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BREXIT - Auswirkungen im Bereich der sozialen Sicherheit

Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft


Historie

Das Vereinigte Königreich war bis zum 1.2.2020 einer der 28 EU-Mitgliedstaaten. Bis zu diesem Zeitpunkt galten daher für das Vereinigte Königreich - so wie für alle anderen EU-Mitgliedstaaten das EU-Recht - im Bereich der sozialen Sicherheit insbesondere die VO (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 uneingeschränkt.

Im Vereinigten Königreich wurde immer wieder Kritik an der EU geübt, wobei der Verlust der nationalen Autonomie aufgrund der Kompetenzen der EU ein wichtiger Punkt war. Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs wurde in einem Referendum am 23.6.2016 zum Verbleib des Vereinigten Königreichs in der EU gefragt. Mit einer knappen Mehrheit entschieden sich 51,9% für „leave“ und nur 48,1% für „remain“.

Das Vereinigte Königreich übermittelte das formelle Austrittsersuchen allerdings erst am 29.3.2017, wodurch das Austrittsdatum 30.3.2019 ausgelöst wurde. Im Zeitraum von März 2017 bis März 2019 wurde ein Austrittsabkommen ausgearbeitet. Das Austrittsabkommen regelt auch den Bereich der sozialen Sicherheit für bestimmte im Austrittsabkommen angeführte Fälle. Der formelle Abschluss des Austrittsabkommens verzögerte sich aber erheblich. Da bis zum Austrittsdatum 30.3.2019 keine Einigung auf ein Austrittsabkommen erzielt werden konnte, musste die Frist verlängert werden, um einen Austritt ohne Abkommen zu verhindern. Dies erfolgte schrittweise in mehreren Phasen. Schlussendlich wurde die Verschiebung des Austrittszeitpunktes bis längstens 31.1.2020 beschlossen. Das Vereinigte Königreich hat daher ab 1.2.2020 die EU tatsächlich als Mitgliedstaat verlassen.

Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit zum Vereinigten Königreich ab 1.2.2020

Bis 31.12.2020 keine Änderungen

Aufgrund des Austrittsabkommens ist das Vereinigte Königreich bis zum Ende des Übergangszeitraums weiterhin wie ein EU-Mitgliedstaat zu behandeln und somit auch das EU-Recht bis zu diesem Zeitpunkt weiter anwendbar. In Art. 126 des Austrittsabkommens wurde ein Übergangszeitraum bis 31.12.2020 festgelegt.

Ab 1.1.2021 – Austrittsabkommen; darüber hinaus noch offen?

Ab dem 1.1.2021 ist das EU Recht nur noch auf die vom Austrittsabkommen erfassten Personen in den im Austrittsabkommen genannten Fällen anwendbar.

Derzeit laufen zwar Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über ein neues Abkommen, wobei aber die Erfolgschancen nicht wirklich beurteilt werden können. Sollte bis zum 31.12.2020 kein neues Abkommen geschlossen werden bzw. wirksam sein, ist zwischen den EU-MST und dem Vereinigten Königreich das jeweilige nationale Recht anzuwenden. Das bedeutet, dass die nach dem EU-Recht vorgesehene Koordinierung der sozialen Sicherheit nur noch für die im Austrittsabkommen genannten Fälle gilt.


Abkommen über den Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft (kurz: Austrittsabkommen)

Das Austrittsabkommen ist ein komplexes Regelwerk, das auf sämtliche Aspekte des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU eingeht. Der Bereich der sozialen Sicherheit wird in Teil Zwei Titel III „Koordinierung der sozialen Sicherheit“ des Austrittsabkommens sowie in dessen Anhang I behandelt. Das Austrittsabkommen wurde im Amtsblatt der EU Nr. C 144/I vom 25.4.2019 veröffentlicht.

Bedienstete der Europäischen Kommission haben einen Leitfaden zum Austrittsabkommens ausgearbeitet (Amtsblatt der EU Nr. C 173 vom 20.5.2020). Der Leitfaden zum Austrittsabkommen dient jedoch ausschließlich zur Information; die darin wiedergegebenen Ansichten sind nicht als offizieller Standpunkt der Europäischen Kommission zu verstehen. 

