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Leberzirrhose: Verstopfte Filter

Leberzirrhose - Verstopfte FilterLeberzirrhosen können lange Zeit unentdeckt bleiben. Die Leberzirrhose wird noch immer mit dem Endpunkt von Säuferkarrieren gleichgesetzt. Tatsächlich dürfte die Rolle des Alkohols bei der Entstehung der Schrumpfleber überschätzt worden sein. Gesund ist ein Übermaß an Alkohol trotzdem nicht.

Die Leberzirrhose ist eine oft völlig unbemerkt stattfindende Strukturänderung in der größten Drüse des menschlichen Körpers. Leberzellen werden dabei systematisch zerstört. Die Leber will den Verlust ausgleichen und bildet neben neuen Leberzellen Narben und Bindegewebe. Dieser Prozess der Wucherung und Vernarbung führt zum Verdrängen der Leberzellen und schließlich zur Verhärtung und Schrumpfung des gesamten Organs, das beim erwachsenen Menschen normalerweise rund 1.500 Gramm schwer ist. Oberarzt Dr. Rainer Hubmann, Leber-Spezialist an der zweiten Internen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses Linz: „Durch diese Entwicklung wird nicht nur die Struktur der Leber verändert, sondern auch ihre Funktion gestört. Die Leber, die ja wie ein Filter wirkt, bietet durch die krankhafte Veränderung dem durchfließenden Blut zu viel Widerstand – wie bei einem verstopften Filter.” Das kann für den Patienten fatale Folgen haben: Bauchwassersucht und innere Blutungen, aber auch Dämmerzustande sind bedrohliche Vorboten des Totalausfalls der Leber. Hubmann: „Sind diese Ausfallserscheinungen bereits eingetreten, beträgt die Ein-Jahres-Überlebensrate ohne Transplantation nur rund 20 Prozent.”

Leberzirrhose - Verstopfte Filter

Zirrhose-Ursache NASH

Vor nicht allzu langer Zeit wurde die Ursache von Leberzirrhose in bis zu 60 Prozent der Fälle im Alkoholmissbrauch gesucht. Die Zahl hat sich immer weiter nach unten relativiert. Leberspezialist Hubmann: „Es ist in der Vergangenheit manches, was nicht gleich zu erklären war, auf den Alkohol geschoben worden. Die genaueren Diagnosemethoden zeigen jetzt ein anderes Bild. Man geht davon aus, dass bei uns Alkohol und Virus-Hepatitis als Ursache mit jeweils 30 bis 40 Prozent etwa gleichauf liegen." Dazu kommen als Ursachen angeborene Erkrankungen des Eisen-, Kupfer und Fettstoffwechsels sowie Autoimmunreaktionen, die die Leber dauerhaft schädigen können. Ebenfalls an der Entstehung von Leberzirrhosen beteiligt ist ein Krankheitsbild, das in der Fachwelt unter der Kürzel NASH (nicht alkoholische Steatohepatitis) bekannt ist. Diese nicht auf Alkoholkonsum zurückzuführende Fettleberhepatitis, die auch schlanke Menschen treffen kann, ist noch nicht zur Gänze erforscht. Aus diesem Bündel von Ursachen ist die alkoholische Leberzirrhose – wenn sie rechtzeitig erkannt wird – am ehesten positiv zu beeinflussen. Hubmann: „Eine Rückbildung der Zirrhose gibt es zwar nicht. Aber wer zu trinken aufhört, hat zumindest in einem frühen Stadium recht gute Aussichten. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass die Leber ein sehr, sehr gutmütiges Organ ist und viel verzeiht.” Oft sind schon bis zu 70 Prozent des Lebergewebes zerstört, ehe es zu den ersten Ausfallserscheinungen komme. Die Gutmütigkeit der Leber führt allerdings auch dazu, dass Erkrankungen erst sehr spät erkannt werden. Große Sorgen bereitet in diesem Zusammenhang Hepatitis C. Hubmann: „Wir befinden uns da gerade am Höhepunkt einer Entwicklung.” Es wird davon ausgegangen, dass in Österreich rund ein Prozent der Bevölkerung an der von Viren ausgelösten chronischen Leberentzündung leiden. Das Problem: Nur rund die Hälfte der Betroffen weiß von ihrer Erkrankung, die unentdeckt und unbehandelt zu Leberzirrhose und Leberkrebs führen kann. Bei der Leberzirrhose gibt es verschiedene Stadien, von „völlig beschwerdefrei bis zu fünf Minuten vor der Himmelstür”, so Hubmann. Am einen Ende der Skala merkt man den Betroffenen ihre Krankheit praktisch kaum an, während am anderen Ende der Entwicklung bereits Bauchwassersucht und platzende Krampfadern mit massiven Blutungen in der Speiseröhre auftreten und nur noch eine Lebertransplantation den sicheren Tod verhindern kann. Die Ursache für die dramatische Zuspitzung der Lage ist die behinderte Blutzirkulation durch die Leber, die zu einem Rückstau und einem Umgehungskreislauf – eben den Krampfadern in der Speiseröhre – führt. Im Endstadium der Leberzirrhose kann es durch den weitgehenden Ausfall der Leber als Blutfilter zu Schädigungen des Gehirns durch Giftstoffe kommen. Die Ausfälle können sich von Schläfrigkeit und leichter Verwirrtheit bis zum sogenannten Leber-Koma steigern.

Leberzirrhose - Verstopfte Filter

Symptom: Müdigkeit und Leistungsschwäche

In früheren Stadien kann sich eine Zirrhose mit sonst nicht erklärlicher Müdigkeit und Leistungsschwäche bemerkbar machen. Verhindern kann man die tückische Lebererkrankung recht wirkungsvoll. Etwa, indem man sich keinem Risiko auf Hepatitis aussetzt. Und natürlich durch einen vernünftigen Umgang mit Alkohol. Hubmann: „Für einen rund 80 Kilogramm schweren Mann liegt die magische Grenze bei täglich 60 Gramm Alkohol über einen längeren Zeitraum, bei einer gleich schweren Frau wegen des unterschiedlichen Fett- und Wasseranteils nur bei 30 bis 40 Gramm. Wer diese Grenze dauerhaft überschreitet, bekommt früher oder später Probleme.” Die Alkoholmenge entspricht etwa täglich drei großen Bieren für Männer und zwei für Frauen.

Die häufigsten Zirrhose-Ursachen

  • Überkonsum von Alkohol über lange Zeit (alkoholische Zirrhose)
  • Chronische Virus-Hepatitis (B, C, D mit B)
  • Autoimmune chronische Hepatitis
  • Angeborene Erkrankung des Eisen-, Kupfer- und Fettstoffwechsels
  • Autoimmune chronische Erkrankung der Gallenwege (z.B. primär biliäre Leberzirrhose)
  • Schwere langjährige Herzschwäche



Heinz Macher
August 2010


Grafik: deSign of Life, prvat

Kommentar

Kommentarbild von OA Dr. Rainer Hubmann zum Printartikel „Die Erscheinungsformen der Leberzirrhose reichen von völlig beschwerdefrei bis zu fünf Minuten vor dem Himmelstor. Das liegt auch daran, dass die Leber sehr gutmütig ist und sehr viel verzeiht. Wenn es allerdings zu den ersten Ausfallserscheinungen kommt, herrscht höchste Lebensgefahr.”
OA Dr. Rainer Hubmann
2. Interne Abteilung am Allgemeinen Krankenhaus, Linz

Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020