Mit Pilzen, wie sie Pilzesammler kennen, sind diese Übeltäter nur sehr entfernt verwandt. Sie sprießen aber ebenso am liebsten im feuchtwarmen Klima. Deshalb ist der menschliche Körper für sie ein wahres Paradies. Nur unter bestimmten Bedingungen werden sie so richtig fies.
Auf der Hautoberfläche, vom Baby bis zum Greisenalter, gehören Pilze zur ganz normalen Flora im gesunden Säureschutzmantel. Sie schaden uns im Normalfall nicht – im Gegenteil. Sie sorgen dort in Gemeinschaft mit anderen Keimen für ein gesundes Gleichgewicht an Mikroorganismen und einen niedrigen pH-Wert der Haut, der krankmachende Erreger im Zaum halten kann. Die harmonische Symbiose funktioniert, solange sie von keinen Risikofaktoren gefährdet wird. Zudem gibt es aber auch Pilzarten, sogenannte pathogene, also krankmachende Pilze, die auf der gesunden Haut nichts verloren haben. „Das Immunsystem hat zwar normalerweise alle gut im Griff. Eine Schwächung der Immunabwehr jedoch kann der Weckruf sein, mit dem eine bislang harmlose, normale Pilzbesiedlung überhand nimmt und zum Angriff übergeht, oder wo krankmachende Pilze keinen Widerstand mehr finden”, erklärt Prim. Dr. Werner Saxinger, MSc, Abteilungsvorstand Dermatologie und Angiologie, Klinikum Wels-Grieskirchen.
Diabetes und andere chronische Leiden, HIV und AIDS, Tumorerkrankungen, Stress, hormonelle Veränderungen, Antibiotika und andere, die Abwehrkraft herabsetzende Medikamente wie Kortison zählen zu jenen Ausnahmesituationen, in denen eine Pilzerkrankung besonders leicht und häufig auftreten kann. Die Pilze vermehren sich plötzlich ungehindert. Besonders oft sind Haare, Haut, Nägel und Schleimhäute betroffen. Auch innere Organe können befallen sein. Für den Menschen schädliche Pilze werden unter anderem nach dem D-H-S-System eingeteilt: Dermatophyten, Hefen und Schimmelpilze.
Dermatophyten, also Fadenpilze, sind vor allem für Haut-, Haar- und Nagelpilzinfektionen verantwortlich. Zu den Dermatophyten gehört unter anderem der Fußpilz. Er ernährt sich vom Keratin in der Hornschicht der Haut. Die feuchtwarmen Zehenzwischenräume sind für ihn ein bevorzugter Wohlfühlort. Auch die Hautfalten, etwa unter der Brust oder in der Leistengegend, sind ideale Pilzbrutstätten.
Für den besonders häufigen Trichophytonpilz sind Finger- und Zehennägel ein gefundenes Fressen. Hefen gehören teilweise durchaus zur natürlichen Darm- und Scheidenflora. Andere, wie Candida albicans, verursachen zum Beispiel Windelcandidosen bei Babys und Scheidenpilzerkrankungen bei Frauen. Auch Pilzinfektionen des Mund- und Rachenraums, wie der Mundsoor, werden von diesem Hefepilz verursacht.
Die Kleienflechte ist eine oberflächliche Pilzerkrankung, die Hautärzte besonders oft zu sehen bekommen. Ausgelöst wird sie durch einen Hefepilz, der einen schuppigen, manchmal mehrfärbigen Ausschlag verursacht. Ganz im Gegensatz dazu ist zum Beispiel die Histoplasmose eine systemische, also das Körperinnere betreffende Pilzinfektion, die hauptsächlich die Lunge befällt – ausgelöst durch einen Hefepilz, der sich bei Körpertemperatur vom Schimmelpilz zum Hefepilz verwandelt. Hefen gelten so wie die Schimmelpilze als opportunistische Erreger, weil sie eben die Immunschwäche des Wirtes als Gelegenheit zur Ausbreitung nutzen.
