Die virtuelle Apotheke ist eine fragwürdige Errungenschaft im Internet. Immer mehr Internet-Kunden gehen zweifelhaften Pillendrehern ins Netz. Bequem, einfach, diskret – so lockt der Internet-Arzneihandel. Doch der Medikamentenkauf im Internet ist riskant. Die virtuelle Apotheke ist bei echten Quacksalbern ein beliebter Absatzmarkt. Der Patient zahlt drauf, denn das virtuelle Pillen-Shopping ist gefährlich und teuer.
Die USA galten bislang als das Eldorado notorischer Pillenschlucker. Cortisonpräparate zum Aktionspreis, Schmerzmittel aller Art, Psychopharmaka und jede Menge Vitamine, alles im Supermarktregal gleich neben Babywindeln und Nagellack – hierzulande undenkbar. Mit der Internet-Apotheke ist dieser Konsumenten-Albtraum jedoch in greifbare Nähe gerückt.
Die Gefahren
Ein Großteil der im Internet angebotenen „Medikamente“ stammt aus abenteuerlichen Hinterhoflaboratorien. Falsche Dosierungen, fehlende oder mangelhafte Patienteninformationen, unsachgemäße Einnahme – das kann zu folgeschweren Komplikationen führen. Nebenwirkungen, Allergien und Unverträglichkeiten mit anderen Arzneien sind zu befürchten. Für den Patienten sind diese Gefahren nicht abzuschätzen. Umgekehrt entbehren Arzneimittelfälschungen aus purem Milchzucker jeder nachweisbaren Wirkung. Ein erhoffter Heilungsprozess kann so bedrohlich verzögert werden. Wie riskant die eigenmächtige Medikamenten-Verordnung sein kann, hat das Beispiel der Potenzpille Viagra bewiesen. Die Angst vor einem offenen Arzt-Patienten-Gespräch war weltweit für viele Männer eine größere Hemmschwelle als die Furcht vor tödlichen Komplikationen. Nicht wenige haben den Verzicht auf ärztliche Beratung mit ihrem Leben bezahlt. Während die in österreichischen Apotheken erhältlichen Arzneimittel strengen Auflagen und Kontrollen unterliegen, gibt es im Internet keinerlei Kontrollinstanz. Einzelne Pillen aus zerschnittenen Blisterpackungen ohne Beipackzettel würden keiner österreichischen Apothekerkundschaft zugemutet. Im virtuellen Alchimistenladen sind solche Angebote die Regel. Praktisch jedes Gütesiegel kann man im Internet downloaden – eine trügerische Qualitätsgarantie. Kostenpflichtige Fragebögen zum Gesundheitsstatus des Bestellers sind geschickte Scheinmanöver und leichtes Körberlgeld für die virtuellen „Berater“, warnen Experten. Ungeachtet der erteilten Auskünfte über seinen Gesundheitsstatus dürfte noch jeder Besteller sein Pillenpackerl erhalten haben – zusätzlich saftiger Versandkosten.
Finger weg
Der Präsident von "pro mente Austria" in Linz, Univ.-Prof. Prim. Dr. Werner Schöny, hält die virtuelle Apotheke für überflüssig – die Arzneimittelversorgung ist in Österreich perfekt. Wenn schon jemand glaubt, via Internet kaufen zu müssen, dann sollte er zuerst herausfinden, ob er es mit einem seriösen Erzeuger zu tun hat, warnt der Mediziner. Qualitativ unbestrittene Präparate sind jedoch im Internet oft wesentlich teurer als im heimischen Handel.
Klaus Stecher
Dezember 2012
Foto: Bilderbox, privat
Kommentar
Mag. Dr. Herbert Cabana
Em. Präsident der Österreichischen Apothekerkammer, Wien