1,9 Millionen Österreicher:innen leiden an Rückenschmerzen, dem Volksleiden Nummer eins. Die möglichen Ursachen sind vielfältig – Verspannungen, Bandscheibenprobleme, Arthrose und vieles mehr. An eine weitere Möglichkeit denkt man oft im ersten Augenblick oft nicht: An einen Wirbeleinbruch infolge von Osteoporose.
Osteoporose ist eine Stoffwechselerkrankung der Knochen, bei der langsam und stetig Knochengewebe abgebaut wird (Knochenschwund). Der Knochen verliert an Masse, Stabilität und Festigkeit. Er wird porös und kann bei fortgeschrittener Erkrankung schon bei geringem Anlass brechen. „Bereits ein schwungvolles Hinsetzen oder das Tragen einer schweren Einkaufstasche kann dann einen Wirbelkörpereinbruch auslösen“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Daniel Cejka, Facharzt für Innere Medizin und Osteoporosespezialist am Ordensklinikum Linz Elisabethinen.
Schmerzen durch Wirbeleinbruch
Osteoporose an sich erzeugt keine Beschwerden, auch nicht im Rücken. Rückenschmerzen können (müssen aber nicht) erst dann auftreten, wenn es zu einem Einbruch eines Wirbels kommt. Typisch bei einem Wirbeleinbruch infolge Osteoporose sind lokale stechende oder brennende Schmerzen. Sie treten am Ort des Bruches auf und strahlen meist nicht in entfernte Körperregionen aus – es sei denn, dass eine Knochen-Absplitterung einen Nerv berührt. In diesem Fall können Schmerzen wie bei einem Bandscheibenvorfall auftreten, die in die Beine ausstrahlen.
Wirbel sackt in sich zusammen
Im Falle eines von Osteoporose bedingten Wirbeleinbruches sackt der Wirbel nach und nach in sich zusammen. Es erfolgt kein glatter Bruch, sondern ein „in sich Zusammensinken“ des Wirbels. Man kann sich einen gebrochenen Wirbelkörper wie eine Art Schwamm vorstellen, der immer weiter zusammengedrückt wird. Der Wirbelkörper kann waagrecht oder keilförmig zusammensacken, oder auch eine andere Form annehmen.
Dieser Vorgang kann sich über Wochen und sogar Monate ziehen. Bei jedem Absacken können (vor allem stechende) Schmerzen entstehen. Ist der Prozess des Sinkens beendet, sind die Schmerzen entweder zu Ende oder aber sie chronifizieren und bleiben zu einem gewissen Grad bestehen. „Warum bei den einen die Schmerzen verschwinden und bei anderen nicht, ist nicht gut vorhersagbar. Es dürfte damit zusammenhängen, auf welche Weise der Wirbel absackt. Geschieht es keilförmig, krümmt sich die Wirbelsäule nach vorne und der gesamte Bewegungsapparat kommt aus dem Lot, woraus dauerhafte Schmerzen entstehen können. Sackt er ‚schön gerade‘ in seiner Ache ab, verschwinden die Schmerzen häufig wieder“, erklärt Cejka.
Diagnose: Woher stammen die Schmerzen?
Um herauszufinden, ob die Rückenschmerzen Folge eines Wirbelbruchs sind, erfolgt zunächst ein Anamnese-Gespräch und eine körperliche Untersuchung. Mittels Differenzialdiagnose werden durch Röntgen oder Magnetresonanztomographie der Wirbelsäule andere mögliche Ursachen der Rückenschmerzen ausgeschlossen. Das sind im Wesentlichen: Arthrosen (hier erzeugen abgenützte Knorpel die Schmerzen) und Bandscheibenvorfälle in der Wirbelsäule (die Schmerzen entstehen meist durch Druck auf einen Nerv; die Schmerzen strahlen in der Regel ins Bein – oft bis in den Fuß – aus).
