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Blutvergiftung: Aus dem Ruder

BlutvergiftungVon einer Sepsis oder Blutvergiftung spricht man, wenn Keime in die sonst sterile Blutbahn gelangen. Kleine Blutvergiftungen sind gar nicht so selten. Bei jedem Zahnfleisch-Bluten können Bakterien ins Blut gelangen. Damit werden die körpereigenen Abwehrsysteme normalerweise rasch fertig. Gefährlich wird es allerdings, wenn die Abwehr versagt und sich eine richtige Sepsis ausbildet. Dann muss die Medizin im Kampf um Leben und Tod alle ihre Trümpfe ziehen.

Trotz aller Fortschritte der Medizin zählt die Sepsis noch immer zu den häufigsten Todesursachen. Zwischen fünf und zehn Prozent der Patienten in Intensivstationen kämpfen gegen eine gefährliche Blutvergiftung. Prof. Dr. Graham Ramsay, Vorsitzender der Task Force on Education bei der Europäischen Gesellschaft für Intensivmedizin (ESCIM), schätzt die Zahl der Sepsis-Todesopfer weltweit auf rund 1.400 pro Tag, die Dunkelziffer wegen falscher Diagnosen liege sogar um ein Vielfaches höher. Ramsey kommt zu dem Schluss: „Die Sepsis stellt noch immer eine der großen Herausforderungen der Medizin dar.” Aus einfachem Grund: Die Sepsis ist eine höchst komplizierte und komplexe Antwort des gesamten Organismus auf die schädigenden Einflüsse von außen.

Für eine Sepsis können die verschiedensten Bakterien verantwortlich sein. Häufig sind es Streptokokken, Staphylokokken und gramnegative Bakterien, die eine Blutvergiftung auslösen. Es gibt eine große Anzahl von möglichen Eintrittspforten für die Keime. Die häufigsten Entzündungsherde sind Haut- und Operationswunden sowie Verbrennungen. Aber auch im Hals-Nasen-Ohrenbereich, im Darmtrakt, im Genitalbereich sowie in der Lunge können Bakterien in die Blutbahn geraten. Die dadurch in Gang gesetzten Mechanismen im menschlichen Körper sind ein Zusammenspiel von komplizierten Prozessen, die einerseits Entzündungen hervorrufen und andererseits entzündungshemmend wirken. Diese Entzündungskaskaden können bis zum lebensbedrohenden Organversagen führen. Die an und für sich nützliche Abwehrreaktion des Körpers läuft dann aus dem Ruder und beschwört lebensbedrohende Situationen herauf. Dann sind neben einer antibiotischen Bekämpfung und allenfalls einer operativen Entfernung des Infektionsherdes alle Künste der Intensivmedizin gefordert – bis hin zum vollständigen Ersatz von Organen.

Bei der Behandlung einer Sepsis zählt jede Stunde. Deshalb ist es wichtig, eine beginnende Blutvergiftung rechtzeitig zu erkennen und sofort ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Allgemeine Symptome sind Fieber, ein schlechter werdender Allgemeinzustand bis zu Bewusstseinsstörungen. Auch entzündliche und schmerzende Rötungen, die sich von der Peripherie zum Zentrum hin ausbreiten, sind genauso Zeichen einer Sepsis wie spontane Hautblutungen. Höchste Alarmstufe ist bei einem sogenannten septischen Schock angesagt. Anzeichen dafür sind blasse, feucht-kalte Haut, rasanter Blutdruck-Abfall und Herzrasen.

Blutvergiftung





Auch beim kleinsten Verdacht zum Arzt

Je früher man mit einer gezielten Therapie gegen eine Sepsis beginnen kann, desto besser. Deshalb sollte beim kleinsten Verdacht auf eine Sepsis ein Arzt aufgesucht werden. Etwa wenn unerklärliches Fieber auftritt. Denn das könnte ein Hinweis auf einen permanenten Entzündungsherd sein, wo sich aus einem lokalen entzündlichen Prozess eine Sepsis entwickeln kann. Auch wenn die Entzündung um eine Wunde rasch wächst oder starke Schmerzen auftreten, sollte umgehend ein Arzt beigezogen werden. Eine Abwehrschwäche bei Diabetes mellitus, Alkoholismus, AIDS oder nach Operationen kann die Gefahr einer Sepsis verstärken. Auch mit dem Alter nimmt die Gefährdung zu.

Noch lange bevor ein Arzt nötig wird, kann jeder Einzelne recht wirksam etwas gegen die Gefahr einer Blutvergiftung unternehmen. Um bei einer Verletzung der Haut eine Sepsis zu verhindern, sollten alle Fremdkörper entfernt und die Wunde mit Wasser oder einem Desinfektionsmittel gereinigt werden. Das kann bei kleineren Verletzungen jeder selbst machen.

Heinz Macher

Oktober 2012

Foto: © Gerd Altmann / pixelio.de, illumed.com

Zuletzt aktualisiert am 11. Mai 2020