Etwa einer von 2.000 Österreichern leidet an einem sogenannten irregulären Astigmatismus, der durch eine unregelmäßige Vorwölbung der Hornhaut hervorgerufen wird – dem Keratokonus.
Bis zur richtigen Diagnose kann viel Zeit verstreichen. Das erschwerte „Scharfstellen“ des Auges löst zunächst etwa Kopfschmerzen aus. Wenn bei Brillenträgern schon nach kurzer Zeit neuerlich starke – einseitige – Sehkorrekturen erforderlich werden, können das erste Hinweise auf eine Keratokonus-Erkrankung sein. Manchmal deutet auch häufiges Augenreiben darauf hin.
Stress als Faktor
„Über die Ursachen des Keratokonus wird noch geforscht. Es gibt erst wenig gesicherte Erkenntnisse“, so Christian Tomschi, erster Oberarzt an der Abteilung für Augenheilkunde und Orbitachirurgie des Universitätsklinikums St. Pölten. In rund sechs bis acht Prozent der Fälle treten Häufungen in der Verwandtschaft auf. Wichtiger scheint aber eine Kombination aus Vererbung, Umwelt- und individuellen Faktoren zu sein. Stress oder Überanstrengung können die Krankheit aktivieren oder eine schubweise Verschlechterung auslösen.
Beim Keratokonus, der sich in starker Kurzsichtigkeit äußert, gibt es eine „stille“ und eine „progressive“ Form. Beide Formen sind dadurch charakterisiert, dass sich die Hornhaut kegelförmig vorwölbt und im Zentrum zunehmend dünner wird. Tomschi: „Die Lichtbrechung ist nicht mehr regelmäßig, es kommt zu stark verzerrten Abbildungen im Auge, zu Doppelkonturen und schlechter Sicht in der Dämmerung.“ Eine Heilung ist nicht möglich, wohl aber eine Korrektur, die das Sehbild verbessert.
Der Unterschied zwischen der stillen und der progressiven Form liegt in der Geschwindigkeit des Fortschreitens der Erkrankung. Die stille Form heißt auch so, weil sie den Betroffenen oft gar nicht bewusst wird. Sie kommen lange Zeit mit einer Brillenkorrektur oder mit Kontaktlinsen aus. Die stille Form kann sich auch stabilisieren.
Die progressive Form schreitet schneller voran und wird häufiger erkannt, obwohl sie insgesamt nur rund zehn Prozent der Keratokonus-Fälle ausmacht. Die Patienten benötigen eine Therapie, die bis zu operativen Eingriffen führen kann.
„Keratokonus wird in 80 Prozent der Fälle mit Brillen, weichen und harten Kontaktlinsen oder sogenannten Sklerallinsen korrigiert, die auch einen unregelmäßigen Astigmatismus gut ausgleichen können“, so Christian Tomschi. Erst wenn – bei etwa jedem fünften Keratokonus-Patienten – die konservativen Therapien nicht ausreichen, kommen verschiedene Operationsmethoden zum Einsatz, bis hin zum Verpflanzen einer Spenderhornhaut.
Beim Verfahren des Corneal Cross-linking (CCL) wird die Hornhaut durch UV-Bestrahlung unter Anwendung eines lichtsensiblen Arzneistoffes stabilisiert. Dann kann zwar ein Fortschreiten der Krankheit verhindert werden, doch das optische Problem ist damit nicht gelöst. In der Regel müssen weitere Eingriffe folgen.
Das modernste Verfahren ist das Einsetzen eines sogenannten MyoRings. Dabei wird das Auge selbst gar nicht geöffnet, sondern nur eine Tasche in die Hornhaut geschnitten, in die der Ring hineingeschoben wird. Tomschi: „Der MyoRing funktioniert dann wie eine Kontaktlinse in der Hornhaut. Damit können wir eine sehr gute Optik erreichen.“
Mag. Robert Zauchinger
Juni 2016
Foto: shutterstock, privat
Kommentar
OA Dr. Christian Tomschi
Abteilung für Augenheilkunde und Orbitachirurgie, Universitätsklinikum St. Pölten