DRUCKEN
Schrittmacher und Defis: High-Tech-Helfer gegen den Herztod

Schrittmacher und Defis: High-Tech-Helfer gegen den Herztod

Schlägt das Herz viel zu schnell oder zu langsam und spielt der Rhythmus verrückt, weil das Reizleitungssystem geschädigt ist, kann ein implantierbarer elektronischer Taktgeber Symptome und Lebensqualität verbessern. Jährlich werden weltweit Millionen Herzschrittmacher und Defibrillatoren eingesetzt, um das Herz zu stimulieren, zu unterstützen und Menschen vor dem plötzlichen Herztod zu schützen. 

Was in den 1950er beziehungsweise 1970er Jahren als revolutionär in der Kardiologie galt, ist heute Standard. Das Einsetzen von Herzschrittmachern (HSM) und implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) gehört zu den häufigsten Eingriffen in der Kardiologie. Zwischen 8.000 und 10.000 Schrittmacher und etwa 1.500 Defis werden pro Jahr in Österreich implantiert.

Unterstützung für langsames Herz

Schlägt unser Herz im Sinusrhythmus ist alles in Ordnung. Der Sinusknoten sorgt für den natürlichen Takt des Herzens und gibt über das sogenannte Reizleitungssystem im Schnitt 50 bis 80 Mal pro Minute einen kleinen elektrischen Impuls an den Herzmuskel ab, was zur synchronen Kontraktion führt. Alter und Trainingszustand des Menschen nehmen Einfluss auf die Herzfrequenz. „Im Alter kann das Reizleitungssystem Schäden oder Abnutzungserscheinungen zeigen, mit der Folge, dass sich der Puls auf bis zu 30 Schläge pro Minute verlangsamt. Eine Rhythmusstörung, bei der das Herz zu langsam schlägt, nennt man Bradykardie. Die Symptome reichen von Schwindel bis zu kurzer Bewusstlosigkeit, Synkope genannt. Das erhöht die Sturzgefahr, was bei Senioren fatale Folgen haben kann“, erklärt Primar Priv.-Doz. Dr. Clemens Steinwender, Vorstand der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin im Kepler Universitätsklinikum Linz.  

Ein implantierter Schrittmacher kontrolliert den Herzschlag. Fällt dieser unter die programmierte Frequenz beziehungsweise setzt der Herzschlag für mehr als drei Sekunden aus, gibt er einen oder mehrere elektrische Impulse zur Stimulation des Herzens ab.  

Bis ins hohe Alter

Die Geräte werden immer kleiner und die wenig belastende Methode des Implantierens macht es möglich, sie bis ins hohe Alter einzubringen. Die Indikation für einen HSM wird immer individuell gestellt. Symptome und Lebensqualität spielen dabei eine wesentliche Rolle. Primar Clemens Steinwender nennt verschiedene Gründe für bradykarde Rhythmusstörungen: „Erkrankungen wie das Sick-Sinus-Syndrom mit Schädigung im Bereich des Sinusknotens, ein Schenkelblock oder AV-Block, beides Begriffe, die bestimmte Schädigungen im Erregungsleitungssystem beschreiben und das langsame Vorhofflimmern. Im schlimmsten Fall droht ohne Schrittmacher ein Herzstillstand.“

Kleiner als eine Zündholzschachtel

Ein Schrittmacher besteht aus dem Impulsgeber, einem batteriebetriebenen Gerät und Sonden, die elektrische Impulse zum Herzen und Signale des Herzens wieder zum Impulsgeber zurückleiten. Eingesetzt wird er meist in örtlicher Betäubung.  Der Patient kann im Normalfall schon am Tag nach der Implantation das Krankenhaus verlassen.  

Moderne Geräte wiegen nur 20 bis 30 Gramm, sind etwa fünf mal fünf Zentimeter groß und sieben Millimeter dick. Der Schrittmacher wird im Brustbereich unter dem linken Schlüsselbein unter die Haut verpflanzt, die Sonden werden über die obere Hohlvene ins Herz geführt oder über eine seitliche Herzvene am Herzen platziert. Je nachdem, welche Unterstützung benötigt wird, arbeitet der HSM mit ein, zwei oder drei Sonden im Herzen. Man spricht dann von Ein-, Zwei- oder Dreikammersystem.  

