Zappelnde Schritte, vornüber gebeugte Haltung - die Koordination der Bewegungen beim Morbus Parkinson ist zunehmend gestört. Die Nervenkrankheit äußert sich allerdings nur körperlich, sie hat keine Auswirkung auf die geistigen Leistungen.
Der Welt größter Boxer tänzelte im Ring allen davon. Muhammad Ali - früher bekannt als Cassius Clay - brachte die Kunst des Ausweichens und Abduckens im Ring zur Meisterschaft. Er konnte sogar seine Deckung vernachlässigen und bekam trotzdem keine Treffer ab. So schnell waren seine Reaktionen - bis zu seinem 40. Lebensjahr. Ein Jahr nach Karriereende, 1982, diagnostizierte sein Leibarzt bei ihm das "Parkinson-Syndrom". Die Symptome erinnern entfernt sogar an das, was ihn früher zum vielfachen Weltmeister gemacht hat: kleine, zappelnde Schritte - allerdings sehr verlangsamt. Bei ihm waren allerdings andere Ursache an der Krankheit schuld als bei anderen Parkinson-Kranken: Ausgelöst wurde das Syndrom durch die wiederholten Kopftreffer im Ring. Seither unterstützt er die Parkinson-Forschung mit einer eigenen Stiftung. In den meisten Fällen entsteht die Krankheit im Alter zwischen 55 und 65 Jahren. Österreichische Befunde geben die Zahl der Erkrankten mit ein bis eineinhalb Prozent an.
Neben kleinen, zappelnden Schritten, mit denen die Erkrankten nur langsam vorwärts kommen, zeigt sich beim Krankheitsbild eine erhöhte Muskelspannung, die bis zur Bewegungslosigkeit reichen kann. Vor allem in Ruhe zittern die Patienten, sodass auch Essen und Trinken zum Problem werden kann. Die Erkrankung des zentralen Nervensystems betrifft vor allem die willkürlichen und unwillkürlichen Bewegungsabläufe. Das äußert sich auch in einer leicht vornüber gebeugten Haltung beim Gehen, die Arme schwingen dabei nicht mehr mit. Die Beeinträchtigung macht sich auch häufig in der Mimik bemerkbar - die Gesichtszüge sind eingefroren und die Haut bekommt einen wächsernen Überzug ("Salbengesicht"). Auch die Feinmotorik leidet zunehmend unter der Erkrankung. Dass dieser Zustand nicht an der Psyche der Patienten vorbei geht liegt auf der Hand: Oft leiden die Betroffenen an Depressionen.
Dopamin fehlt
Die Medizin macht ein bestimmtes Hirnareal dafür verantwortlich, dass die Beweglichkeit der Patienten immer eingeschränkter wird. In der "Substantia nigra" (schwarze Substanz) wird der Neurotransmitter (Botenstoff) Dopamin gebildet. Das Dopamin ist eine Vorläufersubstanz der Hormone Adrenalin und Noradrenalin. Diese Hirnregion geht beim Parkinson-Kranken zugrunde und somit liegt im Blut zu wenig Dopamin vor. Das wiederum führt zur Zunahme eines anderen Botenstoffes - des Acetylcholins. Dieses Überangebot an Acetylcholin führt über komplexe Wechselwirkungen zu den Krankheitssymptomen. Benannt wurde die Krankheit nach dem englischen Arzt James Parkinson, der die Erkrankung im 18. Jahrhundert als "Schüttellähmung" beschrieb. Aus heutiger Sicht ist diese Bezeichnung falsch, da weder eine Lähmung noch zwingend ein Schütteln oder Zittern vorliegen muss. In den meisten Fällen - 80 Prozent - sind die Gründe für die Entstehung der Krankheit unbekannt. Man spricht dann vom "idiopathischen Parkinson-Syndrom" (idio-..., griech.: eigen-..., von Natur aus).
Von einem "symptomatischen Parkinson-Syndrom" sprechen die Mediziner, wenn Ursachen für die Erkrankung festzumachen sind. Das können Nervengifte (z.B. Kohlenmonoxid), Stoffwechselstörungen oder eben häufige Kopfverletzungen sein. Auch Medikamente, die die Wirkung des Dopamins blockieren, können eine Parkinson-Erkrankung auslösen. Eine Diagnose wird an Hand der oben genannten Symptome gestellt: - Erhöhte Muskelspannung - Rigor - Zittern, vor allem in Ruhe - Tremor - Bewegungslosigkeit und Bewegungsstarre - Akinese. Eine ausführliche neurologische und körperliche Untersuchung stellt die Diagnose sicher und schließt andere Erkrankungen aus.