Wirbelbrüche erkennt man auch daran, dass im Falle eines hochgradigen Einbruchs (Reduzierung auf die Hälfte oder gar ein Drittel der ursprünglichen Höhe) eines oder mehrerer Wirbel, merklich Körpergröße verloren geht. Es kann zudem zu einer deutlichen Krümmung nach vorne kommen (sogenannter „Witwenbuckel“). Eine solche Fehlhaltung belastet Sehnen und Bänder und andere Wirbel stark, und potenziert vorhandene Schmerzen.
Mehrteilige Therapie
Eine optimale Therapie gewährleistet, dass sich der Krankheitsverlauf der Osteoporose verlangsamt und idealerweise zum Stillstand kommt. Bei einem bereits eingetretenen Wirbelbruch gilt es weitere Frakturen zu verhindern. Folgendes sollte man beachten:
- Schmerzen behandeln: Akute Schmerzen müssen ausreichend behandelt werden; auch um eine Chronifizierung zu vermeiden, die entstehen kann, wenn die Schmerzen über lange Zeit hinweg andauern.
- Vitamin D, Calcium und Vitamin K2: Eine ausreichende Versorgung mit Vitamin D und Calcium bildet die Basis jeder Osteoporose-Behandlung. Bei Bedarf sollten Supplemente verordnet werden. Vor allem an Vitamin D herrscht in vielen Fällen ein deutlicher Mangel. Zusätzlich kann die Einnahme von Vitamin K2 die Stabilität der Knochen verbessern und somit vor Frakturen schützen. „Vitamin K2 kann aber keinesfalls die zentrale Rolle von Calcium und Vitamin D für die Vermeidung von Knochenbrüchen ersetzen“, sagt Cejka.
- Medikamentöse Therapie unabdingbar: Bei bereits aufgetretenen Frakturen wie Wirbeleinbrüchen sollte unbedingt auch medikamentös behandelt werden. Es stehen mehrere gut wirksame und sichere Wirkstoffe zur Verfügung:
- Bisphosphonate: Sie hemmen den Knochen-Abbau; die Knochendichte steigt an, und es kommt zu einer deutlichen Verminderung neuer Knochenbrüche.
- Denosumab: Ist ein Antiköper, der die Aktivität der Knochen-Fresszellen (Osteoclasten) stark hemmt oder sogar stoppen kann. Auch hier steigt die Knochendichte an.
- Teriparatid: Wirkt über Aktivierung von Knochen-Bildungszellen (Osteoblasten) deutlich Knochen aufbauend. Teriparatid wird als Spritze verabreicht und wird bei stark ausgeprägter Osteoporose eingesetzt.
„Die verfügbaren Medikamente sind sehr wirksam. Sie verhindern weitere Frakturen um etwa 60 bis 80 Prozent“, so Cejka.
- Operation nur in Ausnahmefällen: Eingebrochene Wirbelkörper können grundsätzlich durch eine Operation stabilisiert oder auch wiederaufgerichtet werden (sogenannte Vertebroplastie/Kyphoplastie). In den allermeisten Fällen ist ein solcher Eingriff jedoch weder notwendig noch sinnvoll, da eine Behandlung der Schmerzen und Körperhaltung mittels Medikamente und Physiotherapie mindestens ebenbürtig ist. Ausnahme: Wenn Knochen-Bruchstücke auf Nerven drücken, kann eine Operation notwendig sein.
Achtung Unter- und Überbehandlung!
Sehr viele Osteoporose-Patient:innen erhalten in Österreich keine adäquate Therapie. „Das ist desaströs, da durch eine Therapie weitere Brüche effektiv verhindert werden können. Andererseits gibt es auch viele Patienten, die überbehandelt werden. Die einen haben zu viel Therapie, die anderen zu wenig. Das Um und Auf bei der Therapieentscheidung ist die korrekte Risikoeinschätzung anhand der Knochendichte, Begleiterkrankungen und Risikofaktoren“, sagt Cejka.
