Die gesunde Magenschleimhaut ist durch eine zähe Schleimschicht ausgekleidet und damit gut gegen die aggressive Magensäure isoliert. Diese kann sogar Stahl angreifen – erst recht die Magenschleimhaut, wenn die schützende Schleimschicht beschädigt ist. Dann kommt es zur Gastritis, zur Entzündung der Magenschleimhaut, die akut oder chronisch verlaufen kann.
Eine akute Gastritis wird oft durch Alkoholmissbrauch und starkes Rauchen ausgelöst, aber auch durch Antidepressiva, Antirheumamittel und ähnlich magenfeindliche Substanzen. Diese drosseln als Nebenwirkung ein Enzym, das für die Schleimproduktion gebraucht wird. Somit ist die Magenschleimhaut stärker der Magensäure ausgesetzt. Symptome sind Appetitlosigkeit, Aufstoßen, Blähungen, Übelkeit, Mundgeruch, Unverträglichkeit von fetten Speisen – sie treten auch bei chronischer Gastritis auf, jedoch meist weniger ausgeprägt. Wenn sie wiederholt auftauchen oder länger bestehen bleiben, sollten sie mit Hilfe einer Magenspiegelung abklärt werden, vor allem bei einer Familienbelastung mit Magenkrebs.
Lange unbemerkt
Die Gastritis vom Typ A ist mit etwa fünf Prozent recht selten. Bei dieser nicht heilbaren Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem jene Zellen an, die für die Sekretion der Magensäure zuständig sind – die sogenannten Belegzellen. Die zugrunde gegangenen Zellen hinterlassen Defekte in der Magenschleimhaut. Dennoch verläuft eine Typ-A-Gastritis oft lange unbemerkt. Aus der oberflächlichen Schleimhautentzündung kann sich ein Geschwür und schlimmstenfalls ein Karzinom entwickeln, warnt Dr. Friedrich Wewalka von der IV. Internen Abteilung am Krankenhaus der Elisabethinen in Linz. Um die Entwicklung eines Tumors früh genug erkennen zu können, werden den Patienten Gastroskopien in zweijährigem Abstand empfohlen.
An der Typ-B-Gastritis, die rund 85 Prozent der Gastritisfälle ausmacht, ist das Bakterium Helicobacter Pylori schuld. Die Infektion passiert häufig schon im Kindesalter. Sie kann sich anfangs mit kurzzeitig stärkeren Magenbeschwerden präsentieren. Nach dem Abklingen der Akutsymptome nimmt die bakterielle Gastritis einen chronischen Verlauf. Wie bei allen Gastritisformen können aus der Entzündung Geschwüre und sogar Magenkrebs entstehen.
Dr. Friedrich Wewalka: „Zwischen Helicobacter Pylori und Magenkrebs besteht ein eindeutiger Zusammenhang. Der jahrelange Entzündungsprozess provoziert wie bei jeder chronischen Gastritis einen fehlerhaften Umbau der Schleimhaut, woraus sich Tumorzellen entwickeln können.“ Ob sich die Helicobacter-Infektion eher zu einem Magen- und Zwölffingerdarmgeschwür oder zu einem Karzinom auswächst, hängt vom Bakterienstamm und der Veranlagung des Patienten ab. Eine nicht minder zu fürchtende dramatische Komplikation eines Magengeschwürs ist der Magendurchbruch. Eine Kombinationstherapie aus zweierlei Antibiotika und einem Magensäurehemmer hat zum Ziel, die Helicobacter-Erreger zu vernichten und die Entzündung auszuheilen. Danach sind bei schon fortgeschrittenem Schleimhautumbau regelmäßige Kontrollen angebracht, um Spätschäden zuvorzukommen.
Die chronische Gastritis vom Typ C entsteht unter dem Einfluss chemischer Substanzen, wie etwa durch Rückfluss des Gallensekrets in den Magen. Das kann bei Problemen des Schließmuskels am Magenausgang vorkommen. Als Risikofaktor für eine chronische Typ-C-Gastritis gelten bei langfristigem Gebrauch auch jene Medikamente, die eine akute Gastritis auslösen können: Antibiotika, nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie etwa Ibuprofen sowie Präparate der Acetylsalicylsäure (ASS). Auch manche chemotherapeutischen Medikamente können dem Magen gefährlich werden.
