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Frau liegt am Küchenboden

Die Ohnmacht und ihre vielen Auslöser

„Ohne Vorzeichen ist er plötzlich umgefallen wie ein Stein“ – Beinahe jeder Dritte erfährt in seinem Leben eine sekundenlange Ohnmacht, genannt Synkope, die vielerlei Ursachen haben kann; oftmals harmlose. Dennoch soll jede kurze Bewusstlosigkeit ärztlich abgeklärt werden, weil zum Beispiel auch eine bedrohliche Herzrhythmusstörung der Grund sein kann. 

„Rund ein bis drei Prozent der Patienten in der Notaufnahme werden aufgrund einer Synkope eingeliefert“, sagt Internist OA Dr. Matthias Kölbl, Leiter der Notfallambulanz und Akutbettenstation im Ordensklinikum Linz Elisabethinen. Eine Synkope ist beschrieben als eine Bewusstlosigkeit/Ohnmacht, die zwischen wenigen Sekunden und mehreren Minuten dauert. Bei rund 30 bis 43 Prozent der Betroffenen kommt es laut Studien innerhalb von 30 Monaten zu einem neuerlichen Vorfall. Synkopen sind sehr häufige Symptome und nehmen mit steigendem Alter zu. Meist ist die Ursache eine Mangeldurchblutung des Gehirns, die verschiedene Gründe haben kann. 

Mit oder ohne Vorzeichen 

„Es gibt Synkopen, die sich in gewisser Weise vorankündigen. Zu diesen Vorboten zählen etwa Schwindel, Herzrasen, Übelkeit, Schwarzwerden vor den Augen, Hitze- oder Kältegefühl oder ein ‚abgehendes‘ Gefühl. Ohnmachten ohne Anzeichen sind meist gefährlicher und haben ihre Ursache oftmals im Herzen“, erklärt der Linzer Notfallmediziner. Wer bereits solch einen Kreislaufkollaps mit Vorzeichen erlebt hat, kann bei abermaligen Anzeichen, die Bewusstlosigkeit vielleicht abwenden. Hier einige Tipps:

  • Ein paar tiefe Atemzüge an der frischen Luft nehmen. Das kann den Kreislauf wieder in Schwung bringen.
  • Sich rasch auf den Rücken legen und Beine hochlagern. Das verhindert auf jeden Fall einen Sturz.
  • Einen Schluck kaltes Wasser trinken.
  • Isometrische Muskelübungen durchführen: Dabei werden die Gefäße in der Muskulatur kontrahiert, sodass das Blut zurück zum Herzen gedrückt wird. Zum Beispiel kann man die Hände ineinander haken und versuchen, sie kräftig auseinanderzuziehen. Oder man überkreuzt die Beine, presst sie fest aneinander und spannt gleichzeitig Bein-, Bauch- und Gesäßmuskeln an. 

Sturzgefahr und Erste Hilfe 

Die Verletzungsgefahr bei einer solchen kurzzeitigen Bewusstlosigkeit ist groß, da es während der Synkope zum Tonusverlust der Muskulatur kommen kann und man dann wie ein Stein umfällt, der Sturz also völlig unkontrolliert abläuft. „Vor allem ältere Patienten mit Osteoporose erleiden bei solchen Stürzen leicht Brüche. Die Folge kann aber auch ein Schädel-Hirn-Trauma mit Hirnblutung oder anderen schweren Verletzungen sein. Eine Synkope mit Sturz muss auf jeden Fall rasch weiter abgeklärt werden“, sagt Kölbl.

Kommt eine Ohnmacht aus heiterem Himmel, ist es wichtig, dass Anwesende rasch und richtig handeln:

  • Den Patienten laut ansprechen und beruhigen.
  • Den Bewusstlosen auf den Rücken legen und Beine hochlagern. Durch die Rückenlage kommen viele Ohnmächtige schnell wieder zu sich, weil das Gehirn in dieser Lage besser mit Blut versorgt wird.
  • Kommt der Ohnmächtige nicht sofort wieder zu Bewusstsein, Notruf absetzen und die Atmung überprüfen. Atmet er selbständig, den Patienten in stabile Seitenlage bringen. Kann keine Atmung festgestellt werden, sofort reanimieren, bis der Notarzt da ist. 