Resynchronisation bei Herzschwäche

Wenn mit der langsamen Rhythmusstörung auch eine ausgeprägte Herzschwäche einhergeht, kommt ein Dreikammer-Schrittmacher zum Einsatz. Hierbei werden nicht nur rechte Kammer und Vorhof mit je einer Elektrode versorgt, sondern es wird eine dritte Sonde über eine seitliche Herzvene an die linke Kammer gelegt. Ziel ist, die Synchronität der Kammern, die bei einer chronischen Pumpschwäche verloren gehen kann, wiederherzustellen und damit die Herzleistung zu verbessern. „Man spricht dann von einer kardialen Resynchronisationstherapie mittels CRT-Schrittmacher, die Symptome der Herzschwäche wie Leistungsabfall, rasche Ermüdung, Atemnot bei leichter körperlicher Belastung und Wasseransammlung in Lunge oder Beinen verbessert“, sagt Kardiologe Clemens Steinwender. Je nach Krankheit kommen für die Behandlung zur Resynchronisation auch implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD-CRT) in Frage.  

Insuffizienz verhindern

Die Versorgung mit einem HSM birgt auf Jahre gesehen bei manchen Patienten ebenfalls das Risiko für eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Durch das Einsetzen eines sogenannten HIS-Bündel-Schrittmachers wird diese Gefahr minimiert. Seit rund zwei Jahren werden in Österreich derartige Geräte implantiert. Das Innovative daran ist, dass diese Geräte das herzeigene Reiz-Leitungssystem, sprich das HIS-Bündel stimuliert und somit eine natürliche Reizausbreitung wie im gesunden Herzen auslöst. „Die Herausforderung besteht darin, den Schrittmacher im HIS-Bündel, diesem wenige Millimeter großen Areal von spezialisierten Herzmuskelzellen in der Herzscheidewand zwischen Vorhöfen und Kammern, zu verankern. Das erfordert komplexe Technik und Erfahrung des Operateurs“, erklärt Doz. Dr. Steinwender. 

Sondenlose Geräte

Neben Infektionen gehören Probleme mit den Sonden zu den häufigsten Komplikationen, die bei Schrittmachern in etwa zehn Prozent der Fälle auftreten können. Selten müssen zum Beispiel gebrochene Sonden in aufwändigen Herzoperationen entfernt und getauscht werden. Seit einigen Jahren kommen sondenlose HSM zum Einsatz, die weniger Komplikationen verursachen. „Rund 25 Prozent der Patienten, meist ältere Menschen ohne Herzschwäche, profitieren von diesen Geräten. Das weltweit erste sondenlose Gerät wurde 2013 am Kepler Universitätsklinikum in Linz über einen Katheter in der Leiste direkt in die rechte Kammer eingesetzt. Moderne Geräte sind nur so groß wie eine Euro-Münze“, sagt der Linzer Kardiologe. Der Nachteil ist, dass sondenlose HSM für eine HIS-Bündel-Stimulierung nicht geeignet sind.

Stundenlanges Handytelefonieren vermeiden

Wer einen HSM implantiert bekommen hat, kann nach Absprache mit dem Arzt seinen Alltag samt sportlicher Aktivität langsam wieder aufnehmen. Sportarten mit großer Sturzgefahr oder wo Schläge gegen die Brust drohen, sollte man meiden. Ein Schrittmacherausweis muss immer mitgetragen werden. Mit modernen Geräten sind auch MRT-Untersuchungen möglich.

Nur mehr sehr starke elektromagnetische Felder können eventuell die Funktion von HSR und ICD beeinträchtigen. Daher sollte zu diversen elektrischen Geräten ein Sicherheitsabstand gehalten werden:

  • 15 cm Abstand zu Mobiltelefon, WLAN-Router, Funksender, Fön, Rasierapparat. Handy nicht in der Brusttasche aufbewahren. Von langem Handytelefonieren wird abgeraten.
  • 30 cm Abstand zu Bohrmaschine, Kettensäge, Schweißgerät
  • 60 cm Abstand zu Induktionskochfeld im Haushalt
  • Beim Reisen keine Metalldetektoren durchschreiten. 


