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Mann und Frau walken

COPD: Bewegung als Therapie

Mit gezielter und individuell abgestimmter Bewegungstherapie können COPD-Patienten den Verlauf ihrer Erkrankung positiv beeinflussen. Wichtigste Regel dabei: Überlastungen sind zu vermeiden.

Die chronische obstruktive Lungenerkrankung (COPD) beschreibt eine fortschreitende und meist irreversible Einschränkung der Lungenfunktion und wird nach dem jeweiligen Schweregrad in vier Stadien eingeteilt. Bei COPD wird durch eine erworbene Kollapsneigung der Bronchien das Ausatmen erschwert, wodurch in Folge eine Überblähung der Lunge droht. Atmen ist für Betroffene ein anstrengendes Unterfangen und keine Selbstverständlichkeit.

Die Häufigkeit der Erkrankung liegt in Österreich bei über zehn Prozent, die Dunkelziffer noch nicht mit eingerechnet. Rauchen und chronische Entzündungen (Bronchitiden) sind die Hauptrisikofaktoren.

Therapeutisch stehen Medikamente und in schweren Fällen Sauerstoffgabe zur Verfügung. Besonders wichtig ist vor allem die Raucherentwöhnung. Der Krankheitsverlauf lässt sich mit Sport und Bewegung positiv beeinflussen, denn Bewegung verbessert die Sauerstoffverwertung, der Körper wird daher auch bei geringerer Sauerstoffversorgung leistungsfähiger. 

Teufelskreis durch Schonung 

Neben Rauchen verschlimmert auch körperliche Schonung die Situation. Es ist zwar verständlich, dass Patienten zur Vermeidung von körperlicher Aktivität neigen, doch ist dieses Verhalten kontraproduktiv. Jegliches Vermeidungsverhalten führt zu Konditionsverlust. Das wiederum bedeutet, dass immer mehr alltägliche Handlungen zu Belastungsspitzen führen, weil der Körper durch die Schonung immer weniger Bewegung und Belastung toleriert.

Schonung führt also in eine Abwärtsspirale, aus der man immer schwerer aussteigen kann, je länger man darin gefangen ist. „Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass man das eigene Verhalten beobachtet und steuert. Man muss unbedingt darauf achten, dass man in Bewegung bleibt. Denn es ist wesentlich leichter, die Leistungsfähigkeit zu erhalten, als sich verlorenes Terrain wieder anzueignen“, sagt OA Dr. Christoph Habringer, Facharzt für Physikalische Medizin und Rehabilitation am Kepler Universitätsklinikum Linz, Med Campus III. 

Überlastung vermeiden! 

Wichtigste Trainings-Regel für COPD-Patienten: Niemals überlasten! Überanstrengung ist ein absolutes No-Go. Denn Überlastungen stressen das Herz-Lungensystem und führen zur vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen, unter anderem Cortisol. Das wiederum führt zu erhöhter Infektanfälligkeit, ein Zustand, den es zu vermeiden gilt.

Jeder kann selbst kontrollieren, ob er im grünen Bereich ist: Kann man während der Belastung flüssig sprechen, dann läuft man sicher nicht Gefahr, sich zu überlasten.

Wichtig ist, dass Atemnot gar nicht erst auftritt. Ideal sind daher Sportarten mit kurzen Belastungen. Beginnt man dennoch schwer zu atmen (zu „schnaufen“), kann die Lippenbremse helfen. Man atmet gegen die nur leicht geöffneten Lippen aus, der Atem stößt daher auf einen Widerstand, das wiederum ein Kollabieren der Bronchien verhindert und die Ausatmung erleichtert.

Krankheitsgrad ausschlaggebend

Bei einer Erkrankung ersten und zweiten Grades bieten sich Nordic Walken, Wandern, Schwimmen, Gymnastik oder auch Joggen an. Immer unter der Voraussetzung, dass man zu jedem Zeitpunkt flüssig sprechen kann. Auch Yoga, Pilates etc. sind unter dieser Voraussetzung möglich.

Bei Erkrankung des dritten Grades bieten sich Sportarten an, die durch lange Pausen und niedrige Intensität gekennzeichnet sind: Bogenschießen oder spazieren gehen. Auch Eisstockschießen und Kegeln sind für viele möglich, wenn es in einem sehr gemütlichen Modus ausgetragen wird.

