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Mann bei Ärztin

Prostatakrebs: NanoKnife in der Testphase

Zurzeit wird eine neue Methode getestet, die bei Prostatakrebs die herkömmlichen Operationsmethoden in einigen Jahren ergänzen könnte: Das Ziel: Mittels kurzer Hochspannungsimpulse des sogenannten „NanoKnife“ sollen Tumoren in der Prostata zerstört werden, während das Organ erhalten bleibt. 

Ist die Prostata von einem Tumor befallen, wird in der Regel das Organ entfernt oder bestrahlt. Erstmalig in Österreich wird im Prostatazentrum der Barmherzigen Schwestern in Linz ein Verfahren getestet, das eine Verbesserung in mehreren Punkten bringen könnte. Das erhoffte Ergebnis: Das Organ und die Potenz bleiben erhalten, der Tumor wird zerstört. 

Stromimpulse zerstören Tumorzellen 

Das Verfahren trägt den Namen Irreversiblen Elektroporation. Die Methode wird auch NanoKnife genannt, weil sie wie ein elektronisches Skalpell funktioniert. Das Funktionsprinzip: Um die Krebszellen zu vernichten, werden kurze Hochspannungsimpulse eingesetzt. Die unterschiedlich starken und nur wenige Mikrosekunden langen Impulse öffnen im fokussierten Bereich die Poren der Krebszellen, wodurch sie absterben. 

Die Technik des NanoKnife 

In der Prostata entstehen Tumoren meist an mehreren Stellen. Man versucht, diese mittels MRT (Magnetresonanztomographie) zu lokalisieren. Mittels Nanoknife wird danach versucht, die aggressivsten Herde zu zerstören.

Primar Dr. Wolfgang Loidl, Leiter des Prostatazentrums der Barmherzigen Schwestern in Linz, erklärt die erhoffte Funktionsweise der Methode: „Die Bildgebung spielt eine besondere Rolle. Mit einem multiparametrischen MRT soll der Indextumor geortet werden. Das ist jener Tumor, der als gefährlicher Haupttumor gilt. Ist die genaue Lage des Tumors festgestellt, werden die für die Behandlung benötigten Sonden äußerst exakt positioniert. Dies gelingt mit einem Template, das ist eine Art Schablone, die mit dem Behandlungstisch verbunden ist. Die Sonden, die wie Nadeln aussehen, werden um den Tumor herum platziert. Die Anzahl der Sonden richtet sich nach der Größe und Lage des Tumors, meist werden zwischen zwei und sechs Nadeln benötigt. Sind diese platziert, werden Hochspannungsimpulse ausgelöst, es baut sich kurzzeitig ein elektrisches Feld auf. Die dadurch ausgelösten kurzen Stromstöße reißen kleinste Löcher in die Zellmembranen, öffnen sie also und bringen die Krebszellen damit zum Absterben. Die Stromstöße sind so kurz, dass es zu keiner Hitzeentwicklung kommt. So bleibt die Zellmatrix des nicht befallenen Gewebes erhalten und kann sich von selbst regenerieren. Das gesunde Gewebe wächst wieder nach, während die abgestorbenen Krebszellen mit der Zeit durch gesunde Zellen ersetzt werden.“

Die (erst zu bestätigende) These: Gelingt es, den Indextumor, diesen Hauptakteur der Krebsentwicklung, auszuschalten, dann beherrscht man den Krebs und eine Heilung wird möglich. „Ob das wirklich so ist, wird sich weisen. Es ist noch schwierig einzuschätzen, ob es stets möglich ist, tatsächlich den Indextumor zu erwischen“, sagt der Urologe.

Während der Behandlung befindet sich der Patient in Narkose, damit der Therapieerfolg nicht durch Körperbewegungen gefährdet wird. Der Patient bekommt einen Blasenkatheder und muss diesen einige Tage tragen. Der Krankenhausaufenthalt wird auf ein Minimum reduziert, die Patienten können bereits am Tag nach dem Eingriff die Klinik verlassen. 

Laufende Studien 

Zurzeit werden im Prostatazentrum Linz zwei Studien zur Wirksamkeit dieser Therapie durchgeführt. Eine Studie ist für Menschen über 65 Jahre, eine für Patienten bis 65 Jahre. Um an der Studie teilnehmen zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, wie z.B. ein lokal begrenztes bösartiges Karzinom einer bestimmten Aggressivität. Der Indextumor muss zudem in der Magnetresonanzuntersuchung gut lokalisierbar sein. Die Patienten, die in die Studie aufgenommen werden, werden lebenslang nachgesorgt.