Ursachen für die Mangeldurchblutung 

Die ausführliche Anamnese und Befragung eventueller Zeugen kann schon Aufschluss über die Ursache der Synkope geben. Zu weiterführenden Untersuchungen gehören je nach Auslöser Labor, EKG, Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Herzens), Bildgebung des Gehirns etc. In Spezialfällen kann bei unklaren, durch Herzrhythmusstörungen ausgelösten Synkopen, die Implantation eines Loop Recorders hilfreich sein. Dieses Gerät zeichnet den Herzrhythmus über längere Zeit auf. Tagesklinisch wird der Loop Recorder, der kleiner als ein USB-Stick ist, über einen kleinen Hautschnitt ins Unterhautgewebe des rechten Brustkorbes eingebracht. Der Arzt liest den Recorder durch Auflegen eines entsprechenden Verbindungsgeräts aus. 

Verschiedene Kategorien

  • Nervensystem: Vasovagale Synkope (Reflexsynkope, 30 bis 50 Prozent der Fälle)
    Grund ist eine Fehlregulation des autonomen (unwillkürlichen) oder vegetativen Nervensystems mit Sympathikus und Parasympathikus (Vagus). Ist es besonders empfindlich und reagiert reflexartig zu heftig auf einen Reiz wie etwa Schreck, Panik, Kälte oder Schmerz, werden die Gefäße weit gestellt, weil der Sympathikus gehemmt wird. Dadurch verlangsamt sich auch der Herzschlag rapide oder setzt aus und das Blut versackt in den Beinen, was zu einer kurzzeitigen Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff führt und die Ohnmacht auslöst.

    Extreme Kälte, Hitze, Schmerz, psychischer Stress, Panik, langes Stehen, starker Husten oder Lärm können ebenfalls zur Überreaktion führen. Auch starkes Pressen auf der Toilette kann die Synkope auslösen.

    Beim sogenannten Karotissinussyndrom ist der Auslöser für die vasovagale Synkope eine Überempfindlichkeit der Halsschlagader auf Druck. Schon eine leichte Berührung an der Halsschlagader, etwa beim Rasieren, dem Tragen einer Krawatte oder dem starken Drehen des Kopfes kann genügen, dass es zu einer Ohnmacht kommt. In der Halsschlagader sitzen Rezeptoren, die dem Gehirn melden, wenn der Blutdruck zu hoch ist. Das Gehirn sorgt dann über das vegetative Nervensystem dafür, dass sich die Gefäße weiten, der Herzschlag verlangsamt und der Blutdruck sinkt. Beim Karotissinussyndrom reagieren die Rezeptoren übersensibel.

    Wer die Trigger für seine vasovagale Synkope kennt, sollte diese meiden. Die schon erwähnten isometrischen Übungen können bei ersten Anzeichen wie etwa Schwindel ausgeführt werden. Bei wiederholten Synkopen kann das Tragen von Kompressionsstrümpfen sinnvoll sein. Medikamente spielen in der Therapie einen geringen Stellenwert.

 

  • Kreislauf: Orthostatische Synkope (10 bis 20 %)
    Normalerweise macht das schnelle Aufstehen aus dem Liegen keine Probleme, weil der Sympathikus durch ein Engstellen der Gefäße verhindert, dass das Blut in die Beine sackt. Ist die Funktion des Sympathikus gestört oder unzureichend, entfällt diese Gegenregulation der Gefäße.

