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Aids Hilfe Wien: Lust auf Sex?! Wir haben Lust auf Reden.

Start der österreichweiten Kampagne „Lust auf Reden. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit“ - denn sexuelle Gesundheit darf kein Tabu sein.


Im Jahr 2022 gilt das Reden über sexuelle Gesundheit immer noch als ein Tabu in unserer Gesellschaft. Dabei steht sie in enger Wechselwirkung mit der körperlichen und mentalen Gesundheit und kann das Wohlbefinden und die allgemeine Lebenszufriedenheit stärken. Ziel der österreichweiten Kampagne „Lust auf Reden. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit“ ist es, Informationen zur sexuellen Gesundheit und Handlungskompetenz zu vermitteln, um sexuelle Gesundheit sowohl auf professioneller Ebene als auch in privaten Beziehungen anzusprechen.

 

Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sexuelle Gesundheit seit über 20 Jahren als Teil der allgemeinen Gesundheit definiert, stellt sie dennoch oftmals ein Tabuthema dar. Dabei ist sie ein wichtiges Indiz für den allgemeinen Gesundheitszustand. Sexuelle Gesundheit ist untrennbar mit Wohlbefinden und Lebensqualität verbunden und stellt ein fundamentales Menschenrecht dar, das es zu schützen und zu fördern gilt. Wie wichtig das Thema ist, wurde bei der heutigen Pressekonferenz gemeinsam mit dem Fördergeber der Präventionskampagne – dem Dachverband der Sozialversicherungsträger – sowie den Kooperationspartner*innen Österreichische und Wiener Ärztekammer und Institut für Sexualpädagogik erläutert.

 

Andrea Brunner, Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien beschreibt es so: „Viel zu selten trauen wir uns über unsere sexuelle Gesundheit zu sprechen. Oft gilt es noch als Tabu, unsere Bedürfnisse, Wünsche, Probleme oder auch Ängste anderen gegenüber auszudrücken und das kann zu gesundheitlichen Belastungen führen.“ Und weiter: „Sowohl, wenn es um die Prävention von Krankheiten geht oder den Schutz vor sexuell übertragbaren Infektionenals auch generell um Wohlbefinden oder Selbstakzeptanz – sexuelle Gesundheit darf kein Tabu mehr sein. Deshalb haben wir Tools entwickelt, die das Reden über sexuelle Gesundheit in der Partner*innenschaft, beim Ärzt*innenbesuch, in der Schule oder im Alltag erleichtern sollen. Darum danke ich dem Dachverband der Sozialversicherungsträger, der diese wichtige Präventionskampagne unterstützt.“

 

Ingrid Reischl, Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, dazu: „Es ist höchste Zeit, dass wir im Jahr 2022 offen über sexuelle Gesundheit sprechen und aus der Tabuzone holen. Das ist das Ziel dieser Kampagne, die wir als Dachverband sehr gerne unterstützen. Niemand ist vor sexuellen Erkrankungen gefeit, und gerade uns als Sozialversicherung ist es ein großes Anliegen, sexuell übertragbare Krankheiten zu verhindern und die sexuelle Gesundheit zu fördern. Und genau dazu braucht es Informationen und regen verbalen Austausch. Klar ist: Jede Erkrankung, die wir mit Hilfe dieser Kampagne vermeiden können, erspart den Menschen und ihren Angehörigen viel Leid und Sorgen. Abgesehen davon, kann jeder Euro, der in Behandlungskosten geflossen wäre, in Präventionsarbeit investiert werden. Unser Motto lautet: Vorsorge statt Nachsorge und Prävention statt Reparaturmedizin. An dieser Stelle auch ein herzliches Dankeschön an die Aids Hilfe Wien für ihren unermüdlichen Einsatz im Kampf gegen sexuell übertragbare Krankheiten und unsere gute langjährige Zusammenarbeit.“

 

Was beeinträchtigt die sexuelle Gesundheit?

Es gibt eine Vielzahl an Risikofaktoren, die die sexuelle Gesundheit negativ beeinflussen können. Zu den häufigsten zählen verschiedene Erkrankungen, insbesondere sexuell übertragbare Infektionen, eine Beeinträchtigung des psychischen Wohlbefindens (z.B. durch mangelndes Selbstbewusstsein oder psychische Erkrankungen), Probleme in der Partner*innenschaft, (berufliche) Stressbelastung sowie Alkohol- und Drogenkonsum.

 

Im Rahmen der Pressekonferenz unterstreicht die Ärztekammer für Wien diese Problematik:

Ein mittelmäßiger oder schlechter Gesundheitszustand, eine die Sexualität einschränkende wahrgenommene chronische Krankheit oder Behinderung sowie das gemeinsame Auftreten mehrerer spezifischer Erkrankungen werden sowohl mit einer geringeren sexuellen Aktivität als auch mit einer geringeren sexuellen Zufriedenheit assoziiert. Nicht nur sexuelle Funktionsstörungen und sexuell übertragbare Infektionen, sondern auch Krankheiten ohne unmittelbaren Sexualitätsbezug berühren Fragen der sexuellen Gesundheit. Sexualität sollte also in der alltäglichen ärztlichen Praxis an- und besprochen werden.