Art. 30ff des Austrittsabkommens betreffen die Vorschriften für die Koordinierung der sozialen Sicherheit. Diese Artikel enthalten im Wesentlichen keine materiellen Regelungen, sondern erklären die

  • Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009
  • Verordnung (EG) Nr. 859/2003 („Drittstaater-Verordnung“)
  • Beschlüsse und Empfehlungen der Verwaltungskommission

für bestimmte Personengruppen weiter anwendbar.

Rechtsänderungen der vorgenannten Rechtsgrundlagen nach dem 31.12.2020 gelten automatisch auch für das Vereinigte Königreich (Art. 36 des Austrittsabkommens). Ausgenommen davon sind Änderungen des sachlichen Geltungsbereichs. Hier bedarf es eines Beschlusses des eigens eingerichteten Gremiums, des Gemeinsamen Ausschusses. Die Bestimmungen zum Gemeinsamen Ausschuss sind in Art. 164 des Austrittsabkommens zu finden.


Folgende Personen sind vom Austrittsabkommen erfasst (Art. 30 des Austrittsabkommens):

  • EU-Bürger
  • Britische Staatsangehörige
  • Staatenlose, Flüchtlinge mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat oder im Vereinigten Königreich
  • Drittstaatsangehörige bei Erfüllung der Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 859/2003
  • Familienangehörige der vorgenannten Personengruppen und
  • Hinterbliebene der vorgenannten Personengruppen;
    verstorbene Person erfüllte beim Ablauf des Übergangszeitraums die Voraussetzungen und ist nach Ablauf des Übergangszeitraums verstorben. Falls dies nicht zutrifft, haben Hinterbliebene nur Anspruch auf die in Art. 32 des Austrittsabkommens vorgesehenen Leistungen.

Für die Staatsangehörigen der Schweiz sowie der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein und Norwegen) gilt das Austrittsabkommen ebenfalls.


Für die Beziehungen im Bereich der sozialen Sicherheit zum Vereinigten Königreich ab. 1.1.2021 ist zwischen drei Personengruppen zu unterscheiden:

  1. Personen, für die das EU-Recht weiterhin uneingeschränkt anwendbar bleibt;
  2. Personen, für die das EU Recht weiterhin eingeschränkt anwendbar bleibt;
  3. Personen, für die das EU Recht nicht mehr gilt.


I. Personen, für die das EU-Recht weiterhin uneingeschränkt anwendbar bleibt

1.     Unionsbürger, die am Ende des Übergangszeitraums (31.12.2020)

a)  den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs unterliegen;

b)  im Vereinigten Königreich wohnen und den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen;

c)  im Vereinigten Königreich eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausüben und die nach Titel II der VO (EG) Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen.

2.     Britische Staatsangehörige, die am Ende des Übergangszeitraums

a)  den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterliegen;

b)  in einem Mitgliedstaat wohnen und den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs unterliegen;

c)  in einem oder mehreren Mitgliedstaaten eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausüben und nach Titel II der VO (EG) Nr. 883/2004 den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs unterliegen.

3.     Staatenlose und Flüchtlinge, die in einem Mitgliedstaat oder im Vereinigten Königreich wohnen und sich in einer der unter den Punkten 1a-c oder 2a-c beschriebenen Situation befinden.

4.     Drittstaatsangehörige, die sich in einer der unter den Punkten 1a-c oder 2a-c beschriebenen Situation befinden, sofern sie die Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 859/2003 erfüllen.

5.     Familienangehörige und Hinterbliebene der unter den Punkten 1-4 genannten Personen.


Für die unter den Punkten 1-5 genannten Personen ist das EU-Recht zeitlich unbeschränkt solange weiter anzuwenden, solange sie sich ohne Unterbrechung in einer der vorgenannten Situationen befinden, die gleichzeitig einen Mitgliedstaat und das Vereinigte Königreich betreffen.

Für eine „Situation, die gleichzeitig einen Mitgliedstaat und das Vereinigte Königreich betreffen“ reicht beispielsweise auch das Kriterium der Staatsangehörigkeit aus. 