Üblicherweise bereitet die Typ-C-Gastritis die heftigsten Symptome. Das Weglassen der Auslöser ist der erste Schritt zur Linderung. Oft stehen magenverträglichere Alternativen zur Verfügung. Vor allem aber sind Präparate, die die Magensäurebildung beeinflussen, die Säulen der Gastritisbehandlung. Protonenpumpenhemmer sind die meistverordneten Medikamente der Welt. Friedrich Wewalka: „Diesen Präparaten ist der deutliche Rückgang der Magengeschwürleiden in den letzten zwei Jahrzehnten zu verdanken.“ Sie sind auch bei längerer Einnahme gut verträglich. Diskussionen etwa um ein erhöhtes Osteoporoserisiko sind durch jüngste Studien widerlegt, versichert der Linzer Gastroenterologe. Weil ihr Wirkstoff nur auf dem Weg über den Darm in die Blutbahn zu den Belegzellen gelangen kann, müssen Protonenpumpenhemmer vor dem Frühstück eingenommen werden, noch bevor die Nahrungsaufnahme die Säurebildung aktiviert. Zur Gruppe der Antihistaminika gehören die H2-Blocker. Sie dämpfen vor allem die nächtliche Säureproduktion und werden am besten abends eingenommen.
Kamillentee
Sogenannte Antazida neutralisieren auf Magnesium- oder Aluminiumbasis die Magensäure, sind jedoch nicht zur langfristigen Einnahme geeignet, weil sonst ein Ungleichgewicht von Mineralstoffen und Spurenelementen droht. Speisenatron und Backpulver sind nicht zuletzt wegen ihrer Nebenwirkungen bei längerer und hochdosierter Anwendung schon lange nicht mehr zeitgemäß. Die Naturheilkunde empfiehlt gegen Gastritis rohen Kartoffelsaft, der aber wegen des enthaltenen Alkaloids Solanin mit Vorsicht zu genießen und für Schwangere und Stillende gänzlich ungeeignet ist.
Tee aus Kamille, Fenchel, Kümmel oder Käsepappel wirkt beruhigend auf die entzündete Magenschleimhaut, eiskalte Getränke sind Gift. Die Vitaminbombe Orangensaft bedeutet für den gesunden und erst recht den kranken Magen Säurealarm. Kaffee reizt die Magenschleimhaut, man muss aber bei milder Röstung nicht ganz darauf verzichten. Nicht alle scharfen Gewürze sind eine Tortur für den Magen – der Pflanzenwirkstoff Capsaicin in Chilischoten fördert die Durchblutung der Magenschleimhaut und die schützende Schleimproduktion. Von scharf Gebratenem und Geräuchertem ist bei Gastritis ebenso abzuraten wie von Nüssen, unreifem Obst und Zwiebeln. Kleinere Mahlzeiten helfen, dass einem nichts schwer im Magen liegt.
Klaus Stecher
Mai 2013
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Aufbau des Magens
Der menschliche Magen ist ein innen von Schleimhaut ausgekleideter Muskelbeutel, der dafür zuständig ist, die durch die Speiseröhre angelieferte Nahrung vor dem Weitertransport in den Dünndarm für die Verdauung aufzubereiten. Das machen vor allem der Magensaft und Verdauungsenzyme. Ungefüllt ist der Magen rund 20 Zentimeter lang und hat ein Fassungsvermögen von durchschnittlich rund 1,5 Litern. Die Nahrung bleibt zwischen einer und sechs Stunden im Magen, bevor der dort entstandene Speisebrei schubweise in den Dünndarm gelangt.
Protonenpumpenhemmer
In die Magenschleimhaut sind verschiedenste Zellarten eingebettet, die in einem komplizierten Regelkreis Hormone, Verdauungsenzyme und deren Vorstufen erzeugen. Diese werden nicht in der Zelle selbst, sondern erst in der Magenhöhle komplettiert und aktiviert, so wie die im Magensaft enthaltene Salzsäure. Die sogenannten Belegzellen setzen Protonen frei, also positiv geladene Wasserstoffteilchen, die aus der Zelle geschleust werden. Dieser biochemische Prozess heißt Protonenpumpe. Die Protonen vereinigen sich erst außerhalb der Zelle mit separat erzeugten Chlorbausteinen zu Salzsäure. Diesen Vorgang unterbrechen die Protonenpumpenhemmer, auch als Protonen-Pumpen-Inhibitoren (PPI) bezeichnet. Sie bremsen die Magensäureproduktion. So wird der Magensaft, der sonst einer 0,5-prozentigen Salzsäure entspricht, weniger aggressiv. Dann kann auch ein defekter Schleimfilm seine Schutzfunktion erfüllen.
Kommentar
„Das Verdauungsschnapserl ist nicht so gesund, wie viele gerne glauben – es verzögert die Verdauung, statt sie zu fördern. Der hohe Alkoholanteil entspannt nur die Magenmuskulatur und dämpft dadurch das Völlegefühl. Er schadet aber der Magenschleimhaut.“
OA Dr. Friedrich Wewalka
IV. Interne Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie, KH der Elisabethinen, Linz