Unterbehandlung: Liegt bereits ein osteoporotischer Bruch vor, ist die Gabe von Vitamin D und Calcium keinesfalls ausreichend. Hier braucht es jedenfalls auch eine medikamentöse Therapie. Alles andere wäre eine Unterbehandlung, die man unbedingt vermeiden sollte.
Überbehandlung: Häufig erfolgt bei einer Osteoporose-Diagnose eine überschießende Therapie, nämlich wenn das Knochenbruchrisiko noch sehr gering ist. „Das ist oft dann der Fall, wenn bei relativ jungen Patienten, beispielsweise um die 50 Jahre, anhand einer Knochendichtemessung die Diagnose Osteoporose gestellt wurde, noch kein Knochenbruch vorliegt und keine besonderen Risikofaktoren bestehen. In diesen Fällen werden Medikamente häufig zu früh verschrieben, was man jedoch vermeiden sollte angesichts der Tatsache, dass die Patienten die Medikamente dann oft Jahre oder gar jahrzehntelang einnehmen, ohne dass es wirklich nötig wäre“, gibt Cejka zu bedenken.
Schonung nach Wirbelbruch
In den ersten drei bis sechs Monaten nach einem Wirbelbruch sollte man sich körperlich schonen und keine kräftigende Physiotherapie oder Sport machen. Man sollte warten, bis sich der Wirbel gesetzt und stabilisiert hat und die Schmerzen weg sind. In vielen Fällen erweist sich das Tragen eines Mieders als hilfreich, denn es dient der Stabilisierung. „Wenn ein Wirbelkörper einbricht, muss man abwarten, bis dieser Prozess abgeschlossen ist. Der Wirbelkörper wird zwar nicht wieder neu aufgebaut und bleibt in der zusammengesackten Version bestehen, doch die Strukturen werden durch Knochenerneuerung quasi neu verkittet und stabilisiert“, sagt der Mediziner.
Kräftigendes Training
Erst ein halbes Jahr nach dem Wirbelbruch kann und soll man mit gezielter Bewegungstherapie beginnen, die auf die Kräftigung der Knochensubstanz, also auf einen Knochenaufbau abzielt. Reines Ausdauertraining hilft wenig, wichtig ist Krafttraining, das die Knochen belastet (Krankengymnastik/Physiotherapie oder Training mittels Therabändern etc.). Durch Verbesserung der Muskelkraft und der Koordination lässt sich das Sturzrisiko und damit die Wahrscheinlichkeit neuer Frakturen verringern. „Eine hervorragende Therapiemöglichkeit ist das Sturzpräventions-Training der ÖGK. Dabei werden Gleichgewicht, Kraft und Reaktionsvermögen gezielt trainiert. Für Menschen ab dem circa 70. Lebensjahr übernimmt dabei die ÖGK die Kosten“ sagt Cejka.
Vorbeugung
Frauen um die Wechseljahre sollten sich mittels Knochendichtemessung bezüglich einer möglichen Osteoporose abklären lassen. Bei Männern ist eine erste Abklärung ab circa 65 Jahren sinnvoll. „Osteoporose ist entgegen einer weit verbreiteten Annahme keine Frauenkrankheit. Auch Männer sind davon betroffen, jedoch zeitverzögert um zehn bis fünfzehn Jahre. Die Zahl der Diagnosen bei Männern steigt stark an, vermutlich, weil die durchschnittliche Lebensdauer stetig zunimmt“, erklärt Cejka.
Zudem sollte man seinen Vitamin D-Wert kennen und bei Mangel ein Vitamin D-Supplement einnehmen. Gesunde Ernährung, ein sportlicher Lebensstil, viel Bewegung und auch Kraftsport halten die Knochen gesund und können Osteoporose und mögliche Brüche deutlich verzögern oder verhindern.
Dr. Thomas Hartl
Jänner 2022
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