Beispiel:

Österreichischer Staatsangehöriger hat am 31.12.2020 seinen Wohnsitz im Vereinigten Königreich und unterliegt aufgrund des Wohnsitzes oder der Ausübung einer Erwerbstätigkeit den britischen Rechtsvorschriften. 

Die Person unterliegt

  • bei Wohnsitz (ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit) nach Art. 11 Abs. 3 lit. e der VO (EG) Nr. 883/2004 und
  • bei Ausübung einer Tätigkeit nach Art. 11 Abs. 3 lit. a der VO (EG) Nr. 883/2004

den britischen Rechtsvorschriften.


Entsendungen:

Die nach dem EU-Recht vorgesehenen Entsendungen (Art. 12 der VO (EG) Nr. 883/2004) sind im Austrittsabkommen nicht ausdrücklich angeführt. Österreich geht aber davon aus, dass für Entsendungen, die vor dem Ende des Übergangszeitraums begonnen haben und über das Ende andauern, Art. 12 der VO (EG) Nr. 883/2004 bis zum Ende der Entsendungen bzw. der maximalen Entsendedauer von 24 Monaten anzuwenden ist und das ausgestellte PD A1 somit auch über den 31.12.2020 hinaus Bindungswirkung hat.


Darüber hinaus gilt das EU-Recht weiterhin uneingeschränkt für:


6.     Personen, die nicht oder nicht mehr unter die Punkte 1 bis 4 fallen, sondern unter Art. 10 des Austrittsabkommens, sowie deren Familienangehörige und Hinterbliebene. Dies sind:

a)  Unionsbürger, die vor dem Ende des Übergangszeitraums ihr Recht

i)   auf Aufenthalt im Vereinigten Königreich im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen;

ii) als Grenzgänger im Vereinigten Königreich im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter ausüben.


b)  Britische Staatsangehörige, die vor dem Ende des Übergangszeitraums ihr Recht

i)   auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter dort wohnen;

ii)  als Grenzgänger in einem oder mehreren Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht ausgeübt haben und danach weiter ausüben.



7.     Familienangehörige der unter Punkt 6 angeführten Personen, sofern sie eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:

i)      vor Ende des Übergangszeitraums haben sie im Einklang mit dem Unionsrecht im Aufnahmestaat gewohnt und wohnen danach weiter dort;

ii)     vor Ende des Übergangszeitraums waren sie direkt mit einer der unter Punkt 6 a oder 6 b genannten Person verwandt und haben außerhalb des Aufnahmestaats gewohnt, vorausgesetzt, sie erfüllen zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nach diesem Teil um Aufenthalt ersuchen, um der unter Punkt 6 a oder 6 b genannten Person nachzuziehen, die Voraussetzungen des Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2004/38/EG;

iii)    sie wurden nach Ende des Übergangszeitraums innerhalb oder außerhalb des Aufnahmestaats als Kinder von unter Punkt 6a oder 6b genannten Personen geboren oder von diesen Personen rechtmäßig adoptiert und erfüllen zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nach Teil Zwei des Austrittsabkommens um Aufenthalt ersuchen, um der unter Punkt 6a oder 6b genannten Person nachzuziehen, die Voraussetzung des Art. 2 Nr. 2 lit. c der Richtlinie 2004/38/EG sowie eine der folgenden Voraussetzungen:

  • beide Eltern sind unter den unter Punkt 6a oder 6b genannten Personen,
  • der eine Elternteil ist eine der unter Punkt 6a oder 6b genannte Person, der andere besitzt die Staatsangehörigkeit des Aufnahmestaats, oder
  • der eine Elternteil ist eine der unter Punkt 6a oder 6b genannten Person und hat im Einklang mit den anwendbaren Vorschriften des Familienrechts eines Mitgliedstaats oder des Vereinigten Königreichs, einschließlich der anwendbaren Vorschriften des Internationalen Privatrechts, nach denen das nach dem Recht eines Drittstaats begründete Sorgerecht in dem Mitgliedstaat oder im Vereinigten Königreich insbesondere im Hinblick auf das Kindeswohl anerkannt wird, und unbeschadet der normalen Wirkung dieser anwendbaren Vorschriften des Internationalen Privatrechts das alleinige oder gemeinsame Sorgerecht für das Kind.