Bislang wurden im Prostatazentrum mehrere Operationen mit dem sogenannten NanoKnife durchgeführt. „Alle Patienten hatten ausgeprägte Karzinome. Die Operationen sind ohne Probleme verlaufen, die Patienten haben den Eingriff sehr gut überstanden und verspüren keine Nebenwirkungen. Erste aussagekräftige Ergebnisse der beiden Studien sind in etwa zwei Jahren zu erwarten. Erst dann werden sich Aussagen über die Wirksamkeit der Methode treffen lassen. Die in Deutschland mancherorts betriebene Euphorie ist zum jetzigen Zeitpunkt viel zu früh und ohne jegliche abgesicherte Grundlage“, mahnt Loidl zur Vorsicht.

Interessenten, die an einer der beiden Studien teilnehmen möchten, können sich im Prostatazentrum im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Linz informieren, ob sie dafür infrage kommen (Achtung! Nur ein kleiner Prozentsatz von Menschen mit Prostatakrebs kommt für diese Studien in Betracht!). 

Methode ist erst in der Testphase 

Bei über 90 Prozent aller Prostatapatienten passt die NanoKnife-Methode nicht. Konkret sind es nur sechs bis sieben Prozent, die infrage kommen, allen anderen stehen die herkömmlichen Operationsverfahren offen. „Das Problem ist, dass viele Patienten, obwohl sie die Voraussetzungen für dieses Verfahren nicht besitzen, dieses dennoch unbedingt durchführen lassen wollen. Ein Grund dafür: Während die Teilnahme an den Studien kostenlos ist, müssen Patienten in deutschen privaten Instituten mindestens 20.000 Euro für den Eingriff bezahlen. Und obwohl die große Mehrheit der Patienten die nötigen Indikationen nicht besitzen, werden sie in Deutschland dennoch operiert. Das ist höchst fragwürdig und unseriös. Zudem werden damit falsche Ergebnisse über die mögliche Wirksamkeit der Methode produziert. Zudem wissen Patienten oft nicht, worauf sie sich einlassen, sie sind schlecht informiert. Sie werden mit Versprechungen gelockt, dass es mit dem Nanoknife kaum Nebenwirkungen gibt. Das dürfte auch stimmen, viele Belastungen, die mit einer klassischen Prostataentfernung verbunden sind, entfallen beim neuen Verfahren. Aber das Wichtigste ist, ob die Methode beim jeweiligen Patienten überhaupt wirksam gegen den Tumor sein kann. Es ist entscheidend, ob der konkrete Patient die nötigen Voraussetzungen mit sich bringt. Und genau das wird zu wenig beachtet. Ist das nicht der Fall, ist es keineswegs sicher, dass damit das Karzinom auch wirklich ausgeschaltet wird“, sagt Loidl.

Es gibt kaum wissenschaftliche Daten und gut dokumentierte Behandlungen. Loidl: „Die Suppe ist sozusagen dünn. In Deutschland gibt es eine hohe Dunkelziffer, damit meine ich, dass diese Methode zwar angewandt wird, ohne dass man weiß, wie die Erfolge sind.“ Diese Kritik an privaten, deutschen Instituten teilt auch Univ. Doz. Dr. Michael Rauchenwald, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Urologie und Andrologie: „Bislang handelt es sich beim NanoKnife um eine rein experimentelle Angelegenheit. Es gibt keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz, die Methode wird in den Leitlinien noch gar nicht erwähnt. Die Methode ist auch keineswegs völlig harmlos und ungefährlich. Es sieht so aus, als könnte sie für ganz bestimmte Fälle gut wirksam sein, sicher ist das aber noch nicht. Manche Institute in Deutschland agieren leider unseriös, ich kann Patienten nur raten, sich vorher sehr genau über den Eingriff zu informieren.“

 

Weitere Informationen:

www.prostatazentrum.at und www.uro.at

 

Dr. Thomas Hartl

Oktober 2016


Bild: shutterstock


Zuletzt aktualisiert am 13. November 2020