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Der Schmerz nach der Gürtelrose

Der Schmerz nach der Gürtelrose

Die Post-Zoster-Neuralgie ist eine häufige Komplikation einer Infektion mit Herpes Zoster (Gürtelrose). Sie tritt bei rund jedem zehnten Gürtelrose-Patienten auf und ist sehr schmerzhaft. Eine frühzeitige Therapie ist ebenso wichtig wie Geduld. 

Bei der Post-Zoster-Neuralgie handelt es sich um Nervenschmerzen, die nach einer Gürtelrose auftreten können. Diese Neuralgie tritt jedoch nur bei einem Teil der Gürtelrose-Patienten auf –  etwa bei jedem zehnten. 

Windpocken als Vorläufer 

Die Gürtelrose ist eine Infektionskrankheit, die Haut und Nerven betrifft. Auslöser ist das Varicella-Zoster-Virus aus der Gruppe der Herpesviren. Dieses Virus ist auch der Erreger der Windpocken. Eine Gürtelrose tritt nur bei Menschen auf, die bereits Windpocken hatten. Nach einer überstandenen Windpocken-Erkrankung (welche meist im Kindergartenalter erfolgt) bleibt ein Teil der Erreger im Körper inaktiv, aber lebensfähig. Diese Viren können nach vielen Jahren wieder reaktiviert werden, etwa wegen eines geschwächten Immunsystems. Sie können dann eine Gürtelrose verursachen, woraus sich eine Neuralgie entwickeln kann.  

Ansteckungsgefahr 

Gürtelrose tritt jedoch nicht nur als Reaktivierung des Virus auf, man kann sich auch damit infizieren. Patienten mit Gürtelrose können Windpocken-Viren mittels Schmierinfektion auf andere Personen übertragen. Erst wenn die Bläschen zu Schorf umgewandelt sind, ist die Infektionsgefahr vorbei. „Solange der Ausschlag blüht und Bläschen vorhanden sind, muss man aufpassen, dass man niemanden ansteckt. Man sollte Hautkontakt vermeiden und im selben Haushalt sollte man unbedingt ein eigenes Handtuch verwenden“, sagt Priv.-Doz. Dr. Christopher Gonano, Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Wien. 

Gürtelrose und Neuralgie 

Der Ausschlag der Gürtelrose betrifft meist nur ein einzelnes Hautsegment, bevorzugt im Rumpf-, Gesicht-, Hals- oder Schulterbereich. Zunächst kommt es meist zu einem Brennen an diesen Stellen, danach bilden sich flüssigkeitsgefüllte Bläschen. Nach zwei bis vier Wochen heilt die Gürtelrose bei entsprechender lokaler und antiviraler Behandlung wieder ab.  

Tritt eine Post-Zoster-Neuralgie auf, geschieht das mehrere Wochen bis wenige Monate nach dem Abheilen der Bläschen. Es kommt zu einer Entzündung von Nerven, die vermutlich durch das Varizella-Zoster-Virus geschädigt wurden. Die Schmerzen zeigen sich in jenem Bereich, wo sich während der Gürtelrose die Bläschen befunden haben.  

Alter als Risikofaktor 

Das Risiko, nach einer Gürtelrose eine Post-Zoster-Neuralgie zu entwickeln, steigt mit dem Alter. Rund die Hälfte der Erkrankungsfälle treten nach dem 50. Lebensjahr auf. Weitere Risikofaktoren für gehäuftes Auftreten der Neuralgie sind Rauchen, starker Alkoholkonsum und Chemotherapie.  

Nach einer Gürtelrose-Infektion kann man die Post-Zoster-Neuralgie nicht vorbeugend verhindern. Wurde die Gürtelrose frühzeitig mit Virostatika therapiert, sinkt immerhin die Wahrscheinlichkeit einer Neuralgie. „Während der Gürtelrose Kortison einzunehmen, um eine Neuralgie vorzubeugen, hat dagegen keinen Sinn“, sagt Schmerzmediziner Christopher Gonano. 

Brennend und stechend 

Bei der Post-Zoster-Neuralgie handelt sich um Nervenschmerzen, die durch eine Schädigung der Nervenfasern hervorgerufen werden. Mehrere Schmerzformen sind möglich: Die Schmerzen können punktuell sein oder über Stunden bis Tage andauern. Die Qualität der Schmerzen reicht von einschießend wie elektrische Schläge, stechend wie Nadeln bis zum lästigen Brennen. 

Oft kommt es auch zu heftigen Berührungsschmerzen. „Schon ein sanftes Streichen über das betroffene Hautareal oder engsitzende Kleidung, etwa ein Hosenbund, kann zu massiven Schmerzen führen. Ein festes Zupacken dagegen wird als weniger schmerzhaft empfunden“, berichtet Dr. Gonano. 

Virenlast entscheidend 

Wie stark die Schmerzen auftreten, wird von der Virenlast der vorangegangenen Zoster-Infektion beeinflusst. Je stärker der Ausschlag geblüht hat, desto größer dürfte die Gefahr einer ausgeprägten Neuralgie sein. Aber: Nicht jede Gürtelrose bildet Bläschen und ist daher optisch zu sehen. Dennoch kann sich auch in diesen Fällen eine Neuralgie bilden.  