8.     Familienangehörige, die vor Ende des Übergangszeitraums im Einklang mit den Artikeln 12 und 13, Art. 19 Abs. 2 und den Artikeln 17 und 18 der Richtlinie 2004/38/EG im Aufnahmestaat gewohnt haben und danach weiter dort wohnen (Erwerb eines eigenständigen Aufenthaltsrechts).


Für die unter den Punkten 6-8 genannten Personen ist das EU-Recht zeitlich unbeschränkt anzuwenden, solange sie weiterhin nach Art. 13 des Austrittsabkommens ein Recht zum Aufenthalt oder nach Art. 24 oder 25 AA ein Recht zur Arbeitserbringung im Aufnahmestaat haben.


II. Personen, für die das EU-Recht weiterhin eingeschränkt anwendbar bleibt

In Art. 32 des Austrittsabkommens sind jene erfassten Sonderfälle angeführt, die Personen betreffen, die nicht oder nicht mehr in den Anwendungsbereich von Art. 30 des Austrittsabkommens fallen, ihre sich aus den Rechtsvorschriften zur Koordinierung der sozialen Sicherheit ergebenden Ansprüche jedoch geschützt werden müssen.

Es handelt sich dabei um die folgenden Bestimmungen des EU-Rechts:

  • die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten,
  • die Leistungen bei Krankheit,
  • den vorübergehenden Aufenthalt,
  • die geplanten Behandlungen,
  • die Familienleistungen sowie
  • die Rückerstattung, den Ausgleich und die Beitreibung.

 

Zusammenrechnung der Versicherungszeiten

Gilt für folgende Personen:

a)  Unionsbürger sowie Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort in einem Mitgliedstaat und Drittstaatsangehörige, die die Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 859/2003 erfüllen, und die vor Ende des Übergangszeitraums den Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs unterlagen, sowie ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen

b)  Britische Staatsangehörige sowie Staatenlose und Flüchtlinge mit Wohnort im Vereinigten Königreich und Drittstaatsangehörige, die die Voraussetzungen der VO (EG) Nr. 859/2003 erfüllen und die vor Ende des Übergangszeitraums den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats unterlagen, sowie ihre Familienangehörigen und Hinterbliebenen.

Es werden alle Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten nach der VO (EG) Nr. 883/2004 berücksichtigt, die vor und nach Ende des Übergangszeitraums erworben wurden! Diese Regelung gilt für alle Zweige der sozialen Sicherheit (z. B. Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung).


Beispiel:

Britischer Staatsangehöriger wohnt und arbeitet bis 10/2020 in Österreich. Im 11/2020 verlegt er seinen Wohnsitz ins Vereinigte Königreich und nimmt dort 03/2021 eine Erwerbstätigkeit auf. Er hat von 01/1980-12/2000 und von 03/2021-06/2022 Versicherungszeiten im Vereinigten Königreich und von 01/2001-10/2020 Versicherungszeiten in Österreich erworben.
Im Jahr 2022 erreicht er das Anfallsalter für eine österreichische Pension.
Im Jahr 2023 erreicht er das Anfallsalter für eine britische Pension.


Für den Anspruch und die Berechnung der österreichischen Pension im Jahr 2022 sowie der britischen Pension im Jahr 2023 sind alle österreichischen und britischen Versicherungszeiten vor und nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU zu berücksichtigen.


Leistungen bei Krankheit

Auf Personen, die Leistungen aufgrund der vorgenannten Zusammenrechnung der Versicherungszeiten erhalten, findet Titel III Kapitel 1 der VO (EG) Nr. 883/2004 in Bezug auf Leistungen bei Krankheit Anwendung. Leistungen bei Mutterschaft und gleichgestellte Leistungen bei Vaterschaft sind nicht erfasst!


Beispiel:

Angaben siehe voriges Beispiel. Die Person bezieht 2022 nur eine österreichische Pension, wohnt im Vereinigten Königreich und ist dort nicht mehr erwerbstätig.

Nach Art. 24 der VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegt die Person der österreichischen Krankenver-sicherung. Österreich ist für die Leistungen bei Krankheit zuständig.