Zu den Schimmelpilzen zählt unter anderem der allgegenwärtige „Aspergillus“, der Haut, Ohren, Nasennebenhöhlen und Lunge befallen kann. Unbehandelt können solche Systemmykosen zu Multiorganversagen und zu einem septischen Schock führen. Allerdings sind derartig schwer und potenziell lebensbedrohliche Pilzinfektionen, etwa in Form einer Aspergillose, hauptsächlich bei extrem immungeschwächten Menschen zu beobachten, zum Beispiel Patienten, die sich nach einer Operation oder einer Chemotherapie in Intensivpflege befinden. Das gilt auch für den erst vor neun Jahren erstmals in Japan nachgewiesenen „Candida auris“-Erreger, der schon als „Killerpilz“ Schlagzeilen gemacht hat, weil dieser äußerst seltenen Pilzinfektion bislang vorwiegend ältere Menschen mit schweren Grunderkrankungen zum Opfer gefallen sind. Von einer Sekundärinfektion ist die Rede, wenn ein Pilz einen Organismus befällt, der bereits von einer Primärinfektion durch einen anderen Mikroorganismus angegriffen ist.
Schmusen mit Folgen
Grundsätzlich sind Pilzerkrankungen auch vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragbar. Pilzinfektionen im Gesicht oder am Körper sind häufig auf engen Tierkontakt zurückzuführen – auch wenn die Tiere selber keine Symptome zeigen. Wichtig ist daher auch eine Anti-Pilz-Therapie der Haustiere, um sich nicht immer wieder erneut anzustecken.
Typische Symptome einer Hautpilzerkrankung sind leichte Rötungen, Jucken und Schuppenbildung, wobei die Hauterscheinungen klar abgegrenzt und randbetont sind. Eine weißlich, gelbliche oder braune Nagelverfärbung mit Verdickung der Nagelplatte ist ein Hinweis auf Nagelpilz. Die deutlich sichtbaren Symptome können psychisch belastend sein. Bei systemischen Pilzinfektionen können Fieber und eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes eintreten.
„Die klinische Begutachtung des Hautareals durch den Arzt erlaubt oft schon eine Verdachtsdiagnose”, berichtet der Welser Hautfacharzt. Eine Probe aus Hautschuppen, eine Pilzkultur des betroffenen Hautbereichs oder eine Biopsie mit histologischer Untersuchung können folgen, wenn erste Therapieansätze erfolglos bleiben. Die molekulare Sofortdiagnostik aus Gewebeproben bei Verdacht auf Pilzbefall gewinnt immer mehr an Bedeutung. Eine weitere Diagnosemöglichkeit ist die sogenannte Wood-Lampe, die bestimmte fluoreszierende Pilze sichtbar macht. Auch die Unterscheidung verschiedener Pilzstämme durch gentechnische Nachweismethoden ist möglich.
Anders als bei Antibiotika, die möglichst zielgerichtet auf spezifische Erreger eingesetzt werden, verfügen Pilzmittel, also Antimykotika, über ein sehr breites Wirkungsspektrum. Die verfügbaren Wirkstoffgruppen unterscheiden sich in der Wirkungsweise und der Art der Verabreichung – es werden Cremen, Salben, Lacke oder Tabletten eingesetzt, abhängig von Körperareal, von der Schwere des Krankheitsbildes und vom Alter des Patienten. Häufig ist eine Kombinationstherapie angebracht, etwa bei Pilzbefall im Haarbereich. Dieser sollte möglichst früh bekämpft werden, um der dauerhaften Zerstörung von Haarwurzeln zuvorzukommen. Geduld ist bei allen Pilzerkrankungen angebracht – die Behandlung dauert oft Wochen bis Monate, weil auch nachfolgende Pilzgenerationen unschädlich gemacht werden müssen.
Vorbeugend empfiehlt sich die tägliche Desinfektion von Schuhen, schützendes Schuhwerk und Handschuhe bei der Gartenarbeit, atmungsaktive Schuhe aus Naturmaterialien, Körperwäsche aus Natur- statt Kunstfasern. Und: Gründliche Körperpflege in allen Ehren – aber allzu viel Seife ist ungesund!
Natur und Medizin
Pilze sind in der Natur vielfältig aktiv, etwa im organischen Stoffkreislauf als Humusbildner. Sie holen Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor aus dem Boden und machen sie für Pflanzen verfügbar. Viele Gewächse sind auf eine Lebensgemeinschaft mit Pilzen angewiesen. Auch die Medizin nutzt sie: Penicillin, das wichtige Antibiotikum, stammt von einem speziellen Schimmelpilz.
Klaus Stecher
August 2019
Bild: shutterstock; privat
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Prim. Dr. Werner Saxinger, MSc
Abteilungsvorstand Dermatologie und Angiologie, Klinikum Wels-Grieskirchen