Die Ausprägung der Schmerzen wird auch durch die Psyche beeinflusst. „Die Erkrankung stresst die Menschen und Stress in jeder Form erhöht das Schmerzempfinden. Das gilt für alle Schmerzen, egal welchen Ursprungs. Die emotionale Bewertung der Situation erhöht oder vermindert das subjektive Leid. Schmerzlindernd dagegen wirkt jede Form der Entspannung“, sagt der Arzt. 

Verlauf und Prognose 

Die Post-Zoster-Schmerzen sind häufig stark bis sehr stark ausgeprägt. Oft leiden die Betroffenen auch unter quälendem Juckreiz. Wurde die vorangegangene Gürtelrose-Infektion frühzeitig mit Virostatika therapiert, fallen die späteren Nervenschmerzen leichter und kürzer aus, als wenn diese Medikamente nicht verabreicht wurden. 

Je früher im Falle einer Neuralgie eine adäquate Schmerztherapie einsetzt, desto besser ist der Verlauf und desto geringer das Risiko einer dauerhaften Schmerzerkrankung. Je später man beginnt, desto länger halten die Schmerzen an. Ohne Therapie kann die Neuralgie einige Monate oder sogar Jahre andauern. Im schlimmsten Fall werden die Schmerzen chronisch und bestehen in abgeschwächter Form ein Leben lang. 

Geduld bei der Therapie

Ziel der Behandlung ist es, die Schmerzen zu lindern, die Dauer der Nervenschmerzen zu verkürzen und die Lebensqualität zu verbessern. Für die Therapie gilt vor allem eines: Geduld! Die Behandlung dauert einige Wochen oder sogar Monate, je nach Ausprägung der Neuralgie. „Patienten sollten daher kein Doctor-Shopping betreiben, es bringt nichts, von einem Arzt zum nächsten zu laufen, denn es dauert einfach seine Zeit, bis die Therapie wirkt und die Schmerzen nachlassen“, sagt Dr. Gonano.  

Therapieoptionen 

Die Therapie richtet sich nach der Schwere der Schmerzen. Bei ausgeprägten Nervenschmerzen sind herkömmliche Schmerzmittel weitgehend wirkungslos. Folgende Therapiemöglichkeiten dagegen bieten wirksame Hilfe: 

Lokale Therapie: Sobald das betroffene Hautareal vollständig geschlossen und die Wunde abgeheilt ist, steht als lokale Betäubung hochdosiertes Capsaicin (Chili) zur Verfügung. Anwendungsformen sind eine Tinktur oder Capsaicin-Pflaster. „Diese Pflaster wirken sehr gut, die zirka einstündige Behandlung kann aber wegen Juckreiz und Hitzegefühl mitunter unangenehm sein“, sagt Dr. Gonano. Auch Lidocain-Creme kommt zum Einsatz. Deren Wirkstoff ist betäubend und schmerzlindernd. 

Systemische Therapie: Reicht eine lokale Therapie nicht aus und ist eine langfristige, kontinuierliche Behandlung erforderlich, wird entweder ein Antiepileptikum oder ein (niedrigdosiertes) Antidepressivum eingesetzt. Diese Medikamente helfen vielen Betroffenen, da sie die Aktivität in den schmerzenden Nervenbahnen dämpfen. Vor allem der Wirkstoff Pregabalin spricht gut an und ist auch für Leber und Nieren gut verträglich.  

Botulinumtoxin: Die Literatur zeigt, dass das Nervengift Botulinumtoxin (umgangssprachlich Botox genannt) eine wirksame Therapieoption bei der Post-Zoster-Neuralgie darstellt. Untersuchungen zeigen einen signifikanten Effekt auf den Schmerz, aber auch auf die Lebens- und insbesondere die Schlafqualität. „Botulinumtoxin funktioniert besonders dann gut, wenn das betroffene Hautareal relativ klein ist“, sagt Dr. Gonano. 

Opioide: Bei sehr starken Schmerzen können kurzzeitig Opioide eingesetzt werden. Sie wirken rasch und sind daher am Beginn einer Therapie sinnvoll, bis das Capsaicin oder Pregabalin zu wirken beginnen. 

Schlafmittel: Da eine Neuralgie oftmals das Schlafen behindert, kommen bei Bedarf auch Schlafmittel zum Einsatz. Ohne ausreichend Schlaf werden Schmerzen stärker wahrgenommen.  

Psychotherapie und Entspannung: Bei langwierigen Verläufen können auch nichtmedikamentöse Verfahren wie Entspannungstechniken eine gewisse Erleichterung bringen. „Spazieren gehen und sporteln sind kein Problem, man kann alles ausüben, was einem gut tut. Vermeiden sollte man dagegen Stress, zu viel Sonne und Nikotin“, sagt der Schmerzmediziner. 

Impfung zur Vorbeugung 

Besser als jede Therapie ist natürlich ein vorbeugender Schutz. Zum Schutz vor Gürtelrose sowie ihren Spätfolgen sind Impfstoffe erhältlich. Eine Impfung reduziert das Risiko an Herpes Zoster zu erkranken beziehungsweise verkürzt sie die Erkrankung, mildert deren Ausprägung und mindert das Risiko einer Neuralgie. „Ich empfehle jedem, sich ab dem 50. Lebensjahr impfen zu lassen. Besonders wichtig ist eine Impfung für immungeschwächte Personen und generell für Patienten mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung“, sagt Dr. Gonano.

 

Dr. Thomas Hartl
März 2023


Bild: shutterstock_2166858361_aslysun



Zuletzt aktualisiert am 16. März 2023