 

Naghme Kamaleyan-Schmied, 1. Stellvertretende Obfrau der Kurie niedergelassene Ärzte der Ärztekammer für Wien sowie Allgemeinmedizinern bei der Pressekonferenz dazu: „Den Hausärztinnen und Hausärzten, die ihre Patientinnen und Patienten oft medizinisch ein Leben lang begleiten, kommt beim Thema sexuelle Gesundheit eine wichtige Rolle zu – sie sind Vertrauenspersonen und kennen die Gesundheitsgeschichte und Lebensumstände. In diesem Sinne begrüßen wir, dass die Aids Hilfe Wien mit der Kampagne auch wieder Informationsmaterialien für uns Ärztinnen und Ärzte bereitgestellt hat, die helfen, diese Thematik in der alltäglichen Arbeit anzusprechen.“

Was dient der sexuellen Gesundheit?

Die Schutzfaktoren zur Erhaltung bzw. Förderung der sexuellen Gesundheit sind also vielfältig. So kann das Wissen darüber, was einem*einer selbst Lust bereitet, die eigenen sowie die Grenzen anderer Menschen zu kennen und sie zu achten bereits zur Förderung der sexuellen Gesundheit beitragen. Eine weitere Ressource ist es, sich in seiner Körperlichkeit wohlzufühlen und über ein positives Körperbild zu verfügen sowie seine Bedürfnisse (aber auch Probleme) offen ansprechen zu können. Auch weiß man heute, dass die sexuelle Gesundheit sehr deutlich in Zusammenhang mit den Grundbedürfnissen nach Nähe, Geborgenheit und Anerkennung sowie mit der Zufriedenheit in und Qualität der Partner*innenschaft steht. Und es geht darum, das Wissen über sexuell übertragbare Infektionen zu erweitern und Hemmschwellen sich testen, beraten und gegebenenfalls behandeln zu lassen, abzubauen.

 

Die Wichtigkeit von sexueller Selbstsicherheit

Für den Gesundheitspsychologen und Sexualtherapeuten, Wolfgang Kostenwein ist klar: „Lust auf Reden bedeutet auch reden über Lust.“

Er führt bei der Pressekonferenz dazu aus, dass wenn über Sexualität geredet würde, dann eher über damit verbundene Risiken oder Probleme. Sexualität sei zunächst aber lustvoll und lebensbejahend. Es sei die Sehnsucht nach intensiven Lusterlebnissen, die durch Sexualität zugänglich wird. Erst sexuelle Selbstsicherheit ermögliche, sich auch kompetent um Schutz vor Krankheit zu kümmern. Er erklärt, dass der Mythos, die sexuellen Gestaltungsmöglichkeiten einer Person seien unveränderbar, in schwierige Paarsituationen führen kann. Sexualität sei aber kein Naturereignis – für manche sogar eine Naturkatastrophe – sondern folge Entwicklungsprozessen und sei daher veränderbar.

Wolfgang Kostenwein betont daher: „Viele Menschen tragen belastende sexuelle Fragestellungen jahrelang mit sich, weil sie nicht wissen, dass es Möglichkeiten der Veränderung gibt. Und diese Veränderung braucht sexologisches Wissen. Auch darüber müssen wir reden." Und weiter: „Auf professioneller Ebene gehört sexologisches Grundwissen in die Ausbildungen. Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen des Gesundheitssystems sind die ersten Ansprechpersonen bei sexuellen Fragestellungen. Sie müssen unterstützen, ohne in ihren Ausbildungen relevantes sexologisches Grundwissen erfahren zu haben.“

 

Das Design der Kampagne

Mit einem Mix aus Online- und Offline-Elementen wird die Kampagne „Lust auf Reden. Gemeinsam für sexuelle Gesundheit“ österreichweit bis Ende des Jahres laufen. Finanziell unterstützt wird sie vom Dachverband der Sozialversicherungsträger. Weitere Kooperationspartner*innen sind die Österreichische und Wiener Ärztekammer, die Österreichische AIDS Gesellschaft, die ÖGNÄ-HIV, die ÖGSTD, das Institut für Sexualpädagogik sowie die AIDS-Hilfen Österreichs und viele mehr. Die Kampagne umfasst nicht nur verschiedene Informationsmaterialien wie Broschüren und Plakate, es werden auch Fortbildungen, Workshops und Gesprächsgruppen für PLHIV umgesetzt. Online wird die Kampagne auf allen Kanälen der Aids Hilfe Wien (Facebook, Instagram, TikTok) kommuniziert.

Die Kampagnenmaterialien sowie alle Informationen zur Kampagne können auf der Website www.lustaufreden.at abgerufen werden.

Zuletzt aktualisiert am 26. Juli 2022