blutdruck unterliegt einem Tages-Rhythmus: Beim gesunden Menschen steigt er morgens an und erreicht am frühen Vormittag einen Spitzenwert. Dann macht er gleichsam „Mittagspause – verbunden mit einer Abnahme der Körpertemperatur. Am Nachmittag steigt der Blutdruck wieder und erreicht am Abend einen kleineren Gipfel. In der Nacht, während des Schlafs, kommt es zu einem deutlichen Abfall, dem sogenannten Dipping. Die niedrigsten Werte treten üblicherweise zwischen 2.00 und 3.00 Uhr in der Nacht auf.
„Es empfiehlt sich, die Wirkung einer Bluthochdrucktherapie gegebenenfalls auch durch eine 24-Stunden-Blutdruckmessung überprüfen zu lassen, da hier auch die Ruhe-Druckwerte in der Nacht und unter körperlicher Belastung gemessen werden können“, erklärt Dr. Wölken. Das funktioniert heute mit einem tragbaren Gerät, bei dem sich die Manschette im Lauf von 24 Stunden regelmäßig in größeren Abständen aufpumpt und den Blutdruck misst. Die Werte können dann vom Arzt ausgewertet werden. Ein übermäßiges Ansteigen der Werte unter Belastung kann in einer Fahrrad-Ergometrie erkannt werden und weist auf einen „Belastungshypertonus“ hin.
Lebensstil ändern
„Bluthochdruck ist nicht länger (nur) eine Wohlstandskrankheit wie noch vor 40 Jahren“, meint Professor Majid Ezzati vom Imperial College London. Er und seine Kollegen haben rund 1.500 internationale Studien zum Thema Bluthochdruck zwischen 1975 und 2015 ausgewertet und festgestellt, dass die durchschnittlichen Blutdruckwerte in den Industrienationen erheblich gesunken sind, während sie in ärmeren Regionen – etwa Südasien oder Afrika – gestiegen sind. Warum der Bluthochdruck vor allem in ärmeren Ländern gestiegen ist, konnten die Forscher nicht feststellen. Sie nehmen aber an, dass eine insgesamt bessere Gesundheitsversorgung und eine bessere Ernährung in den reicheren Ländern zumindest die Entwicklung in diesem Teil der Welt erklären.
Bewegung und Sport
In der Medizin unterscheidet man zwischen zwei Formen der Bluthochdruck-Erkrankung – der sogenannten primären und der sekundären Hypertonie, wobei in rund 90 Prozent der Fälle eine primäre Hypertonie vorliegt, das heißt: Der Bluthochdruck selbst ist die Erkrankung. Ist der Bluthochdruck durch eine andere Krankheit – beispielsweise Nieren- oder Stoffwechselerkrankungen – bedingt, so steht im Falle dieser sekundären Hypertonie die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.
Generell ist aber ein gesunder Lebensstil die wichtigste Maßnahme gegen Hypertonie. Das bedeutet, dass Übergewichtige auf Gewichtsabnahme und die richtige Ernährung setzen sollten. Weniger Alkohol gehört ebenso wie der Verzicht aufs Rauchen zum allgemeinen Maßnahmen-Katalog gegen Bluthochdruck – ergänzt durch mehr Bewegung oder auch durch Stressbewältigung.
Mag. Robert Zauchinger
Februar 2019
Kommentar
Dr. Mariella Wölken
Fachärztin für innere Medizin und Kardiologie, Universitätsklinikum St. Pölten
Bilder: shutterstock; privat