Die Lithium-Batterien der Geräte sind je nach Stimulationsabgabe rund acht bis zwölf Jahre haltbar. „Die Funktion des Gerätes und der Batterie, sowie ob die programmieten Parameter noch stimmig sind, werden bei Nachkontrollen über einen am Generator angebrachten Abfragekopf telemetrisch abgelesen. Zunehmend werden diese Abfragen auch aus der Ferne abgewickelt. Gerade zu Coronazeiten wurde diese Möglichkeit vermehrt genutzt, um etwa alten Menschen die Fahrt in das Krankenhaus zu ersparen“, erzählt Primar Steinwender. Ist die Batterie erschöpft, wird in örtlicher Betäubung das ganze Gerät ersetzt, die Sonden bleiben an ihrem Platz. „Ich denke, irgendwann wird es möglich sein, dass man die Batterie von außen auflädt“, hofft der Linzer Kardiologe.

Lebensbedrohliche Rhythmusstörungen

Patienten mit Kammerflimmern, also einem viel zu schnellen Herzschlag, droht der plötzliche Herztod. Mit einem rasch verabreichten Elektroschock entweder durch einen Defibrillator von außen oder einen ICD kann in den meisten Fällen Leben gerettet werden. Hauptindikation für einen ICD sind lebensbedrohliche Rhythmusstörungen, sogenannte tachykarde Rhythmusstörungen, bei denen das Herz mit bis zu 300 und mehr Kontraktionen pro Minute „flimmert“. 

„Hauptzielgruppe für die Implantation sind Patienten, die schon einen Herzinfarkt überlebt haben oder bei denen lebensbedrohliche Rhythmusstörungen bekannt sind. Wer an einer symptomatischen hochgradigen Herzschwäche oder an einer angeborenen Herzerkrankung mit Risiko für Kammerflimmern leidet, kann ebenfalls von einem ICD profitieren“, so der Kardiologe. 

Erkennt das Gerät eine bedrohliche Rhythmusstörung, gibt es einen starken elektrischen Impuls ab, um das Herz in den Sinusrhythmus zurückzukatapultieren.

Programmierung und Wartung des ICD funktionieren ähnlich wie beim Schrittmacher. Die Batterie eines implantierbaren Defi hält je nach Gerät und Anzahl der ausgelösten Impulse bis zu zehn Jahre.  

Ein ICD ist etwas größer als ein HSM und wird direkt unter die Haut im linken Schulterbereich unter dem Schlüsselbein eingebracht, die Sonden über die Gefäße im Herzen platziert. Wie beim Schrittmacher gibt es Ein-, Zwei- oder Dreikammersysteme. „Ein ICD besitzt zusätzlich auch eine Schrittmacherfunktion. Manchmal kommt es nach dem abgegebenen Elektroschock vorübergehend zu einer langsamen Rhythmusstörung, die dann damit behoben wird“, erklärt Clemens Steinwender.

Sonden unter der Haut

Manchen Patienten kann ein subkutaner ICD (S-ICD) direkt unter die Haut seitlich auf dem Brustkorb eingesetzt werden. „Auch die Elektroden liegen außerhalb des Herzens, was den Vorteil hat, dass Sonden bei Komplikationen leichter getauscht werden können. Der Nachteil ist, dass ein subkutaner ICD keine Schrittmacherfunktion hat und somit nicht für eine Resynchronisationstherapie bei Herzschwäche geeignet ist. Subkutane Defis werden eher jüngeren und sportlich aktiven Menschen eingesetzt – etwa bei genetischen Herzerkrankungen. Geräte ohne Sonden wie beim Schrittmacher gibt es bei implantierbaren Defis nicht“, sagt Primar Steinwender.

Die meisten Patienten gewöhnen sich rasch an die kleinen implantierbaren High-Tech-Helfer des Herzens, fühlen sich mit ihnen sicher und freuen sich über die gewonnene Lebensqualität.


Mag. Christine Radmayr
Jänner 2023


Bild: ChooChin/shutterstock.com




Zuletzt aktualisiert am 23. Januar 2023