Patienten mit Krankheitsgrad 4 leiden meist an mehreren Erkrankungen gleichzeitig. Nicht nur die Atemfunktion ist vermindert, auch der Muskelabbau ist oft weit fortgeschritten. Habringer: „Betroffene sind häufig sehr dünn, denn ihre Energiereserven werden durch den Atemaufwand aufgezehrt. Bei Menschen, die es kaum schaffen, ihr Gewicht zu halten, ist daher die Aufrechterhaltung der Alltagstauglichkeit das Ziel. Darüber hinaus gehendes Training wäre kontraindiziert, man würde sonst noch mehr Gewicht verlieren und die Energiereserven vollkommen erschöpfen.“ 

Training individuell angepasst 

Eine Bewegungstherapie muss nicht nur den Grad der Erkrankung berücksichtigen, sie muss auch individuell angepasst sein. Sie orientiert sich an Alter, Trainingszustand und wie gut die Muskulatur noch in Schuss ist. Entscheidend ist, welche Energiereserven der Patient im Augenblick zur Verfügung hat.

Weitere wichtige Punkte:

  • Bei Trainingsbeginn muss bei höhergradig erkrankten Patienten oft erst die grundlegende Muskulatur (Rumpf, Bauch, Beine) gestärkt werden, die es ihnen erst ermöglicht, sich überhaupt bewegen zu können.
  • Richtwerte für ein Training zuhause: Dauer 20 bis 60 Minuten. Diese Zeit beinhaltet auch die Erholungszeiten, also die Pausen zwischen den Übungen. Die Maximalbelastung (wird beim Arzt oder Physiotherapeuten bestimmt) sollte bei 50 bis 70 Prozent liegen. Achtung! Der Patient sollte niemals ins „Hecheln“ oder „Schnaufen“ kommen.
  • Je höhergradiger die Erkrankung, desto mehr orientiert sich das Training an Kraft und weniger auf Ausdauertraining. Ausdauer bedeutet viele Wiederholungen, wenig Intensität. Kraft: Wenige Wiederholungen, höhere Intensität, die Belastungen sollen hier kurz ausfallen. Je kürzer die Belastungen ausfallen, desto weniger wird die Atmung beeinflusst.
  • Bei niedriggradiger Erkrankung sollte man den Fokus auf beides – Ausdauer- und Krafttraining – legen.
  • Nach jeder Belastung muss eine Pause gemacht werden, bis sich die Atmung beruhigt hat. Diese kann mehrere Minuten dauern.
  • Bei Erkrankungsgrad 2 und 3 kann auch Intervalltraining sinnvoll sein. Auch hier ist oberstes Gebot: Überlastungen vermeiden!
  • Bei einer Grad-4-Erkrankung ist das vorrangige Ziel, den Patienten dahingehend zu fördern, dass er den Alltag bewältigen kann und er sich von A nach B bewegen kann. Hochgradig erkrankte, mit Sauerstoff versorgte Patienten müssen zudem lernen, bewusst über die Nase zu atmen, wenn sie mit Nasenbrille versorgt sind. 

Kein Training bei Erkrankung 

Im Falle einer akuten Erkrankung (Virusinfektion etc.) muss man das Bewegungsprogramm aussetzen. Auch im Fall einer Herz-Kreislauferkrankung und bei Bluthochdruck darf man nur trainieren, falls der Arzt das OK gegeben hat. Auch nach einer Erkrankung sollte man sich schonen. Schonen bedeutet jedoch nicht, dass man den ganzen Tag nur ruhig im Bett liegt, sondern dass man am Beginn der Rekonvaleszenz den Organismus nicht überstrapaziert. Der Kreislauf ist immer in Schwung zu halten. Empfehlenswert sind auch isometrische Anspannungsübungen, welche die Muskulatur erhalten. 

Sich schulen lassen 

Habringer: „Die Kunst einer optimalen Bewegungstherapie ist es, den bestmöglichen Belastungsanreiz zu finden. Mit einem konsequenten Training kann jeder Betroffene das Bestmögliche für sich und seine Lunge herausholen. Jeder, der dazu bereit ist, sollte eine professionelle Anleitung erhalten und geschult werden, um im individuell optimalen Bereich trainieren zu können. Das beinhaltet insbesondere eine Kräftigung der Atemmuskulatur und der Atemhilfsmuskulatur sowie Atemphysiotherapie. Patienten werden im Idealfall bereits nach Diagnosestellung im Krankenhaus geschult, dies kann aber auch in einer Reha erfolgen.“

 

Dr. Thomas Hartl

Mai 2019


Bild: shutterstock


Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020