Weniger ist manchmal mehr. Beim Fasten stimmt dieser Spruch. Neben den bekannten gesundheitlichen Effekten bewirkt ein Weniger an Nahrung und Aktivitäten bei vielen auch ein Mehr an Lebensgefühl.
Heilfasten (hier als Fasten bezeichnet) gilt seit Jahrhunderten in vielen Kulturen als gesundheitsfördernd. Je nach Fastenkur verzichtet man für einige Tage gänzlich auf feste Nahrung und nimmt nur Wasser, Säfte, Gemüsebrühe und Kräutertees zu sich oder man verzichtet zumindest auf bestimmte Lebensmittel.
„Beim Fasten spielt nicht nur die körperliche Reinigung eine Rolle, sondern auch die psychische. Es ist auch eine wunderbare Möglichkeit, ein neues Lebensgefühl zu erlangen“, sagt Elisabeth Rabeder, Leiterin des Curhauses der Marienschwestern in Bad Mühllacken. Seit 17 Jahren begleitet die Logotherapeutin und Diplom-Lebensbegleiterin Fastengruppen. Sie selbst fastet regelmäßig seit 22 Jahren und konnte sich dadurch ihrer Gastritis entledigen.
Fasten ist eine Herausforderung
Eine Fastenkur durchzuhalten, erfordert Willenskraft. Der Verzicht auf die gewohnte Nahrung und auf die täglichen Genussmittel fällt vielen schwer und kann auch Ängste auslösen. Der Verzicht konfrontiert mit den eigenen Süchten, Emotionen und Gewohnheiten. Rabeder: „Nach einer Umstellungsphase von zwei bis drei Tagen, in der sich manche fragen, warum sie sich das antun, erfahren aber viele eine mentale Leichtigkeit, Klarheit und Weite. Man wird sensibler und spürt ein intensives Bewusstsein. Man nimmt die Menschen besser wahr, öffnet die Sinne und spürt, wie sein hartes Herz ein Stück aufmacht.“
Auszeit nehmen
Fasten funktioniert am besten, wenn man sich für diese Tage der Reduktion aus seinem Alltagsleben zurückzieht. Man kann zwar auch im Alltag fasten, der Benefit wird jedoch ein rein körperlicher sein (Abnehmen, gesundheitliche Vorteile). „Fasten hat einen größeren Wert, wenn ich mich in dieser Zeit zurückziehe und mich voll darauf einlasse“, sagt Rabeder. Ein Rückzug gelingt dort am besten, wo einen der Alltag nicht einholen kann. Das kann im Wochenendhaus sein, in einer ruhigen Pension oder in einer geführten Fastengruppe.
Fasten als Prozess
Wichtig ist es, Fasten nicht von Null auf Hundert zu betreiben, sondern es als Prozess zu sehen. Idealerweise dauert dieser Prozess drei Wochen. Eine Woche der Einstimmung, eine Woche Vollfasten, eine Woche Rückkehr zur vollständigen Ernährung.
In der Einstimmungswoche sollte man die Ernährung und die Genussmittel langsam reduzieren, vor allem Zucker, Fleisch und Alkohol. Im Idealfall fährt man auch die Aktivitäten des Alltags langsam herunter. „Wer ohne jede Einstimmung total gestresst zu einer Fastenkur kommt, der ist oft so erschöpft, dass er die ersten zwei Tage richtig gehend verschläft“, sagt Rabeder.
Diesem Einschleichen folgt die Phase des eigentlichen Fastens, auch Vollfasten genannt. Diese Zeit dauert einige Tage, wenn möglich eine ganze Woche, um möglichst großen Nutzen aus dem Fasten zu ziehen.
In den Tagen nach dem Vollfasten sollte man nicht sofort wieder voll durchstarten, sondern sowohl in seinen Aktivitäten als auch in seinem Essverhalten sich langsam wieder an den normalen Modus herantasten und die Fastenerfahrung dazu nutzen, die Ernährung generell zu verbessern.
Alleine oder in der Gruppe fasten
Geübte Fastende gelingt das Fasten auch alleine, während Erstfastende sich oft in einer begleiteten Fastengruppe leichter tun. Rabeder: „Eine Gruppe wirkt ungemein unterstützend. Man coacht sich gegenseitig, fängt sich auf, wenn das nötig ist, holt sich aus dem Jammertal, wenn es einem nicht gut geht. Man rückt zusammen. In so einer Gruppe fühlen sich alle gleich und alle nehmen sich als gleichwertige Menschen wahr.“
Gesundheitlicher Benefit
Fasten bedeutet, die Gesundheit ein Stück weit in die eigenen Hände zu nehmen. Gewichtsreduktion ist eine gern gesehene Nebenerscheinung einer Kur, aber für die meisten Fastenden nicht vorrangiges Ziel.
