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Mag. Harald JansenbergerDie Autoren:

Mag. Harald Jansenberger

ist Sportwissenschaftler, Buchautor und Trainer für Sturzrehabilitation am Institut für sportwissenschaftliche Beratung Linz.


Karin KastnerKarin Kastner

ist Mitarbeiterin der Abteilung "Gesundheitsförderung und Prävention" in der OÖ Gebietskrankenkasse.


KURZFASSUNG

Sturzprävention durch Bewegung und Verhaltensmodifikation bei selbständig lebenden Senioren  


Stürze und sturzbedingte Verletzungen sind eine erhebliche Belastung für betroffene Personen und auch für das Gesundheitssystem. Ein Drittel aller über 65-jährigen Menschen stürzt mindestens einmal im Jahr, wie immer wieder bestätigt wird. Jede zweite Person ab 80 Jahren oder Bewohner eines Alten- oder Pflegeheimes kommen ebenfalls einmal pro Jahr zu Fall. Nicht jeder Sturz führt zu einer körperlichen Verletzung, jedoch müssen 20 bis 50 Prozent aller Stürze behandelt werden und zehn Prozent aller Stürze enden mit einem Bruch. Fünf Prozent aller Stürze haben einen Oberschenkelhalsbruch zur Folge und immerhin zwei Prozent aller Stürze enden tödlich. Bleiben körperliche Verletzungen aus, entsteht häufig die Angst vor Stürzen, die sich vor und nach einem oder mehreren Stürzen entwickeln kann. Nimmt die Angst ein Ausmaß an, sodass das alltägliche Leben zunehmend beeinträchtigt wird, spricht man vom sogenannten „Post-Fall-Syndrom“, das bei älteren Menschen weit verbreitet ist. 20 bis 60 Prozent aller älteren Menschen haben Angst zu stürzen, und das unabhängig davon, ob sie schon gestürzt sind oder nicht.

Die Bedrohung durch Verletzung und Verlust der Selbständigkeit, die mit dem Thema Stürze im Alter einhergeht, lastet schwer auf betagten Personen und führt häufig zum Rückzug aus der Gesellschaft oder auch völligen Negieren des Problems. Durch den Umstand, dass der Großteil der Stürze ohne äußere Einwirkung geschieht, somit seine Ursache im Bewegungsverhalten einer Person hat, ist es nachvollziehbar, dass alte Menschen ihre Aktivitäten einschränken. Die meisten Stürze, nämlich über 90 Prozent, haben ein multifaktorielles Umfeld, dem es unbedingt Rechnung zu tragen gilt. Ein gewichtiger Teil der Sturzprävention muss durch Bewegung erfolgen, da durch motorische Intervention viele Risikofaktoren positiv beeinflusst werden können. Viele Untersuchungen belegen die Bedeutung der Modifikation beeinflussbarer Risikofaktoren und vor allem der individuell angepassten gezielten Bewegung zur aktiven Sturzprävention.

Gerade der Bereich der Bewegungsschulung wurde besonders häufig untersucht. Werden gewisse Rahmenbedingungen beachtet, individuelle Bedürfnisse berücksichtigt und auch das selbständige Üben der Teilnehmer gefördert, kann das Sturzrisiko um 30 bis 50 Prozent gesenkt werden.

Auf Grund der Bedeutung des Themas wurde ein auf evidenzbasierten Ansätzen der Sturzprävention ruhendes Kurskonzept erstellt, das in einer mehrjährigen Projektphase von 2013 bis 2015 gemeinsam durch die OÖ Gebietskrankenkasse durchgeführt wurde. Die Projektphase wurde sowohl quantitativ als auch qualitativ evaluiert. Aufgrund der Ergebnisse, die neben der hohen Effektivität auch die hohe Zufriedenheit der Teilnehmer nachweisen, wurde das Sturzpräventionsangebot im Herbst 2015 in den Regelbetrieb der OÖ Gebietskrankenkasse sowie aller in Oberösterreich tätigen Sonderversicherungsträger übernommen. Somit können alle in Oberösterreich Versicherten ab dem 70. Lebensjahr an Sturzpräventionskursen teilnehmen. Die Kursinhalte und die erhobenen Ergebnisse werden in diesem Artikel vorgestellt.

 

Schlussfolgerungen

Das zwölfteilige und individualisierte modulbasierte Kurskonzept liefert mehrere positive Ergebnisse: Neben der hohen Teilnehmerzufriedenheit und dem subjektiv erlebten, erhöhten Sicherheitsgefühl konnten auch sehr positive Trainingszuwächse in den Teilbereichen des Gleichgewichts und der Beinkraft erzielt werden. Besonders positiv ist auch die hohe Reduktion der angegebenen Sturzereignisse zu bewerten. Dabei liegt die erzielte Sturzreduktion deutlich über den in der Literatur zu findenden Prozentwerten. Dies lässt sich durch die individuelle Trainingssteuerung, durch die anfangs durchgeführten motorischen Tests und der daraus resultierenden Erkenntnis über motorische Schwächen und Stärken der einzelnen Teilnehmenden begründen. Zusätzlich bietet das Kurskonzept mit den Schwerpunkten „Training der Selbsteinschätzung“, „Training der Schnellkraft“, „Angstreduktion“, „Simulation der Hauptsturzursachen“ und „Dualtasktraining“ ein umfangreich einsetzbares evidenzbasiertes Gesamtbild, das je nach Bedarf der Teilnehmenden eingesetzt wird und somit die Effektivität erhöhen kann.

Das Kurskonzept bietet neben den positiven Ergebnissen auch einige Innovationen. Neben dem erstmals beschriebenen, auf nicht korrelierenden Teilbereichen des Gleichgewichts und der Beinkraft basierenden Sturzrisiko-Index konnten Forderungen aus Forschungsergebnissen erstmals in praktischen Kursen umgesetzt werden. So wurde der Notwendigkeit Berücksichtigung der Lebensumstände zur Sturzprävention Rechnung getragen, in dem die Sturzarten und Lebensumstände abgefragt und diese in die Trainingsplanung mit einbezogen wurden.

Die Kurse werden laufend weiter ausgewertet. Allein im Jahr 2016 haben bislang 442 weitere Personen einen Kurs besucht. Ebenso wird das Kurskonzept immer wieder durch neue Forschungsergebnisse erweitert und aktualisiert, die in regelmäßigen Schulungen an alle Trainer/-innen weiter vermittelt werden, um den teilnehmenden Senioren und Seniorinnen ein bestmögliches Ergebnis bieten zu können.

 

Zuletzt aktualisiert am 14. November 2020