    Risikofaktoren:
  • Zu wenig Flüssigkeit (Dehydrierung) und reduziertes Blutvolumen
  • Krampfadern
  • Nervenschäden durch Diabetes
  • Bestimmte Medikamente gegen Bluthochdruck, bestimmte Schlafmittel oder vermehrter Alkoholkonsum

    Menschen, die schön öfter einen Kreislaufkollaps beim Aufstehen hatten, sollten immer langsam aufstehen, mit etwas erhöhtem Kopf schlafen, auf ausreichend Flüssigkeits- und Salzzufuhr achten sowie körperliche Belastung bei Hitze meiden. Der Arzt kann Kompressionsstrümpfe verordnen.

 

  • Herz: Kardiale Synkope (5 bis 15 %)
    Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) können die Blut- und Sauerstoffversorgung des Gehirns soweit beeinträchtigen, dass es zum Kreislaufkollaps kommt. Bei Verlangsamung (Bradykardie) des Herzschlages, aber auch wenn das Herz viel zu schnell schlägt (Tachykardie), wird zu wenig Blut in den Kreislauf gepumpt.

    Auch andere organische Herzerkrankungen wie etwa eine Verengung der Aortenklappe (Aortenklappenstenose) oder eine krankhafte Verdickung des Herzmuskels (hypertrophe Kardiomyopathie) bewirkt, dass zu wenig Blut in den Körper kommt. Ein schwerer Infarkt und eine Lungenembolie können ebenso eine Synkope bewirken.

    Um weitere Synkopen zu verhindern, muss die zugrunde liegende Herz-Kreislauf-Erkrankung therapiert werden.

 

  • Gehirn: Zerebrovaskuläre Synkope (selten)
    Diese Form der Synkope beschreibt sogenannte Anzapfphänomene (Steal-Syndrome). Es kommt zum Beispiel vor, dass die Schlüsselbeinarterie (Arteria subclavia), die die Armmuskulatur mit Blut versorgt, verengt ist. Um die Mangeldurchblutung auszugleichen, zapft die Schlüsselbeinarterie die Wirbelarterie (Arteria vertebralis) an, die Blut ins Gehirn pumpt. Vereinfacht ausgedrückt, stiehlt die Schlüsselbeinarterie einen Teil des Blutes, das eigentlich für die Versorgung des Gehirns gedacht ist. So erhält das Denkorgan zu wenig Sauerstoff. Das beschriebene Subclavian-Steal-Syndrom kann neben der Synkope auch zu Schwindel, Sehstörung und Gangunsicherheit führen.

    In 10 bis 20 Prozent der Synkopen bleibt die Ursache unklar.

 

  • Andere Formen akuter Bewusstlosigkeit
    Neben Synkopen gibt es weitere Formen plötzlicher Bewusstlosigkeit, die es auszuschließen gilt:
  • Psychisch bedingte Pseudosynkopen: Manche Menschen reagieren auf seelische Überforderung oder wenn psychische Traumen verdrängt werden, mit einer Ohnmacht. Diese kann einige Minuten dauern.
  • Schlaganfall (Insult): Ist ein Gefäß im Gehirn verstopft oder geplatzt, können die Patienten bewusstlos zusammenbrechen. Typisch ist das beim Insult nicht. So ein Kollaps dauert länger und es zeigen sich zusätzlich andere fokale neurologische Ausfälle, wie Halbseitenlähmung, Sprachstörung etc.
  • Schwere Unterzuckerung
  • Diabetisches Koma droht bei stark erhöhten Zuckerwerten.
  • Absencen bei Epileptikern: Bei den kurzen Ohnmachten sind die Epileptiker nicht ansprechbar und reagieren nicht. Der Blick ist starr, Augäpfel oftmals verdreht. Der Ursprung hat nichts mit dem Kreislauf zu tun, sondern ist in Nervenzellen im Gehirn zu suchen.
  • Herzinfarkt: Kommt es zum Bewusstseinsverlust, ist dies meist lebensbedrohlich und hängt mit bradykarden oder tachykarden Rhythmusstörungen zusammen. Tritt die Synkope zusammen mit Schmerzen und Druckgefühl im Brustbereich auf, daher sofort den Notarzt alarmieren und reanimieren.

 

Mag. Christine Radmayr

August 2020


Bild: shutterstock


 

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020