Möglichst lang aktiv bleiben
An erster Stelle der Behandlung steht die Aufklärung der Patienten und ihrer Angehörigen. Neben einer medikamentösen Behandlung ist es besonders wichtigt, dass die Erkrankten möglichst aktiv bleiben - so kann der Verlauf der Krankheit positiv beeinflusst werden und die Patienten bleiben länger mobil. Am Anfang jeder Therapie stehen deshalb physikalische Methoden: Neben Krankengymnastik, Massagen und medizinischen Bädern sollte auch möglichst bald mit Ergotherapie (ergo, griech.: Tat, Handlung) und Logopädie (logos, griech.: sinnvolle Rede, Wort) begonnen werden. Bei der Therapie wird nach den Hauptsymptomen gewichtet behandelt. Katja Reidinger, Ergotherapeutin am Institut für physikalische Medizin und Rehabilitation der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, Linz: "Wir beginnen mit einer Bewegungsschulung und geben den Patienten je nach Hauptsymptom ein maßgeschneidertes Übungsprogramm mit nach Hause."
Eine besondere Schwierigkeit stellt für Parkinson-Patienten das Gehen dar: Stoppen und Starten ist oft verzögert oder gar nicht möglich. Das wird z.B. dadurch gelöst, dass dem Patienten eine Markierung oder ein kleines Hindernis in den Weg gelegt wird. Durch das Steigen über die Markierung oder das Hindernis kann der Patient seine Starre überwinden und bleibt nicht wie "angenagelt" stehen, hält Reidinger fest. Andere Übungen trainieren die Koordination von Armen und Beinen oder die Mimik. Oft wird mit Musik geübt, weil sie als Taktgeber für die Bewegungen des Patienten dient. Ein großes Problem stellt das Ruhezittern dar, das besondere Auswirkungen auf das selbständige Essen und Trinken hat. Das Schriftbild wird durch die Bewegungsstarre und erhöhte Muskelspannung immer kleiner. Dagegen empfiehlt die Ergotherapeutin zuerst großflächige Schwungübungen mit einem Stift auf einem entsprechenden Blatt Papier, die allmählich in ein Schreibtraining übergehen sollen. "Durch diese Übungen werden sämtliche Muskeln gedehnt und der Schreibfluss dadurch verbessert", weiß Reidinger aus Erfahrung.
Umgang mit dem täglichen Leben
Die größtmögliche Selbständigkeit des Parkinson-Patienten so lange wie möglich zu erhalten, steht für die Therapeutin an oberster Stelle. Dazu gehört die entsprechende Ausstattung des Lebensraumes: Keine Hindernisse in der Wohnung (z.B. Teppichböden) und wenn möglich Adaptierung des Badezimmers (Haltegriffe, Toilettsitz-Erhöhung u.ä.). Fachgeschäfte bieten z.B. auch Zahnpastaspender an, wenn der Patient Schwierigkeiten hat, die Tube auf- und zuzuschrauben. Im Handel werden auch Bestecke mit speziellen Griffen und Schnabeltassen angeboten, die das Essen und Trinken für Parkinson-Kranke erleichtern. "Ganz wichtig für den Patienten mit Parkinson ist die Tagesstrukturierung, weil er dadurch über den ganzen Tag verteilt gewisse Ziele vor Augen hat und dadurch weniger gefährdet ist in Depressionen zu fallen", stellt Reidinger fest.
Die medikamentöse Behandlung von Morbus Parkinson kann die Krankheit leider nicht heilen. Die Symptome können nur gelindert und der Verlauf des Prozesses verlangsamt werden. Zum Einsatz kommen Medikamente, die in den Dopaminkreislauf eingreifen. Da dieser Neurotransmitter in zu niedriger Konzentration im vorliegt, wird versucht, eine Vorstufe des Hormons zu verabreichen, das im Körper erst in seine wirksame Form umgewandelt wird. Es wird auch versucht mit Medikamenten, die in der Wirkung dem Dopamin gleichen, zu helfen. Weitere Möglichkeiten sind, den Abbau des Dopamins im Kreislauf zu hemmen oder die Wirkung des Acetylcholins - seines Gegenspielers - zu blockieren.
Viel Geduld und Einfühlungsvermögen
Bei all den Beschwerden, die dem Erkrankten das Leben schwer machen, darf nie aus den Augen verloren werden, dass der Morbus Parkinson keinen geistigen Abbau verursacht. Der Patient bekommt alle Eindrücke aus seiner Umgebung mit, seine Muskeln können bloß nicht mehr angemessen darauf reagieren. Geduld und Einfühlungsvermögen ist somit der Schlüssel für den richtigen Umgang mit der Parkinson-Krankheit.
Mag. Christian Boukal
April 2006
Foto: Bilderbox