DRUCKEN

Konsistente Schätzung von Prävalenz, Inzidenz und krankheitsspezifischer Mortalität für Österreich: Koronare Herzkrankheiten


Download (PDF, 473 KB)


ABSTRACT


Bevölkerungsweit existieren über die Situation bei akuten koronaren Herzkrankheiten (KHK) in Österreich bislang keine verlässlichen epidemiologischen Zahlen mit Ausnahme der Sterbefälle (insgesamt und wegen KHK = allgemeine und krankheitsspezifische Mortalität). Für die Zahl der Krankheitsfälle (Prävalenz) und die Zahl der jährlich neu an KHK erkrankenden PatientInnen (Inzidenz) existieren weder Registerdaten noch andere Schätzungen. Jedoch stehen aus anderen Ländern Kennzahlen über die Letalität (Zahl der kurzfristigen Todesfälle unter den Erkrankten) dieser Krankheitsgruppe zur Verfügung.

Die Abteilung Evidenzbasierte Wirtschaftliche Gesundheitsversorgung initiierte ein Projekt, um Diagnosen aus Inanspruchnahmedaten (vornehmlich Medikationsverschreibungen) abzuleiten (siehe Filzmoser et al., 2009). Der dabei entwickelte Algorithmus wurde im Rahmen des Gesamtprojekts benutzt, um auf der Ebene von pseudonymisierten Einzeldaten die potenziellen KH-Kranken zu identifizieren.

Ziel der hier vorgelegten Studie war einerseits die Entwicklung eines in sich kohärenten epidemiologischen Krankheitsmodells für die Inzidenz, Prävalenz, Mortalität und Remission von KHK in Österreich. Dazu wurde eine speziell von der Weltgesundheitsorganisation dafür entwickelte Software (DISMOD II) eingesetzt. Andererseits sollten die Prävalenzzahlen aus dem vom Hauptverband entwickelten Identifikationsmodell auf ihre inhaltliche Verträglichkeit mit einem stimmigen Populationsmodell des Krankheitsgeschehens in Österreich überprüft werden.

Es konnte ein in sich widerspruchsfreies, medizinisch-inhaltlich plausibles, und in seinen Relationen durch Beobachtungen aus anderen Industriestaaten untermauertes Populationsmodell für KHK in Österreich entwickelt werden. Demzufolge ist für das Jahr 2008 von einer Gesamtzahl von rund 136‘000 Männern und 106‘000 Frauen mit KHK in Österreich auszugehen. Die Schätzungen des Hauptverbandes aus Inanspruchnahmedaten liegen im Vergleich dazu deutlich höher (673‘000 Männer und 699‘000 Frauen) und erfassen mutmasslich nicht nur Erkrankte, sondern auch (sekundär-) präventiv Medizierte. Die alters- und geschlechtsspezifischen Prävalenzzahlen aus Inanspruchnahmedaten sind von ihrem Altersgang her jedoch nicht grundsätzlich unplausibel, sie erreichen lediglich ein epidemiologisch als zu hoch anzusehendes Niveau. Zudem liefern sie Hinweise, dass bei den Hochbetagten (90+) beiderlei Geschlechts weniger intensiv gegen KHK medikamentös vorgegangen werde als bei den jüngeren Alten. Epidemiologisch ist aber unter den Hochbetagten eine höhere Betroffenheit von KHK anzunehmen. Es ist daher eher von einem methodischen Artefakt auszugehen, dass nämlich mit zunehmender Multimorbidität und intensivierter Polypharmazie im hohen Lebensalter die Zuordnung zu spezifischen Diagnosegruppen der ICD weniger gut gelingt.


Zuletzt aktualisiert am 02. Mai 2016