Künstliche Knie- und Hüftgelenke sind die häufigsten Endoprothesen, die in Österreich eingebaut werden. Seit einigen Jahren gibt es bei der Hüfte knochensparende Kurzschaft-Prothesen, die vor allem bei jüngeren Patienten von Vorteil sind, weil sie gute Voraussetzungen für einen etwaigen Prothesenwechsel nach vielen Jahren schaffen.
Das Hüftgelenk gehört zu jenen Gelenken, die der größten Belastung ausgesetzt sind. Dank intensiver Forschung und Entwicklung verhelfen die neuesten Generationen von Kunstgelenken Patienten zu verbesserer Mobilität und Lebensqualität. Als Indikation für eine Hüftprothese steht die Arthrose (Abnutzung) an oberster Stelle. Bei leichter Hüftdegeneration sind konservative Maßnahmen mit Schmerz- und Physiotherapie Mittel erster Wahl. Sind aber Mobilität und Alltagsbewältigung eingeschränkt und ist der individuelle Leidensdruck hoch, entscheiden sich die meisten Patienten für einen künstlichen Gelenkersatz. Die steigende Lebenserwartung und die damit einhergehende Gelenksabnutzung erhöhen den Bedarf an Endoprothesen. Neue Formen, Materialien und Oberflächen der Kunstgelenke ermöglichen bestmögliche Verträglichkeit und Mobilität bei langer Haltbarkeit.
Kürzere Rekonvaleszenz
Mit der Kurzschaft-Prothese können vor allem jüngere, sportlich aktive Menschen seit einigen Jahren sehr gut versorgt werden. Auch ältere Patienten mit guter Knochenqualität kommen für Kurzschaft-Prothesen in Frage. Bei Patienten unter 50 oder 60 Jahren ist abzusehen, dass es im Lauf der Jahrzehnte – trotz rund 20jähriger Haltbarkeit der Kunstgelenke – zu einem Prothesenwechsel kommen wird. Dafür braucht es relativ gutes Knochenmaterial, um die neue Prothese stabil verankern zu können. Mit dem Kurzschaft ist diese Voraussetzung besser gegeben als mit dem traditionellen Geradschaft. Herkömmliche Prothesen reichen mit dem Stiel weit in den Oberschenkelknochen. Dadurch entsteht eine Druckentlastung für die oberen Knochenbereiche, was dazu führen kann, dass sich Teile des Knochens zurückbilden. Beim Kurzschaft bleiben die angrenzenden Knochenstrukturen funktionell intakt und für einen eventuellen Gelenkwechsel erhalten.
Langzeitergebnisse fehlen noch
Neben einer fortgeschrittenen Arthrose sind es vor allem Verletzungen, Unfälle oder Fehlstellungen, die das Implantieren eines Kunstgelenks in jüngeren Jahren erfordern. Die Kurzschaftprothese hat einen um bis zu zwei Drittel kürzeren Schaft als herkömmliche Prothesen. Sie wird zementfrei implantiert. Große Teile des Schenkelhalses können beim Einbauen erhalten werden, was bei einem Geradschaft nicht möglich ist.
Der Orthopäde entscheidet individuell, welche Prothese für den jeweiligen Patienten die bestgeeignetste ist. Der Kurzschaft verankert sich im oberen Anteil des Femur, sprich des Oberschenkelknochens, und macht somit eine physiologische Krafteinleitung möglich, die dem Originalgelenk sehr nahe kommt. „Erste Studien bezüglich Sicherheit und Stabilität sind vielversprechend, Langzeitergebnisse zum Kurzschaft liegen noch keine vor“, sagt Orthopäde OA Dr. Conrad Anderl vom Endoprothetik Zentrum im Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern. Dort begann man 2012 mit dem Einsetzen eines gewebe- und knochenschonenden Kurzschaftes.
Vorteile der Kurzschaft-Prothese
- Sie wird mit einem minimalinvasiven Zugang (Schnitt von etwa fünf Zentimetern) zementfrei eingesetzt. Das Gewebetrauma ist gering, weil keine Muskeln durchtrennt beziehungsweise verletzt werden.
- Sie ist knochensparend, was gute Voraussetzungen für eine Revision schafft.
- Der Blutverlust bei der Operation ist gering. „Die meisten Patienten kommen ohne Blutkonserve aus, nur rund fünf Prozent brauchen heute eine Blutkonserve. In den 1980er/90er Jahren war es keine Seltenheit, dass bei Hüftgelenksimplantationen die Verabreichung von fünf bis sieben Konserven notwendig war“, sagt Anderl.
- Schnellere Rekonvaleszenz mit verkürzter Liegedauer. „Die Patienten zeigen oft schon am zweiten Tag nach dem Eingriff ein normales Gangbild ohne Humpeln. Nach im Schnitt fünf bis sieben Tagen können die Patienten das Spital verlassen. „Kriterium für die Entlassung ist, dass der Patient im Beisein des Physiotherapeuten sicher Stiegen steigen kann“, erklärt der Orthopäde, der die Erfahrungen aus der Kurzschaft-Praxis zusammenfasst: „Geringerer Schmerzmittelverbrauch, deutlich verkürzte stationäre Verweildauer und schnellere Rekonvaleszenz führen zu einer sehr hohen Patientenzufriedenheit.“
Vier bis sechs Wochen nach der Entlassung macht ein Reha-Aufenthalt Sinn. „Diese paar Wochen braucht der Schaft zum Einheilen“, sagt der Orthopäde und ergänzt: „Sportarten, die der Patient vor dem Eingriff durchgeführt hat, sollte er auch danach wieder ausüben können. Kontaktsportarten sollen gemieden werden. Auch vor dem Erlernen neuer technisch anspruchsvoller Sportarten mit Sturzgefahr wird abgeraten, um eine periprothetische Fraktur, sprich den Bruch des Knochens, in dem die Prothese verankert ist, zu verhindern.“ Zum Risiko einer Lockerung der Prothese durch Abrieb sagt Anderl: „Unsere Kunstgelenke bestehen aus dem Titan-Kurzschaft, einem Polyethylen-Inlay und Keramik-Hüftkopf. Bisherige Ergebnisse zeigen nur sehr geringen Abrieb.“
Die digitale Operationsplanung und eine intraoperative Röntgenuntersuchung, die darstellt, ob das Implantat richtig steht, hilft die Präzision und Sicherheit des Eingriffes zu optimieren.
Hüfte aus dem 3D-Drucker
Wenn Knochen sehr schwer defekt sind, können herkömmliche Kunstgelenke in manchen Fällen nicht mehr verankert werden. Für solche Patienten ist die maßgeschneiderte Individualprothese aus dem 3D-Drucker die einzige Möglichkeit, ihnen ein Leben im Rollstuhl zu ersparen. „In Zusammenarbeit mit einer belgischen Firma, die über eine Spezialsoftware sowie über 3D-Fertigungswerke verfügt, werden unsere innovativen High-Tech Hüften aus Titan produziert“, sagt Primar Dr. Josef Hochreiter, Vorstand der Orthopädie der Barmherzigen Schwestern Linz, wo nach komplexer und aufwendiger Vorarbeit solche individuellen High-Tech-3D-Hüften schon erfolgreich eingesetzt werden.
Mag. Christine Radmayr
Oktober 2018
Bild: shutterstock