Im Jahr 2023 wird eine britische Pension zuerkannt. Die Person bezieht nunmehr eine österreichische und britische Pension; der Wohnsitz liegt im Vereinigten Königreich.

Ab Zuerkennung der britischen Pension unterliegt die Person nach Art. 23 der VO (EG) Nr. 883/2004 der britischen Krankenversicherung. Ab diesem Zeitpunkt ist das Vereinigte Königreich für die Leistungen bei Krankheit zuständig.



Vorübergehender Aufenthalt

Die Vorschriften des Art. 19 und 27 der VO (EG) Nr. 883/2004 betreffend die aushilfsweise Sachleistungsgewährung bei einem vorübergehenden Aufenthalt außerhalb des zuständigen Mitgliedstaats sind auf Personen, die sich am Ende des Übergangszeitraums vorübergehend im Vereinigten Königreich oder in einem Mitgliedstaat aufhalten, bis zum Ende ihres Aufenthalts weiter anzuwenden.

Auch die nach dem EU-Recht vorgesehenen Erstattungsverfahren sind anwendbar.


Beispiel:

Britischer Versicherter verbringt seinen Urlaub vom 20.12.2020-6.1.2021 in Österreich.

Er hat am 4.1.2021 einen Unfall und benötigt ärztliche Hilfe.

Da er sich am 31.12.2020 vorübergehend in Österreich aufgehalten hat, kann er die aufgrund des Unfalls am 4.1.2021 benötigten Leistungen aus der Krankenversicherung (z. B. Arzt, Medikament, Krankenhausbehandlung) wie ein österreichischer Versicherter erhalten. Die entstandenen Kosten werden dem zuständigen britischen Sozialversicherungsträger in Rechnung gestellt. Der Versicherte hat nur allfällig vorgesehene Selbstbehalte (z. B. Rezeptgebühr) zu zahlen.

Aber Achtung: Diese Regelung gilt nur im Verhältnis zu jenem Staat, in dem sich die Person am 31.12.2020 aufgehalten hat.

Am 10.1.2021 reist er für 5 Tage nach Deutschland weiter und muss am 12.1.2021 einen Zahnarzt aufsuchen.

Da er sich am 31.12.2020 nicht vorübergehend in Deutschland aufgehalten hat, ist in diesem Fall das EU-Recht nicht mehr anwendbar. Die Person muss die Kosten als Privatpatient selbst bezahlen.


Geplante Behandlung

Die Bestimmungen des Art. 20 und 27 der VO (EG) Nr. 883/2004 betreffend die geplante Behandlung finden auf Personen, die vor Ende des Übergangszeitraums eine geplante Behandlung nach der VO (EG) Nr. 883/2004 begonnen oder zumindest die Genehmigung beantragt hatten, eine medizinische geplante Behandlung zu erhalten, bis zum Ende der Behandlung weiter Anwendung.


Rückerstattung, Ausgleich und Beitreibung

Die diesbezüglichen Bestimmungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und Nr. 987/2009 sind auf Ereignisse weiter anzuwenden, wenn diese

a)  vor Ende des Übergangszeitraums aufgetreten sind und sich auf Personen beziehen, die nicht unter Art. 30 des Austrittsabkommens fallen oder

b)  nach Ende des Übergangszeitraums aufgetreten sind und sich auf Personen beziehen, die zum Zeitpunkt des Auftretens des Ereignisses unter Art. 30 oder 32 des Austrittsabkommens fallen.

Der Begriff „Ereignis“ ist weit auszulegen und bezieht sich z. B. auf erbrachte Sachleistungen, ausgezahlte Geldleistungen, gezahlte sowie noch nicht gezahlte, aber kurz vor dem Ende des Übergangszeitraums fällig werdende Beträge.

III. Personen, für die das EU-Recht nicht mehr anwendbar bleibt

Sofern kein neues Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich geschlossen wird, das auch die Koordinierung der sozialen Sicherheit beinhaltet, ist in allen anderen, als den vorgenannten Fällen ab dem 1.1.2021 nur noch das jeweilige nationale Recht maßgeblich.


Zuletzt aktualisiert am 20. Januar 2021