Fastenkuren können sich positiv auswirken bei: Rheumatischen Erkrankungen, Allergien, Stoffwechselerkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen, chronischen Schmerzen, chronischen Lebererkrankungen. „Die Forschung zeigt, dass Fasten bei vielen schweren Krankheiten hilft. Fasten bedeutet auch eine Gesundheitsvorsorge. Der Darm bekommt Zeit zur Regeneration, der Blutdruck und der Zuckerspiegel können sich regulieren und stabilisieren. Typische Aussagen der Fastenden sind: Den Gelenken geht es besser, ich benötige seitdem weniger Medikamente, mein Bluthochdruck wurde besser, die Schmerzen sind gesunken, mein Cholesterin wurde besser, meine Verdauung hat sich normalisiert“, sagt Rabeder.
Kurzzeitiger Ausstieg oder nachhaltige Veränderung
Man kann Fasten als kurzzeitigen Ausstieg aus dem Gewohnten sehen oder als Einstieg in dauerhafte Lebensstilverbesserung nutzen (bewusster und gesünder Essen, mehr Bewegung, viel Wasser trinken, den Alltag entstressen). Rabeder: „Ein Drittel unserer Gäste betreibt das Fasten nachhaltig und verändert tatsächlich ihr Leben. Das bringt natürlich am meisten für die Gesundheit und das Wohlgefühl. Auch die Gewichtsreduktion bleibt dann dauerhaft und der Jojo-Effekt verschwindet. Wenn man regelmäßig fastet, verändert das etwas tief in mir. Der Wert der Einfachheit wird wiederentdeckt und diese macht das Leben kostbar. Man wird viel dankbarer. So ist der erste Bissen Brot nach dem Fasten oft ein Hochgenuss, man schmeckt die Dinge wieder und entdeckt die Fülle im Wenigen.“
Fasten verändert
Während des Fastens tauchen oft Sinn- und Lebensfragen auf: Wie lebe ich? Welche Probleme belasten mich? Wie soll meine Zukunft aussehen? Man spürt sich in dieser Zeit selbst sehr stark, erkennt seine Wünsche und Lasten. Wird Fasten im Rahmen einer Auszeit betrieben und hat man daher Zeit, sich diesen Fragen zu stellen, führt dies oft zu einem klaren Blick auf das eigene Leben und kann Auslöser für kleine und große Korrekturen sein.
„Fasten ist eine Kraft zur Veränderung. Oft verändert man nur simple Dinge, wie: ab sofort täglich spazieren oder laufen, am Morgen Wasser trinken, am Tag Pausen bewusst einlegen oder sich täglich Gutes zu tun. Auch große Korrekturen sind möglich, so kommt es vor, dass jemand seinen Job an den Nagel hängt, weil er spürt, dass er sonst unglücklich und langfristig krank werden könnte“, so Rabeder.
Viele Wege führen zum Ziel
Es gibt zahlreiche Arten zu fasten: Die bekanntesten sind: Suppen, Saft- und Basenfasten, Fasten nach Hildegard von Bingen, F.-X.-Mayr, Buchinger oder Lützner. Allen Methoden gemein ist eine bestimmte Grundhaltung: Achtsamkeit beim Essen, sich Zeit nehmen, entschleunigen, viel Wasser trinken. „Welche Methode man wählt, sollte man mit seinem Arzt oder Fastenbegleiter besprechen. Oft hilft bei der Auswahl auch das eigene Gefühl; man hat oft selbst das beste Gespür dafür, was einem guttut. Wer auf eigene Faust fastet, also ohne professionelle Begleitung, sollte eine möglichst sanfte Methode wählen, wie etwa das Basenfasten“, rät Rabeder.
Die Wirkung des Fastens wird verstärkt, wenn Anwendungen wie Bewegung an der frischen Luft, Wassertrinken als Basisverpflegung, Darmreinigung, Leberwickel, Massagen und/oder Kneippanwendungen den Prozess begleiten.
Buchtipp: Elisabeth Rabeder. Fasten für ein neues Lebensgefühl. Kneipp Verlag.
Dr. Thomas Hartl
März 2019
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